Da jeder, was du suchest, sucht; da jeden eine Hoheit reizt, Die sich beständig gegen deine, und gegen andrer Hoheit, spreizt.
Wir suchen, ausser Ehr' und Geld, noch den Ver- stand und Witz zu schärfen; Wir wollen alle Dinge fassen: Wir suchen uns, mit aller Macht, Fast über die Natur und Gott zu Richtern gleichsam aufzuwerfen, Und sind auf nichts, als aufs Begreifen, mit aller See- len-Kraft, bedacht. Der Seelen beste Kraft hingegen, uns Gottes Werke vorzustellen, Als herrlich, als bewundernswürdig, als nützlich, nöthig, ordentlich; Als solche Werke, worinn uns, der allgewaltge Schöpfer, Sich, Durch alle Sinnen, offenbahrt: versäumt man, fast in allen Fällen.
Dieß sind nun die Beschäfftigungen der Menschen, die auf Erden leben; Wovon doch wohl kein' einzige taugt, einen Endzweck abzugeben, Weshalben wir auf Erden kommen. Um nun, so viel mir möglich ist, ein Mittel mir und euch zu zeigen, Wodurch man, was bisher versäumt, am allerleichtsten ändern kann; So will ich meine Meynungen, die dazu tauglich, nicht verschweigen: "Auf Besserung der Phantasie kömmt, wie mich deucht, fast alles an.
"Vor
Neu-Jahrs-Gedicht,
Da jeder, was du ſucheſt, ſucht; da jeden eine Hoheit reizt, Die ſich beſtaͤndig gegen deine, und gegen andrer Hoheit, ſpreizt.
Wir ſuchen, auſſer Ehr’ und Geld, noch den Ver- ſtand und Witz zu ſchaͤrfen; Wir wollen alle Dinge faſſen: Wir ſuchen uns, mit aller Macht, Faſt uͤber die Natur und Gott zu Richtern gleichſam aufzuwerfen, Und ſind auf nichts, als aufs Begreifen, mit aller See- len-Kraft, bedacht. Der Seelen beſte Kraft hingegen, uns Gottes Werke vorzuſtellen, Als herrlich, als bewundernswuͤrdig, als nuͤtzlich, noͤthig, ordentlich; Als ſolche Werke, woriñ uns, der allgewaltge Schoͤpfer, Sich, Durch alle Sinnen, offenbahrt: verſaͤumt man, faſt in allen Faͤllen.
Dieß ſind nun die Beſchaͤfftigungen der Menſchen, die auf Erden leben; Wovon doch wohl kein’ einzige taugt, einen Endzweck abzugeben, Weshalben wir auf Erden kommen. Um nun, ſo viel mir moͤglich iſt, ein Mittel mir und euch zu zeigen, Wodurch man, was bisher verſaͤumt, am allerleichtſten aͤndern kann; So will ich meine Meynungen, die dazu tauglich, nicht verſchweigen: “Auf Beſſerung der Phantaſie koͤmmt, wie mich deucht, faſt alles an.
“Vor
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Neu-Jahrs-Gedicht,
Da jeder, was du ſucheſt, ſucht; da jeden eine Hoheit reizt,
Die ſich beſtaͤndig gegen deine, und gegen andrer Hoheit,
ſpreizt.
Wir ſuchen, auſſer Ehr’ und Geld, noch den Ver-
ſtand und Witz zu ſchaͤrfen;
Wir wollen alle Dinge faſſen: Wir ſuchen uns, mit
aller Macht,
Faſt uͤber die Natur und Gott zu Richtern gleichſam
aufzuwerfen,
Und ſind auf nichts, als aufs Begreifen, mit aller See-
len-Kraft, bedacht.
Der Seelen beſte Kraft hingegen, uns Gottes Werke
vorzuſtellen,
Als herrlich, als bewundernswuͤrdig, als nuͤtzlich, noͤthig,
ordentlich;
Als ſolche Werke, woriñ uns, der allgewaltge Schoͤpfer, Sich,
Durch alle Sinnen, offenbahrt: verſaͤumt man, faſt in
allen Faͤllen.
Dieß ſind nun die Beſchaͤfftigungen der Menſchen,
die auf Erden leben;
Wovon doch wohl kein’ einzige taugt, einen Endzweck
abzugeben,
Weshalben wir auf Erden kommen.
Um nun, ſo viel mir moͤglich iſt, ein Mittel mir und
euch zu zeigen,
Wodurch man, was bisher verſaͤumt, am allerleichtſten
aͤndern kann;
So will ich meine Meynungen, die dazu tauglich, nicht
verſchweigen:
“Auf Beſſerung der Phantaſie koͤmmt, wie mich deucht,
faſt alles an.
“Vor
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/340>, abgerufen am 17.07.2024.
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