Der Eckel folget, dem der Haß, der öffnet beyderseits die Augen, Daß sie fast an einander nichts, als Fehler zu erblicken, taugen. Statt diesen allgemeinen Feind von ihrer Ruhe zu be- kämpfen, Bemüht sich der Verstand so gar, als wär er selbst ein Feind der Seelen, Durch die geschwärzte Fantasey, ein alle Tage schwärzer Bild Sich von dem andern vorzustellen, von nichts als Widrig- keit erfüllt. Mit dieser Larve fängt man sich, und denn einander, an zu quälen, Jndem man nicht nur selber leidet durch den Verlust der vor'gen Freuden, Nein, weil man auch dadurch zugleich den erst Geliebten wirklich zwingt, Uns murrisch, grämlich, unerträglich zu finden, und ihn dahin bringt, Daß wir ihm immer mehr noch scheinen ein Vorwurf, welcher nicht zu leiden.
Noch schwerer werden alle Tage die an sich selbst schon schweren Bande, Ja, jede Stunde wird man fast, auch unvermerket, sich bestreben, Sich von einander einen Eindruck, der immer häßlicher, zu geben; Denn da man nichts als Fehler sucht am Cörper, oder am Verstande,
So
Die vernuͤnftige und unvernuͤnftige Liebe.
Der Eckel folget, dem der Haß, der oͤffnet beyderſeits die Augen, Daß ſie faſt an einander nichts, als Fehler zu erblicken, taugen. Statt dieſen allgemeinen Feind von ihrer Ruhe zu be- kaͤmpfen, Bemuͤht ſich der Verſtand ſo gar, als waͤr er ſelbſt ein Feind der Seelen, Durch die geſchwaͤrzte Fantaſey, ein alle Tage ſchwaͤrzer Bild Sich von dem andern vorzuſtellen, von nichts als Widrig- keit erfuͤllt. Mit dieſer Larve faͤngt man ſich, und denn einander, an zu quaͤlen, Jndem man nicht nur ſelber leidet durch den Verluſt der vor’gen Freuden, Nein, weil man auch dadurch zugleich den erſt Geliebten wirklich zwingt, Uns murriſch, graͤmlich, unertraͤglich zu finden, und ihn dahin bringt, Daß wir ihm immer mehr noch ſcheinen ein Vorwurf, welcher nicht zu leiden.
Noch ſchwerer werden alle Tage die an ſich ſelbſt ſchon ſchweren Bande, Ja, jede Stunde wird man faſt, auch unvermerket, ſich beſtreben, Sich von einander einen Eindruck, der immer haͤßlicher, zu geben; Denn da man nichts als Fehler ſucht am Coͤrper, oder am Verſtande,
So
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Die vernuͤnftige und unvernuͤnftige Liebe.
Der Eckel folget, dem der Haß, der oͤffnet beyderſeits die
Augen,
Daß ſie faſt an einander nichts, als Fehler zu erblicken,
taugen.
Statt dieſen allgemeinen Feind von ihrer Ruhe zu be-
kaͤmpfen,
Bemuͤht ſich der Verſtand ſo gar, als waͤr er ſelbſt ein
Feind der Seelen,
Durch die geſchwaͤrzte Fantaſey, ein alle Tage ſchwaͤrzer
Bild
Sich von dem andern vorzuſtellen, von nichts als Widrig-
keit erfuͤllt.
Mit dieſer Larve faͤngt man ſich, und denn einander, an zu
quaͤlen,
Jndem man nicht nur ſelber leidet durch den Verluſt der
vor’gen Freuden,
Nein, weil man auch dadurch zugleich den erſt Geliebten
wirklich zwingt,
Uns murriſch, graͤmlich, unertraͤglich zu finden, und ihn
dahin bringt,
Daß wir ihm immer mehr noch ſcheinen ein Vorwurf,
welcher nicht zu leiden.
Noch ſchwerer werden alle Tage die an ſich ſelbſt ſchon
ſchweren Bande,
Ja, jede Stunde wird man faſt, auch unvermerket, ſich
beſtreben,
Sich von einander einen Eindruck, der immer haͤßlicher,
zu geben;
Denn da man nichts als Fehler ſucht am Coͤrper, oder am
Verſtande,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 685. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/703>, abgerufen am 22.11.2024.
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