Gedanken über die Geheimniß-voll Veränderung der Raupen.
Bilder abgeschiedner Seelen, Sommer-Vögel! mi[t] Vergnügen Seh' ich euch, in reiner Luft, aus dem Staub erhoben fliegen. Jhr habt euren morschen Körper, der euch an der Erd[e] band, Der ein Wurm war, abgelegt; und den kümmerlicher Stand, Da ihr krocht, erfreut verändert. Man wird euch, im Gegenhalt Mit der vormals häßlichen und verworfenen Gestalt, Nicht verschönert und verbessert; in der That verherr- licht, nennen; Ja, betrachtet man euch recht, für verklärt fast, schätzen können.
Da ihr erst am Staube klebtet, könnt ihr euch nun- mehr erheben, Und, mit neuer Kraft begabt, in durchstrahlten Lüften schweben, Wärm' und Licht vergnügt geniessen, und, was auf der Erde schön, Bluhmen, Bäume, Gras und Kraut, allenthalben übersehn.
Wenn man, gegen euch, nunmehr, die zurückgelaßne Haut, Und des morschen Dattel-Kerns klägliche Figur beschaut;
Schei-
Gedanken uͤber die Geheimniß-voll Veraͤnderung der Raupen.
Bilder abgeſchiedner Seelen, Sommer-Voͤgel! mi[t] Vergnuͤgen Seh’ ich euch, in reiner Luft, aus dem Staub erhoben fliegen. Jhr habt euren morſchen Koͤrper, der euch an der Erd[e] band, Der ein Wurm war, abgelegt; und den kuͤmmerlicher Stand, Da ihr krocht, erfreut veraͤndert. Man wird euch, im Gegenhalt Mit der vormals haͤßlichen und verworfenen Geſtalt, Nicht verſchoͤnert und verbeſſert; in der That verherr- licht, nennen; Ja, betrachtet man euch recht, fuͤr verklaͤrt faſt, ſchaͤtzen koͤnnen.
Da ihr erſt am Staube klebtet, koͤnnt ihr euch nun- mehr erheben, Und, mit neuer Kraft begabt, in durchſtrahlten Luͤften ſchweben, Waͤrm’ und Licht vergnuͤgt genieſſen, und, was auf der Erde ſchoͤn, Bluhmen, Baͤume, Gras und Kraut, allenthalben uͤberſehn.
Wenn man, gegen euch, nunmehr, die zuruͤckgelaßne Haut, Und des morſchen Dattel-Kerns klaͤgliche Figur beſchaut;
Schei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0188"n="174"/><divn="3"><head><hirendition="#b">Gedanken uͤber die Geheimniß-voll<lb/>
Veraͤnderung der Raupen.</hi></head><lb/><lgtype="poem"><lgn="1"><l><hirendition="#in">B</hi>ilder abgeſchiedner Seelen, Sommer-Voͤgel! mi<supplied>t</supplied><lb/><hirendition="#et">Vergnuͤgen</hi></l><lb/><l>Seh’ ich euch, in reiner Luft, aus dem Staub erhoben<lb/><hirendition="#et">fliegen.</hi></l><lb/><l>Jhr habt euren morſchen Koͤrper, der euch an der Erd<supplied>e</supplied><lb/><hirendition="#et">band,</hi></l><lb/><l>Der ein Wurm war, abgelegt; und den kuͤmmerlicher<lb/><hirendition="#et">Stand,</hi></l><lb/><l>Da ihr krocht, erfreut veraͤndert. Man wird euch, im<lb/><hirendition="#et">Gegenhalt</hi></l><lb/><l>Mit der vormals haͤßlichen und verworfenen Geſtalt,</l><lb/><l>Nicht verſchoͤnert und verbeſſert; in der That verherr-<lb/><hirendition="#et">licht, nennen;</hi></l><lb/><l>Ja, betrachtet man euch recht, fuͤr verklaͤrt faſt, ſchaͤtzen<lb/><hirendition="#et">koͤnnen.</hi></l></lg><lb/><lgn="2"><l>Da ihr erſt am Staube klebtet, koͤnnt ihr euch nun-<lb/><hirendition="#et">mehr erheben,</hi></l><lb/><l>Und, mit neuer Kraft begabt, in durchſtrahlten Luͤften<lb/><hirendition="#et">ſchweben,</hi></l><lb/><l>Waͤrm’ und Licht vergnuͤgt genieſſen, und, was auf der<lb/><hirendition="#et">Erde ſchoͤn,</hi></l><lb/><l>Bluhmen, Baͤume, Gras und Kraut, allenthalben<lb/><hirendition="#et">uͤberſehn.</hi></l></lg><lb/><lgn="3"><l>Wenn man, gegen euch, nunmehr, die zuruͤckgelaßne<lb/><hirendition="#et">Haut,</hi></l><lb/><l>Und des morſchen Dattel-Kerns klaͤgliche Figur beſchaut;</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Schei-</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[174/0188]
Gedanken uͤber die Geheimniß-voll
Veraͤnderung der Raupen.
Bilder abgeſchiedner Seelen, Sommer-Voͤgel! mit
Vergnuͤgen
Seh’ ich euch, in reiner Luft, aus dem Staub erhoben
fliegen.
Jhr habt euren morſchen Koͤrper, der euch an der Erde
band,
Der ein Wurm war, abgelegt; und den kuͤmmerlicher
Stand,
Da ihr krocht, erfreut veraͤndert. Man wird euch, im
Gegenhalt
Mit der vormals haͤßlichen und verworfenen Geſtalt,
Nicht verſchoͤnert und verbeſſert; in der That verherr-
licht, nennen;
Ja, betrachtet man euch recht, fuͤr verklaͤrt faſt, ſchaͤtzen
koͤnnen.
Da ihr erſt am Staube klebtet, koͤnnt ihr euch nun-
mehr erheben,
Und, mit neuer Kraft begabt, in durchſtrahlten Luͤften
ſchweben,
Waͤrm’ und Licht vergnuͤgt genieſſen, und, was auf der
Erde ſchoͤn,
Bluhmen, Baͤume, Gras und Kraut, allenthalben
uͤberſehn.
Wenn man, gegen euch, nunmehr, die zuruͤckgelaßne
Haut,
Und des morſchen Dattel-Kerns klaͤgliche Figur beſchaut;
Schei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott, bestehend in Physicalisch- und Moralischen Gedichten. Bd. 8. Hamburg, 1746, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen08_1746/188>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.