Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf seinen Gebuhrts-Tag.
Sey, ewge Liebe! dann für das, was mir erwiesen
Jn meiner Lebens-Zeit, so hier als dort gepriesen!
Jch trete dann nunmehr schon in mein Stuffen-Jahr,
Wie mans zu nennen pflegt, worinn man viel Gefahr
Den Menschen prophezeiht; wovon ich aber gläube,
Daß mehr der Aberglaub' uns zu der Meynung treibe,
Als daß sie gründlich sey. Erfahrung widerspricht,
Und unterschreibt den Schluß von diesem Satze nicht:
So wird auch der Vernunft es nicht an Gründen fehlen;
Sie heißt es eitlen Wahn, sie heißt es Tage-wählen.
Jnzwischen, da jedoch mein wohlbelehrter Geist,
Daß jedes Jahr mit Recht wohl ein Gefahr-Jahr heißt,
Mehr als zu wohl erkennt; so schütt' ich Wunsch und
Flehen,

Mein Schöpfer! vor Dir aus. Soll ich mein Ende
sehen,

Jst meines Lebens Ziel in diesem Jahr bestimmt,
Und willt Du, daß darinn mein Lebens-Tocht verglimmt;
So laß mich, wenn Du willt, o Gott! nicht anders
wollen!

Laß mich Dir, meinem Herrn, mein Leben willig zollen,
Voll Glaubens, daß Du mir, nach hier vollbrachter Zeit,
Worein Du mich gesetzt, der selgen Ewigkeit
Vergnügen schenken wirst; wozu Du, ewge Liebe!
Aus ewger Liebe bloß, der Hoffnung süße Triebe
Uns selber eingeprägt. Wo aber ich allhier
Noch länger leben soll; o Gott! so schenke mir,
Nebst allen Meinigen, auf allen unsern Wegen,
Doch ferner, wie vorhin, Gesundheit, Weisheit, Segen;
Und stärke meinen Geist, damit ich jeden Tag,
Jn Deinen Wundern, Dich, mit Lust, bewundern mag!


Auf
Auf ſeinen Gebuhrts-Tag.
Sey, ewge Liebe! dann fuͤr das, was mir erwieſen
Jn meiner Lebens-Zeit, ſo hier als dort geprieſen!
Jch trete dann nunmehr ſchon in mein Stuffen-Jahr,
Wie mans zu nennen pflegt, worinn man viel Gefahr
Den Menſchen prophezeiht; wovon ich aber glaͤube,
Daß mehr der Aberglaub’ uns zu der Meynung treibe,
Als daß ſie gruͤndlich ſey. Erfahrung widerſpricht,
Und unterſchreibt den Schluß von dieſem Satze nicht:
So wird auch der Vernunft es nicht an Gruͤnden fehlen;
Sie heißt es eitlen Wahn, ſie heißt es Tage-waͤhlen.
Jnzwiſchen, da jedoch mein wohlbelehrter Geiſt,
Daß jedes Jahr mit Recht wohl ein Gefahr-Jahr heißt,
Mehr als zu wohl erkennt; ſo ſchuͤtt’ ich Wunſch und
Flehen,

Mein Schoͤpfer! vor Dir aus. Soll ich mein Ende
ſehen,

Jſt meines Lebens Ziel in dieſem Jahr beſtimmt,
Und willt Du, daß darinn mein Lebens-Tocht verglimmt;
So laß mich, wenn Du willt, o Gott! nicht anders
wollen!

Laß mich Dir, meinem Herrn, mein Leben willig zollen,
Voll Glaubens, daß Du mir, nach hier vollbrachter Zeit,
Worein Du mich geſetzt, der ſelgen Ewigkeit
Vergnuͤgen ſchenken wirſt; wozu Du, ewge Liebe!
Aus ewger Liebe bloß, der Hoffnung ſuͤße Triebe
Uns ſelber eingepraͤgt. Wo aber ich allhier
Noch laͤnger leben ſoll; o Gott! ſo ſchenke mir,
Nebſt allen Meinigen, auf allen unſern Wegen,
Doch ferner, wie vorhin, Geſundheit, Weisheit, Segen;
Und ſtaͤrke meinen Geiſt, damit ich jeden Tag,
Jn Deinen Wundern, Dich, mit Luſt, bewundern mag!


Auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0278" n="264"/>
              <fw place="top" type="header">Auf &#x017F;einen Gebuhrts-Tag.</fw><lb/>
              <lg n="4">
                <l> <hi rendition="#fr">Sey, ewge Liebe! dann fu&#x0364;r das, was mir erwie&#x017F;en</hi> </l><lb/>
                <l> <hi rendition="#fr">Jn meiner Lebens-Zeit, &#x017F;o hier als dort geprie&#x017F;en!</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="5">
                <l>Jch trete dann nunmehr &#x017F;chon in mein Stuffen-Jahr,</l><lb/>
                <l>Wie mans zu nennen pflegt, worinn man viel Gefahr</l><lb/>
                <l>Den Men&#x017F;chen prophezeiht; wovon ich aber gla&#x0364;ube,</l><lb/>
                <l>Daß mehr der Aberglaub&#x2019; uns zu der Meynung treibe,</l><lb/>
                <l>Als daß &#x017F;ie gru&#x0364;ndlich &#x017F;ey. Erfahrung wider&#x017F;pricht,</l><lb/>
                <l>Und unter&#x017F;chreibt den Schluß von die&#x017F;em Satze nicht:</l><lb/>
                <l>So wird auch der Vernunft es nicht an Gru&#x0364;nden fehlen;</l><lb/>
                <l>Sie heißt es eitlen Wahn, &#x017F;ie heißt es Tage-wa&#x0364;hlen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="6">
                <l>Jnzwi&#x017F;chen, da jedoch mein wohlbelehrter Gei&#x017F;t,</l><lb/>
                <l>Daß jedes Jahr mit Recht wohl ein Gefahr-Jahr heißt,</l><lb/>
                <l>Mehr als zu wohl erkennt; &#x017F;o &#x017F;chu&#x0364;tt&#x2019; ich Wun&#x017F;ch und<lb/><hi rendition="#et">Flehen,</hi></l><lb/>
                <l>Mein Scho&#x0364;pfer! vor Dir aus. Soll ich mein Ende<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ehen,</hi></l><lb/>
                <l>J&#x017F;t meines Lebens Ziel in die&#x017F;em Jahr be&#x017F;timmt,</l><lb/>
                <l>Und willt Du, daß darinn mein Lebens-Tocht verglimmt;</l><lb/>
                <l>So laß mich, wenn Du willt, o Gott! nicht anders<lb/><hi rendition="#et">wollen!</hi></l><lb/>
                <l>Laß mich Dir, meinem Herrn, mein Leben willig zollen,</l><lb/>
                <l>Voll Glaubens, daß Du mir, nach hier vollbrachter Zeit,</l><lb/>
                <l>Worein Du mich ge&#x017F;etzt, der &#x017F;elgen Ewigkeit</l><lb/>
                <l>Vergnu&#x0364;gen &#x017F;chenken wir&#x017F;t; wozu Du, ewge Liebe!</l><lb/>
                <l>Aus ewger Liebe bloß, der Hoffnung &#x017F;u&#x0364;ße Triebe</l><lb/>
                <l>Uns &#x017F;elber eingepra&#x0364;gt. Wo aber ich allhier</l><lb/>
                <l>Noch la&#x0364;nger leben &#x017F;oll; o Gott! &#x017F;o &#x017F;chenke mir,</l><lb/>
                <l>Neb&#x017F;t allen Meinigen, auf allen un&#x017F;ern Wegen,</l><lb/>
                <l>Doch ferner, wie vorhin, Ge&#x017F;undheit, Weisheit, Segen;</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;ta&#x0364;rke meinen Gei&#x017F;t, damit ich jeden Tag,</l><lb/>
                <l>Jn Deinen Wundern, Dich, mit Lu&#x017F;t, bewundern mag!</l>
              </lg>
            </lg>
          </div><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">Auf</hi> </fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[264/0278] Auf ſeinen Gebuhrts-Tag. Sey, ewge Liebe! dann fuͤr das, was mir erwieſen Jn meiner Lebens-Zeit, ſo hier als dort geprieſen! Jch trete dann nunmehr ſchon in mein Stuffen-Jahr, Wie mans zu nennen pflegt, worinn man viel Gefahr Den Menſchen prophezeiht; wovon ich aber glaͤube, Daß mehr der Aberglaub’ uns zu der Meynung treibe, Als daß ſie gruͤndlich ſey. Erfahrung widerſpricht, Und unterſchreibt den Schluß von dieſem Satze nicht: So wird auch der Vernunft es nicht an Gruͤnden fehlen; Sie heißt es eitlen Wahn, ſie heißt es Tage-waͤhlen. Jnzwiſchen, da jedoch mein wohlbelehrter Geiſt, Daß jedes Jahr mit Recht wohl ein Gefahr-Jahr heißt, Mehr als zu wohl erkennt; ſo ſchuͤtt’ ich Wunſch und Flehen, Mein Schoͤpfer! vor Dir aus. Soll ich mein Ende ſehen, Jſt meines Lebens Ziel in dieſem Jahr beſtimmt, Und willt Du, daß darinn mein Lebens-Tocht verglimmt; So laß mich, wenn Du willt, o Gott! nicht anders wollen! Laß mich Dir, meinem Herrn, mein Leben willig zollen, Voll Glaubens, daß Du mir, nach hier vollbrachter Zeit, Worein Du mich geſetzt, der ſelgen Ewigkeit Vergnuͤgen ſchenken wirſt; wozu Du, ewge Liebe! Aus ewger Liebe bloß, der Hoffnung ſuͤße Triebe Uns ſelber eingepraͤgt. Wo aber ich allhier Noch laͤnger leben ſoll; o Gott! ſo ſchenke mir, Nebſt allen Meinigen, auf allen unſern Wegen, Doch ferner, wie vorhin, Geſundheit, Weisheit, Segen; Und ſtaͤrke meinen Geiſt, damit ich jeden Tag, Jn Deinen Wundern, Dich, mit Luſt, bewundern mag! Auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/278
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/278>, abgerufen am 14.08.2024.