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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

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seines vielen Schreibens.
Wie oft hab ich, bey dem Betragen, mit einem bittern
Grimm, gelacht;

Bald aus Verdruß, und bald aus Mitleid! Vom
großen Vorwurf keck gemacht,

Da ich zum Lobe Gottes schrieb, hab ich von ihnen oft
gedacht:

"Wie seyd ihr doch bey dieser Arbeit, da ihr sonst so
beredt, so stumm?

"Wird euer sonst so kluge Geist, allein bey diesem Vor-
wurf, dumm?

"Es soll vielleicht der arme Author durch euren Neid
beehret seyn,

"Gedacht ich oft; doch dacht ich auch: Fürwahr, das
wär für sie zu klein.

"Vielleicht verachten sie die Verse, und alle Dichterey.
Doch nein:

"Sie lesen andre Verse ja. Was bleibt, von allem,
dann noch über,

"Als diese Warnung an mich selbst: Was nützt es
alles? Schweige lieber!

Allein, hingegen dacht ich auch: und eben, was ich
da gedacht,

Dient auch, zur Antwort, auf die Fragen, die du zu
Anfangs vorgebracht.

Jch dachte nämlich: "Soll ich dann, weil etwan Alle,
meine Lehren,

"Aus dieser, bald aus jener Ursach und Absicht, nicht
mehr lesen, hören,

"Und merken wollen, darum schweigen? Da ich jeden-
noch überführt,

"Daß viele sie noch nicht verachten; daß viele noch,
dadurch gerührt,
"Sich,
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ſeines vielen Schreibens.
Wie oft hab ich, bey dem Betragen, mit einem bittern
Grimm, gelacht;

Bald aus Verdruß, und bald aus Mitleid! Vom
großen Vorwurf keck gemacht,

Da ich zum Lobe Gottes ſchrieb, hab ich von ihnen oft
gedacht:

“Wie ſeyd ihr doch bey dieſer Arbeit, da ihr ſonſt ſo
beredt, ſo ſtumm?

“Wird euer ſonſt ſo kluge Geiſt, allein bey dieſem Vor-
wurf, dumm?

“Es ſoll vielleicht der arme Author durch euren Neid
beehret ſeyn,

“Gedacht ich oft; doch dacht ich auch: Fuͤrwahr, das
waͤr fuͤr ſie zu klein.

“Vielleicht verachten ſie die Verſe, und alle Dichterey.
Doch nein:

“Sie leſen andre Verſe ja. Was bleibt, von allem,
dann noch uͤber,

“Als dieſe Warnung an mich ſelbſt: Was nuͤtzt es
alles? Schweige lieber!

Allein, hingegen dacht ich auch: und eben, was ich
da gedacht,

Dient auch, zur Antwort, auf die Fragen, die du zu
Anfangs vorgebracht.

Jch dachte naͤmlich: “Soll ich dann, weil etwan Alle,
meine Lehren,

“Aus dieſer, bald aus jener Urſach und Abſicht, nicht
mehr leſen, hoͤren,

“Und merken wollen, darum ſchweigen? Da ich jeden-
noch uͤberfuͤhrt,

“Daß viele ſie noch nicht verachten; daß viele noch,
dadurch geruͤhrt,
“Sich,
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[435/0449] ſeines vielen Schreibens. Wie oft hab ich, bey dem Betragen, mit einem bittern Grimm, gelacht; Bald aus Verdruß, und bald aus Mitleid! Vom großen Vorwurf keck gemacht, Da ich zum Lobe Gottes ſchrieb, hab ich von ihnen oft gedacht: “Wie ſeyd ihr doch bey dieſer Arbeit, da ihr ſonſt ſo beredt, ſo ſtumm? “Wird euer ſonſt ſo kluge Geiſt, allein bey dieſem Vor- wurf, dumm? “Es ſoll vielleicht der arme Author durch euren Neid beehret ſeyn, “Gedacht ich oft; doch dacht ich auch: Fuͤrwahr, das waͤr fuͤr ſie zu klein. “Vielleicht verachten ſie die Verſe, und alle Dichterey. Doch nein: “Sie leſen andre Verſe ja. Was bleibt, von allem, dann noch uͤber, “Als dieſe Warnung an mich ſelbſt: Was nuͤtzt es alles? Schweige lieber! Allein, hingegen dacht ich auch: und eben, was ich da gedacht, Dient auch, zur Antwort, auf die Fragen, die du zu Anfangs vorgebracht. Jch dachte naͤmlich: “Soll ich dann, weil etwan Alle, meine Lehren, “Aus dieſer, bald aus jener Urſach und Abſicht, nicht mehr leſen, hoͤren, “Und merken wollen, darum ſchweigen? Da ich jeden- noch uͤberfuͤhrt, “Daß viele ſie noch nicht verachten; daß viele noch, dadurch geruͤhrt, “Sich, E e 2

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 435. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/449>, abgerufen am 19.05.2024.