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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746.

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der Natur.
Uns mit gebognen Häuptern grüßen, bald sich erhöhen
bald sich senken,

Um unsern Blick auf sich zu lenken.
Sie scheinen, zu dem Zweck geschäfftig, durch ihre Schön-
heit uns zu rühren,

Und das gerührte Herz sodann auf aller Schönheit Quell
zu führen.

Mich deucht dabey, ob sagten sie:
Seht uns doch anders, als das Vieh,
Und mit vernünftgen Augen, an.
Verschiebt es nicht, uns anzusehen,
Jn uns den Schöpfer zu bewundern: wir bleiben
hier nicht lange stehen,
Wir treten bald vom Schau-Platz ab; da nie-
mand euch versichern kann,
Ob ihr so lang annoch auf Erden,
Daß nir euch wieder sichtbar werden.
Nebst ihren eilen auch zugleich die funkelnden Gen-
zianellen,
Jn einem schönen blauen Feur, sich auf dem Schau-Platz
darzustellen.

Des Himmels allerschönstes Blau, wenn er am herr-
lichsten geschmückt,

Jst kaum so schön, als wie der Glanz, den man auf ihrem
Kleid' erblickt.

Sie scheint, durch diesen Himmels-Glanz, zu diesem Zweck
sich zu bemühen,

Ein Auge, das vernünftig sieht, hinauf und Himmel-
wärts zu ziehen.
Jm
N 4
der Natur.
Uns mit gebognen Haͤuptern gruͤßen, bald ſich erhoͤhen
bald ſich ſenken,

Um unſern Blick auf ſich zu lenken.
Sie ſcheinen, zu dem Zweck geſchaͤfftig, durch ihre Schoͤn-
heit uns zu ruͤhren,

Und das geruͤhrte Herz ſodann auf aller Schoͤnheit Quell
zu fuͤhren.

Mich deucht dabey, ob ſagten ſie:
Seht uns doch anders, als das Vieh,
Und mit vernuͤnftgen Augen, an.
Verſchiebt es nicht, uns anzuſehen,
Jn uns den Schoͤpfer zu bewundern: wir bleiben
hier nicht lange ſtehen,
Wir treten bald vom Schau-Platz ab; da nie-
mand euch verſichern kann,
Ob ihr ſo lang annoch auf Erden,
Daß nir euch wieder ſichtbar werden.
Nebſt ihren eilen auch zugleich die funkelnden Gen-
zianellen,
Jn einem ſchoͤnen blauen Feur, ſich auf dem Schau-Platz
darzuſtellen.

Des Himmels allerſchoͤnſtes Blau, wenn er am herr-
lichſten geſchmuͤckt,

Jſt kaum ſo ſchoͤn, als wie der Glanz, den man auf ihrem
Kleid’ erblickt.

Sie ſcheint, durch dieſen Himmels-Glanz, zu dieſem Zweck
ſich zu bemuͤhen,

Ein Auge, das vernuͤnftig ſieht, hinauf und Himmel-
waͤrts zu ziehen.
Jm
N 4
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[199/0213] der Natur. Uns mit gebognen Haͤuptern gruͤßen, bald ſich erhoͤhen bald ſich ſenken, Um unſern Blick auf ſich zu lenken. Sie ſcheinen, zu dem Zweck geſchaͤfftig, durch ihre Schoͤn- heit uns zu ruͤhren, Und das geruͤhrte Herz ſodann auf aller Schoͤnheit Quell zu fuͤhren. Mich deucht dabey, ob ſagten ſie: Seht uns doch anders, als das Vieh, Und mit vernuͤnftgen Augen, an. Verſchiebt es nicht, uns anzuſehen, Jn uns den Schoͤpfer zu bewundern: wir bleiben hier nicht lange ſtehen, Wir treten bald vom Schau-Platz ab; da nie- mand euch verſichern kann, Ob ihr ſo lang annoch auf Erden, Daß nir euch wieder ſichtbar werden. Nebſt ihren eilen auch zugleich die funkelnden Gen- zianellen, Jn einem ſchoͤnen blauen Feur, ſich auf dem Schau-Platz darzuſtellen. Des Himmels allerſchoͤnſtes Blau, wenn er am herr- lichſten geſchmuͤckt, Jſt kaum ſo ſchoͤn, als wie der Glanz, den man auf ihrem Kleid’ erblickt. Sie ſcheint, durch dieſen Himmels-Glanz, zu dieſem Zweck ſich zu bemuͤhen, Ein Auge, das vernuͤnftig ſieht, hinauf und Himmel- waͤrts zu ziehen. Jm N 4

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/213>, abgerufen am 06.05.2024.