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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

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der Schönheit der Welt.
"Wenn der, so dieß Gedicht geschrieben, in unsrer Stelle wär
gewesen,
"Er gäb uns von der Lust der Welt so viel vergnüglichs nicht
zu lesen.
Mirander hörte beydes an, der eben in die Stube tratt,
Und wie er das von allen beyden ihm eben dargereichte
Blatt
Mit Fleiß bedächtlich durchgelesen; so fragt er erstlich
alle beyde,
Nach dem vorher bezeugten Schmerz und Beyleid über
ihrem Leide,
Mit der ihm eignen sanften Art: Ob das, was in den
Versen stünde,
Sich in der That nicht so verhielt', und sich nicht in der
Welt befünde?
Dieß stunden sie ihm beydes zu. Da ihr nun dieß nicht
leugnen könnt,
Fuhr hier Mirander weiter fort, so war es dem nicht
nur vergönnt,
Der hier die Welt so schön beschrieben, so schön dieselbe
zu beschreiben,
Es war dasselbe seine Pflicht. Und werdet ihr so billig
seyn,
Die Wahrheit ihm nicht zu verübeln. Doch um nun auch
bey euch zu bleiben,
Die ihr, die Erde schön zu finden, durch Armuht und durch
bittre Pein,
Betrübt genug, behindert seyd; so laßt uns erst die Dürf-
tigkeit,
Und ob sie, nach der Welt und Menschen geordneten Be-
schaffenheit,
Nicht
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der Schoͤnheit der Welt.
„Wenn der, ſo dieß Gedicht geſchrieben, in unſrer Stelle waͤr
geweſen,
„Er gaͤb uns von der Luſt der Welt ſo viel vergnuͤglichs nicht
zu leſen.
Mirander hoͤrte beydes an, der eben in die Stube tratt,
Und wie er das von allen beyden ihm eben dargereichte
Blatt
Mit Fleiß bedaͤchtlich durchgeleſen; ſo fragt er erſtlich
alle beyde,
Nach dem vorher bezeugten Schmerz und Beyleid uͤber
ihrem Leide,
Mit der ihm eignen ſanften Art: Ob das, was in den
Verſen ſtuͤnde,
Sich in der That nicht ſo verhielt’, und ſich nicht in der
Welt befuͤnde?
Dieß ſtunden ſie ihm beydes zu. Da ihr nun dieß nicht
leugnen koͤnnt,
Fuhr hier Mirander weiter fort, ſo war es dem nicht
nur vergoͤnnt,
Der hier die Welt ſo ſchoͤn beſchrieben, ſo ſchoͤn dieſelbe
zu beſchreiben,
Es war daſſelbe ſeine Pflicht. Und werdet ihr ſo billig
ſeyn,
Die Wahrheit ihm nicht zu veruͤbeln. Doch um nun auch
bey euch zu bleiben,
Die ihr, die Erde ſchoͤn zu finden, durch Armuht und durch
bittre Pein,
Betruͤbt genug, behindert ſeyd; ſo laßt uns erſt die Duͤrf-
tigkeit,
Und ob ſie, nach der Welt und Menſchen geordneten Be-
ſchaffenheit,
Nicht
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[711/0729] der Schoͤnheit der Welt. „Wenn der, ſo dieß Gedicht geſchrieben, in unſrer Stelle waͤr geweſen, „Er gaͤb uns von der Luſt der Welt ſo viel vergnuͤglichs nicht zu leſen. Mirander hoͤrte beydes an, der eben in die Stube tratt, Und wie er das von allen beyden ihm eben dargereichte Blatt Mit Fleiß bedaͤchtlich durchgeleſen; ſo fragt er erſtlich alle beyde, Nach dem vorher bezeugten Schmerz und Beyleid uͤber ihrem Leide, Mit der ihm eignen ſanften Art: Ob das, was in den Verſen ſtuͤnde, Sich in der That nicht ſo verhielt’, und ſich nicht in der Welt befuͤnde? Dieß ſtunden ſie ihm beydes zu. Da ihr nun dieß nicht leugnen koͤnnt, Fuhr hier Mirander weiter fort, ſo war es dem nicht nur vergoͤnnt, Der hier die Welt ſo ſchoͤn beſchrieben, ſo ſchoͤn dieſelbe zu beſchreiben, Es war daſſelbe ſeine Pflicht. Und werdet ihr ſo billig ſeyn, Die Wahrheit ihm nicht zu veruͤbeln. Doch um nun auch bey euch zu bleiben, Die ihr, die Erde ſchoͤn zu finden, durch Armuht und durch bittre Pein, Betruͤbt genug, behindert ſeyd; ſo laßt uns erſt die Duͤrf- tigkeit, Und ob ſie, nach der Welt und Menſchen geordneten Be- ſchaffenheit, Nicht Y y 4

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 711. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/729>, abgerufen am 17.06.2024.