So fällt dein ganzes Lehr-Gebäu, woraus du GOtt er- kennest, ein, Und könnte folglich, ja es würde für mich und dich, kein GOtt nicht seyn. So höre: Dieser Einwurf ist von dir schon einmahl ja geschehn, Und hab ich ihn schon aufgelös't. Doch kann ich noch wohl weiter gehn, Und sprechen: Jn der Witterung hat sich stets Aenderung gezeiget, Sie wird sich auch beständig zeigen. Die Aendrung, die sich itzt eräuget, Ob sie gleich ausserordentlich, bestehet doch in Graden nur, Und ändert, da sie sich itzt ändert, doch nicht das Wesen der Natur. Die Erd' und Elementen bleiben, sie halten noch den vor'gen Lauf, Und hören ihre Eigenschaften so wenig, als die Wirkung, auf. Was diese Aenderung betrifft, ist sie vielleicht vorher ver- sehen, Die Menschen, die so undankbar, zu zwingen, daß sie in sich gehen, Und ihre Schuld erkennen sollen, da sie bisher der Erden Pracht, Das schöne Gras, so sehr verächtlich gehalten und wohl nie bedacht, Daß GOtt bisher sie durch dasselbe vergnügt, ernährt und reich gemacht. Ja wohl gemeynt, es wäre dieses der Erden Schuldigkeit und Pflicht,
Sie
Aufloͤſung eines gemachten
So faͤllt dein ganzes Lehr-Gebaͤu, woraus du GOtt er- kenneſt, ein, Und koͤnnte folglich, ja es wuͤrde fuͤr mich und dich, kein GOtt nicht ſeyn. So hoͤre: Dieſer Einwurf iſt von dir ſchon einmahl ja geſchehn, Und hab ich ihn ſchon aufgeloͤſ’t. Doch kann ich noch wohl weiter gehn, Und ſprechen: Jn der Witterung hat ſich ſtets Aenderung gezeiget, Sie wird ſich auch beſtaͤndig zeigen. Die Aendrung, die ſich itzt eraͤuget, Ob ſie gleich auſſerordentlich, beſtehet doch in Graden nur, Und aͤndert, da ſie ſich itzt aͤndert, doch nicht das Weſen der Natur. Die Erd’ und Elementen bleiben, ſie halten noch den vor’gen Lauf, Und hoͤren ihre Eigenſchaften ſo wenig, als die Wirkung, auf. Was dieſe Aenderung betrifft, iſt ſie vielleicht vorher ver- ſehen, Die Menſchen, die ſo undankbar, zu zwingen, daß ſie in ſich gehen, Und ihre Schuld erkennen ſollen, da ſie bisher der Erden Pracht, Das ſchoͤne Gras, ſo ſehr veraͤchtlich gehalten und wohl nie bedacht, Daß GOtt bisher ſie durch daſſelbe vergnuͤgt, ernaͤhrt und reich gemacht. Ja wohl gemeynt, es waͤre dieſes der Erden Schuldigkeit und Pflicht,
Sie
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Aufloͤſung eines gemachten
So faͤllt dein ganzes Lehr-Gebaͤu, woraus du GOtt er-
kenneſt, ein,
Und koͤnnte folglich, ja es wuͤrde fuͤr mich und dich, kein
GOtt nicht ſeyn.
So hoͤre: Dieſer Einwurf iſt von dir ſchon einmahl ja
geſchehn,
Und hab ich ihn ſchon aufgeloͤſ’t. Doch kann ich noch wohl
weiter gehn,
Und ſprechen: Jn der Witterung hat ſich ſtets Aenderung
gezeiget,
Sie wird ſich auch beſtaͤndig zeigen. Die Aendrung, die ſich
itzt eraͤuget,
Ob ſie gleich auſſerordentlich, beſtehet doch in Graden
nur,
Und aͤndert, da ſie ſich itzt aͤndert, doch nicht das Weſen
der Natur.
Die Erd’ und Elementen bleiben, ſie halten noch den vor’gen
Lauf,
Und hoͤren ihre Eigenſchaften ſo wenig, als die Wirkung,
auf.
Was dieſe Aenderung betrifft, iſt ſie vielleicht vorher ver-
ſehen,
Die Menſchen, die ſo undankbar, zu zwingen, daß ſie in
ſich gehen,
Und ihre Schuld erkennen ſollen, da ſie bisher der Erden
Pracht,
Das ſchoͤne Gras, ſo ſehr veraͤchtlich gehalten und wohl nie
bedacht,
Daß GOtt bisher ſie durch daſſelbe vergnuͤgt, ernaͤhrt
und reich gemacht.
Ja wohl gemeynt, es waͤre dieſes der Erden Schuldigkeit
und Pflicht,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 638. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/656>, abgerufen am 22.11.2024.
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