Will ich euch, in verschiedner Schönheit, statt einer Land- schaft, tausend weisen. Man darf nur bloß von unsern Händen die eine Hand zusammenfalten, Und sie vors Auge, in der Form von einem Perspective, halten; So wird sich, durch die kleine Oeffnung, von den dadurch gesehnen Sachen Ein Theil der allgemeinen Landschaft zu einer eignen Landschaft machen, Von welcher, wenn man mahlen könnte, ein' eigne nette Schilderey Zu zeichnen und zu mahlen wäre. Man darf sie nur ein wenig drehen; So wird man alsbald eine neue, von ganz verschiedner Schönheit, sehen.
Was nun die Ursach', daß die Schönheit für uns so sehr vervielfacht sey, Läßt sich ganz eigentlich erklären: Zu viele Vorwürf' in die Augen, Die wir, durch gar zu grosse Menge, nicht recht zu unter- scheiden taugen, Sind abgehalten, und die Strahlen, die in die spiegelnde Krystallen, Mit den Figuren ihrer Cörper, an des Gesichtes Nerven fallen, Sind nicht nur dadurch deutlicher, daß unser Geist sie schär- fer merkt; Der kleine, durch die hohle Hand, formierte kleine Schatte stärkt, Durch sanfte Dunkelheit, das Auge, und folglich ist der Geist geschickt,
Mit
Bewaͤhrtes Mittel fuͤr die Augen.
Will ich euch, in verſchiedner Schoͤnheit, ſtatt einer Land- ſchaft, tauſend weiſen. Man darf nur bloß von unſern Haͤnden die eine Hand zuſammenfalten, Und ſie vors Auge, in der Form von einem Perſpective, halten; So wird ſich, durch die kleine Oeffnung, von den dadurch geſehnen Sachen Ein Theil der allgemeinen Landſchaft zu einer eignen Landſchaft machen, Von welcher, wenn man mahlen koͤnnte, ein’ eigne nette Schilderey Zu zeichnen und zu mahlen waͤre. Man darf ſie nur ein wenig drehen; So wird man alsbald eine neue, von ganz verſchiedner Schoͤnheit, ſehen.
Was nun die Urſach’, daß die Schoͤnheit fuͤr uns ſo ſehr vervielfacht ſey, Laͤßt ſich ganz eigentlich erklaͤren: Zu viele Vorwuͤrf’ in die Augen, Die wir, durch gar zu groſſe Menge, nicht recht zu unter- ſcheiden taugen, Sind abgehalten, und die Strahlen, die in die ſpiegelnde Kryſtallen, Mit den Figuren ihrer Coͤrper, an des Geſichtes Nerven fallen, Sind nicht nur dadurch deutlicher, daß unſer Geiſt ſie ſchaͤr- fer merkt; Der kleine, durch die hohle Hand, formierte kleine Schatte ſtaͤrkt, Durch ſanfte Dunkelheit, das Auge, und folglich iſt der Geiſt geſchickt,
Mit
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Bewaͤhrtes Mittel fuͤr die Augen.
Will ich euch, in verſchiedner Schoͤnheit, ſtatt einer Land-
ſchaft, tauſend weiſen.
Man darf nur bloß von unſern Haͤnden die eine Hand
zuſammenfalten,
Und ſie vors Auge, in der Form von einem Perſpective,
halten;
So wird ſich, durch die kleine Oeffnung, von den dadurch
geſehnen Sachen
Ein Theil der allgemeinen Landſchaft zu einer eignen
Landſchaft machen,
Von welcher, wenn man mahlen koͤnnte, ein’ eigne nette
Schilderey
Zu zeichnen und zu mahlen waͤre. Man darf ſie nur ein
wenig drehen;
So wird man alsbald eine neue, von ganz verſchiedner
Schoͤnheit, ſehen.
Was nun die Urſach’, daß die Schoͤnheit fuͤr uns ſo ſehr
vervielfacht ſey,
Laͤßt ſich ganz eigentlich erklaͤren: Zu viele Vorwuͤrf’ in die
Augen,
Die wir, durch gar zu groſſe Menge, nicht recht zu unter-
ſcheiden taugen,
Sind abgehalten, und die Strahlen, die in die ſpiegelnde
Kryſtallen,
Mit den Figuren ihrer Coͤrper, an des Geſichtes Nerven
fallen,
Sind nicht nur dadurch deutlicher, daß unſer Geiſt ſie ſchaͤr-
fer merkt;
Der kleine, durch die hohle Hand, formierte kleine Schatte
ſtaͤrkt,
Durch ſanfte Dunkelheit, das Auge, und folglich iſt der
Geiſt geſchickt,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 662. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/680>, abgerufen am 22.11.2024.
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