Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Anmuht des Gehörs.
Mit stets annoch geschloßnen Augen
Dacht' ich noch dieser Anmuht nach,
Bis ein nicht minder holder Schall,
Von einem nahen Wasser-Fall,
Jhr helles Tönen unterbrach.
Jch hört' ein sanftes Murmeln schallen,
Ein laut Getös, ein sprudlend Wallen,
Ein rieselnd Rauschen sich dazwischen,
Jn angenehmer Aendrung, mischen.
Die Töne, die so lieblich klungen,
Durch wechselnde Veränderungen,
Sucht' ich zusammen zu verbinden;
Und kam es mir zuweilen vor,
Als könn' ein aufmerksames Ohr
Darinn verschiedne Anmuht finden.
Aufs wenigst' ist doch dieses wahr,
Daß eine Meng' und rechte Fülle
Von schönen Tönen, hier und dar,
Bald einzeln, bald vereinet, quille,
Und in der Seele, wenn mans höret,
Die Fähigkeit zur Anmuht mehret.
Die allgemeine Harmonie
Jst ja gewiß nicht für das Vieh.
Jst es nun für die Menschen nicht;
Wär' es vergebens zugericht't:
Es wäre denn, daß andre Wesen,
An dem Concert sich zu vergnügen,
Und selbe mit Vernunft zu fügen,
Vom Schöpfer wären auserlesen.
Da aber unser Ohr formirt,
Daß unser Geist die Töne spürt;
Wär-
Anmuht des Gehoͤrs.
Mit ſtets annoch geſchloßnen Augen
Dacht’ ich noch dieſer Anmuht nach,
Bis ein nicht minder holder Schall,
Von einem nahen Waſſer-Fall,
Jhr helles Toͤnen unterbrach.
Jch hoͤrt’ ein ſanftes Murmeln ſchallen,
Ein laut Getoͤs, ein ſprudlend Wallen,
Ein rieſelnd Rauſchen ſich dazwiſchen,
Jn angenehmer Aendrung, miſchen.
Die Toͤne, die ſo lieblich klungen,
Durch wechſelnde Veraͤnderungen,
Sucht’ ich zuſammen zu verbinden;
Und kam es mir zuweilen vor,
Als koͤnn’ ein aufmerkſames Ohr
Darinn verſchiedne Anmuht finden.
Aufs wenigſt’ iſt doch dieſes wahr,
Daß eine Meng’ und rechte Fuͤlle
Von ſchoͤnen Toͤnen, hier und dar,
Bald einzeln, bald vereinet, quille,
Und in der Seele, wenn mans hoͤret,
Die Faͤhigkeit zur Anmuht mehret.
Die allgemeine Harmonie
Jſt ja gewiß nicht fuͤr das Vieh.
Jſt es nun fuͤr die Menſchen nicht;
Waͤr’ es vergebens zugericht’t:
Es waͤre denn, daß andre Weſen,
An dem Concert ſich zu vergnuͤgen,
Und ſelbe mit Vernunft zu fuͤgen,
Vom Schoͤpfer waͤren auserleſen.
Da aber unſer Ohr formirt,
Daß unſer Geiſt die Toͤne ſpuͤrt;
Waͤr-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0076" n="58"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Anmuht des Geho&#x0364;rs.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="8">
                <l>Mit &#x017F;tets annoch ge&#x017F;chloßnen Augen</l><lb/>
                <l>Dacht&#x2019; ich noch die&#x017F;er Anmuht nach,</l><lb/>
                <l>Bis ein nicht minder holder Schall,</l><lb/>
                <l>Von einem nahen Wa&#x017F;&#x017F;er-Fall,</l><lb/>
                <l>Jhr helles To&#x0364;nen unterbrach.</l><lb/>
                <l>Jch ho&#x0364;rt&#x2019; ein &#x017F;anftes Murmeln &#x017F;challen,</l><lb/>
                <l>Ein laut Geto&#x0364;s, ein &#x017F;prudlend Wallen,</l><lb/>
                <l>Ein rie&#x017F;elnd Rau&#x017F;chen &#x017F;ich dazwi&#x017F;chen,</l><lb/>
                <l>Jn angenehmer Aendrung, mi&#x017F;chen.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="9">
                <l>Die To&#x0364;ne, die &#x017F;o lieblich klungen,</l><lb/>
                <l>Durch wech&#x017F;elnde Vera&#x0364;nderungen,</l><lb/>
                <l>Sucht&#x2019; ich zu&#x017F;ammen zu verbinden;</l><lb/>
                <l>Und kam es mir zuweilen vor,</l><lb/>
                <l>Als ko&#x0364;nn&#x2019; ein aufmerk&#x017F;ames Ohr</l><lb/>
                <l>Darinn ver&#x017F;chiedne Anmuht finden.</l><lb/>
                <l>Aufs wenig&#x017F;t&#x2019; i&#x017F;t doch die&#x017F;es wahr,</l><lb/>
                <l>Daß eine Meng&#x2019; und rechte Fu&#x0364;lle</l><lb/>
                <l>Von &#x017F;cho&#x0364;nen To&#x0364;nen, hier und dar,</l><lb/>
                <l>Bald einzeln, bald vereinet, quille,</l><lb/>
                <l>Und in der Seele, wenn mans ho&#x0364;ret,</l><lb/>
                <l>Die Fa&#x0364;higkeit zur Anmuht mehret.</l>
              </lg><lb/>
              <lg n="10">
                <l>Die allgemeine Harmonie</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t ja gewiß nicht fu&#x0364;r das Vieh.</l><lb/>
                <l>J&#x017F;t es nun fu&#x0364;r die Men&#x017F;chen nicht;</l><lb/>
                <l>Wa&#x0364;r&#x2019; es vergebens zugericht&#x2019;t:</l><lb/>
                <l>Es wa&#x0364;re denn, daß andre We&#x017F;en,</l><lb/>
                <l>An dem Concert &#x017F;ich zu vergnu&#x0364;gen,</l><lb/>
                <l>Und &#x017F;elbe mit Vernunft zu fu&#x0364;gen,</l><lb/>
                <l>Vom Scho&#x0364;pfer wa&#x0364;ren auserle&#x017F;en.</l><lb/>
                <l>Da aber un&#x017F;er Ohr formirt,</l><lb/>
                <l>Daß un&#x017F;er Gei&#x017F;t die To&#x0364;ne &#x017F;pu&#x0364;rt;</l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Wa&#x0364;r-</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[58/0076] Anmuht des Gehoͤrs. Mit ſtets annoch geſchloßnen Augen Dacht’ ich noch dieſer Anmuht nach, Bis ein nicht minder holder Schall, Von einem nahen Waſſer-Fall, Jhr helles Toͤnen unterbrach. Jch hoͤrt’ ein ſanftes Murmeln ſchallen, Ein laut Getoͤs, ein ſprudlend Wallen, Ein rieſelnd Rauſchen ſich dazwiſchen, Jn angenehmer Aendrung, miſchen. Die Toͤne, die ſo lieblich klungen, Durch wechſelnde Veraͤnderungen, Sucht’ ich zuſammen zu verbinden; Und kam es mir zuweilen vor, Als koͤnn’ ein aufmerkſames Ohr Darinn verſchiedne Anmuht finden. Aufs wenigſt’ iſt doch dieſes wahr, Daß eine Meng’ und rechte Fuͤlle Von ſchoͤnen Toͤnen, hier und dar, Bald einzeln, bald vereinet, quille, Und in der Seele, wenn mans hoͤret, Die Faͤhigkeit zur Anmuht mehret. Die allgemeine Harmonie Jſt ja gewiß nicht fuͤr das Vieh. Jſt es nun fuͤr die Menſchen nicht; Waͤr’ es vergebens zugericht’t: Es waͤre denn, daß andre Weſen, An dem Concert ſich zu vergnuͤgen, Und ſelbe mit Vernunft zu fuͤgen, Vom Schoͤpfer waͤren auserleſen. Da aber unſer Ohr formirt, Daß unſer Geiſt die Toͤne ſpuͤrt; Waͤr-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/76
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/76>, abgerufen am 25.11.2024.