Es ragten die noch frisch- und grünen Binsen, Aus der schon starren Fluth, hervor, Und streckten, da ihr Fuß gefesselt, die Spitzen aus dem Eis empor. Die sonst schon längst gesunknen Wasser-Linsen Sah man, darob erstaunt, und dennoch mit Vergnügen, Als im durchsichtigen Chrystall, Jm glatten Eis, als eingeschmelzet, liegen.
Es ward hiedurch ein grünes Eis formiert. Es schien das schnell erstarrte Naß Nicht anders, als ein Spiegel-Glas, Das man mit grüner Farb' und Rankenwerk geziert, Und künstlich übermahlt. Jch sahe dieß mit Lust. Und obgleich die besorgte Brust, Die zu befürchtende zu frühe Kälte, schreckte, Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Gedächtniß steckte; So sah ich doch, vergnügt, dieß schöne Schauspiel an, Und tröstete den bangen Muth, Mit diesem stillen Ueberlegen: "Daß Gott es leichtlich ändern kann; "Und daß, was Er gethan, und thut, "Unwidersprechlich, gut.
Unter-
Der fruͤhe Froſt. 1741.
Es ragten die noch friſch- und gruͤnen Binſen, Aus der ſchon ſtarren Fluth, hervor, Und ſtreckten, da ihr Fuß gefeſſelt, die Spitzen aus dem Eis empor. Die ſonſt ſchon laͤngſt geſunknen Waſſer-Linſen Sah man, darob erſtaunt, und dennoch mit Vergnuͤgen, Als im durchſichtigen Chryſtall, Jm glatten Eis, als eingeſchmelzet, liegen.
Es ward hiedurch ein gruͤnes Eis formiert. Es ſchien das ſchnell erſtarrte Naß Nicht anders, als ein Spiegel-Glas, Das man mit gruͤner Farb’ und Rankenwerk geziert, Und kuͤnſtlich uͤbermahlt. Jch ſahe dieß mit Luſt. Und obgleich die beſorgte Bruſt, Die zu befuͤrchtende zu fruͤhe Kaͤlte, ſchreckte, Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Gedaͤchtniß ſteckte; So ſah ich doch, vergnuͤgt, dieß ſchoͤne Schauſpiel an, Und troͤſtete den bangen Muth, Mit dieſem ſtillen Ueberlegen: “Daß Gott es leichtlich aͤndern kann; “Und daß, was Er gethan, und thut, “Unwiderſprechlich, gut.
Unter-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0298"n="284"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Der fruͤhe Froſt.<lb/><hirendition="#g">1741</hi>.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">E</hi>s ragten die noch friſch- und gruͤnen Binſen,</l><lb/><l>Aus der ſchon ſtarren Fluth, hervor,</l><lb/><l>Und ſtreckten, da ihr Fuß gefeſſelt, die Spitzen aus dem<lb/><hirendition="#et">Eis empor.</hi></l><lb/><l>Die ſonſt ſchon laͤngſt geſunknen Waſſer-Linſen</l><lb/><l>Sah man, darob erſtaunt, und dennoch mit Vergnuͤgen,</l><lb/><l>Als im durchſichtigen Chryſtall,</l><lb/><l>Jm glatten Eis, als eingeſchmelzet, liegen.</l></lg><lb/><lgn="2"><l>Es ward hiedurch ein gruͤnes Eis formiert.</l><lb/><l>Es ſchien das ſchnell erſtarrte Naß</l><lb/><l>Nicht anders, als ein Spiegel-Glas,</l><lb/><l>Das man mit gruͤner Farb’ und Rankenwerk geziert,</l><lb/><l>Und kuͤnſtlich uͤbermahlt. Jch ſahe dieß mit Luſt.</l><lb/><l>Und obgleich die beſorgte Bruſt,</l><lb/><l>Die zu befuͤrchtende zu fruͤhe Kaͤlte, ſchreckte,</l><lb/><l>Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Gedaͤchtniß ſteckte;</l><lb/><l>So ſah ich doch, vergnuͤgt, dieß ſchoͤne Schauſpiel an,</l><lb/><l>Und troͤſtete den bangen Muth,</l><lb/><l>Mit dieſem ſtillen Ueberlegen:</l><lb/><l>“Daß Gott es leichtlich aͤndern kann;</l><lb/><l>“Und daß, was Er gethan, und thut,</l><lb/><l>“Unwiderſprechlich, gut.</l></lg></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#b">Unter-</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[284/0298]
Der fruͤhe Froſt.
1741.
Es ragten die noch friſch- und gruͤnen Binſen,
Aus der ſchon ſtarren Fluth, hervor,
Und ſtreckten, da ihr Fuß gefeſſelt, die Spitzen aus dem
Eis empor.
Die ſonſt ſchon laͤngſt geſunknen Waſſer-Linſen
Sah man, darob erſtaunt, und dennoch mit Vergnuͤgen,
Als im durchſichtigen Chryſtall,
Jm glatten Eis, als eingeſchmelzet, liegen.
Es ward hiedurch ein gruͤnes Eis formiert.
Es ſchien das ſchnell erſtarrte Naß
Nicht anders, als ein Spiegel-Glas,
Das man mit gruͤner Farb’ und Rankenwerk geziert,
Und kuͤnſtlich uͤbermahlt. Jch ſahe dieß mit Luſt.
Und obgleich die beſorgte Bruſt,
Die zu befuͤrchtende zu fruͤhe Kaͤlte, ſchreckte,
Die mir, vom vorgen Jahr, noch im Gedaͤchtniß ſteckte;
So ſah ich doch, vergnuͤgt, dieß ſchoͤne Schauſpiel an,
Und troͤſtete den bangen Muth,
Mit dieſem ſtillen Ueberlegen:
“Daß Gott es leichtlich aͤndern kann;
“Und daß, was Er gethan, und thut,
“Unwiderſprechlich, gut.
Unter-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 284. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/298>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.