Wenn man darauf die Augen lenket, Und auf das Spiel der Flocken denket, Bald aber etwan abwerts sieht; so ist inzwischen Land und Feld, Für unsern Blick, als wie verschwunden, Und von der Fläche unsrer Welt Wird kaum annoch die Spur gefunden. Die dick- gefallne Flocken haben Die Vorwürf' alle fast begraben, Die Tief- und Höhen gleich gemacht, Und was wir sonst in Tiefen und auf Höhen Für mancherley Figur gesehen, Verhüllet eine weisse Nacht.
Doch dient' die neue Augen-Weide, Jn der Verändrung, uns zur Freude. An einem andern Ort hingegen, wohin der Schnee so stark nicht fiel, Sieht man für unsern Blick ein ganz verschiednes Ziel. Dort lassen sich von Tiefen und von Höhen, Wo sie zumtheil beschneit, so vielerley Figuren Von mannigfaltgen Creaturen, Die sonst verwirrt, versteckt, und nicht zu sehen, sehn.
Es sticht sich itzo Schwarz und Weiß, Besieht es unser Blick mit Fleiß, So deutlich von einander ab, Daß es noch mehr, als sonst, mir zu bewundern gab. Auf allen halb beschneit-halb schwarzen Zweigen Scheint gleichsam ein Gemisch von Tag und Nacht, Von Schatten und von Licht, Uns eine Dämmerung zu zeigen.
Kein
Schnee-Betrachtung.
Wenn man darauf die Augen lenket, Und auf das Spiel der Flocken denket, Bald aber etwan abwerts ſieht; ſo iſt inzwiſchen Land und Feld, Fuͤr unſern Blick, als wie verſchwunden, Und von der Flaͤche unſrer Welt Wird kaum annoch die Spur gefunden. Die dick- gefallne Flocken haben Die Vorwuͤrf’ alle faſt begraben, Die Tief- und Hoͤhen gleich gemacht, Und was wir ſonſt in Tiefen und auf Hoͤhen Fuͤr mancherley Figur geſehen, Verhuͤllet eine weiſſe Nacht.
Doch dient’ die neue Augen-Weide, Jn der Veraͤndrung, uns zur Freude. An einem andern Ort hingegen, wohin der Schnee ſo ſtark nicht fiel, Sieht man fuͤr unſern Blick ein ganz verſchiednes Ziel. Dort laſſen ſich von Tiefen und von Hoͤhen, Wo ſie zumtheil beſchneit, ſo vielerley Figuren Von mannigfaltgen Creaturen, Die ſonſt verwirrt, verſteckt, und nicht zu ſehen, ſehn.
Es ſticht ſich itzo Schwarz und Weiß, Beſieht es unſer Blick mit Fleiß, So deutlich von einander ab, Daß es noch mehr, als ſonſt, mir zu bewundern gab. Auf allen halb beſchneit-halb ſchwarzen Zweigen Scheint gleichſam ein Gemiſch von Tag und Nacht, Von Schatten und von Licht, Uns eine Daͤmmerung zu zeigen.
Kein
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0607"n="589"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Schnee-Betrachtung.</hi></fw><lb/><lgn="2"><l>Wenn man darauf die Augen lenket,</l><lb/><l>Und auf das Spiel der Flocken denket,</l><lb/><l>Bald aber etwan abwerts ſieht; ſo iſt inzwiſchen Land</l><lb/><l><hirendition="#et">und Feld,</hi></l><lb/><l>Fuͤr unſern Blick, als wie verſchwunden,</l><lb/><l>Und von der Flaͤche unſrer Welt</l><lb/><l>Wird kaum annoch die Spur gefunden.</l><lb/><l>Die dick- gefallne Flocken haben</l><lb/><l>Die Vorwuͤrf’ alle faſt begraben,</l><lb/><l>Die Tief- und Hoͤhen gleich gemacht,</l><lb/><l>Und was wir ſonſt in Tiefen und auf Hoͤhen</l><lb/><l>Fuͤr mancherley Figur geſehen,</l><lb/><l>Verhuͤllet eine weiſſe Nacht.</l></lg><lb/><lgn="3"><l>Doch dient’ die neue Augen-Weide,</l><lb/><l>Jn der Veraͤndrung, uns zur Freude.</l><lb/><l>An einem andern Ort hingegen, wohin der Schnee ſo ſtark</l><lb/><l><hirendition="#et">nicht fiel,</hi></l><lb/><l>Sieht man fuͤr unſern Blick ein ganz verſchiednes Ziel.</l><lb/><l>Dort laſſen ſich von Tiefen und von Hoͤhen,</l><lb/><l>Wo ſie zumtheil beſchneit, ſo vielerley Figuren</l><lb/><l>Von mannigfaltgen Creaturen,</l><lb/><l>Die ſonſt verwirrt, verſteckt, und nicht zu ſehen, ſehn.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Es ſticht ſich itzo Schwarz und Weiß,</l><lb/><l>Beſieht es unſer Blick mit Fleiß,</l><lb/><l>So deutlich von einander ab,</l><lb/><l>Daß es noch mehr, als ſonſt, mir zu bewundern gab.</l><lb/><l>Auf allen halb beſchneit-halb ſchwarzen Zweigen</l><lb/><l>Scheint gleichſam ein Gemiſch von Tag und Nacht,</l><lb/><l>Von Schatten und von Licht,</l><lb/><l>Uns eine Daͤmmerung zu zeigen.</l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Kein</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[589/0607]
Schnee-Betrachtung.
Wenn man darauf die Augen lenket,
Und auf das Spiel der Flocken denket,
Bald aber etwan abwerts ſieht; ſo iſt inzwiſchen Land
und Feld,
Fuͤr unſern Blick, als wie verſchwunden,
Und von der Flaͤche unſrer Welt
Wird kaum annoch die Spur gefunden.
Die dick- gefallne Flocken haben
Die Vorwuͤrf’ alle faſt begraben,
Die Tief- und Hoͤhen gleich gemacht,
Und was wir ſonſt in Tiefen und auf Hoͤhen
Fuͤr mancherley Figur geſehen,
Verhuͤllet eine weiſſe Nacht.
Doch dient’ die neue Augen-Weide,
Jn der Veraͤndrung, uns zur Freude.
An einem andern Ort hingegen, wohin der Schnee ſo ſtark
nicht fiel,
Sieht man fuͤr unſern Blick ein ganz verſchiednes Ziel.
Dort laſſen ſich von Tiefen und von Hoͤhen,
Wo ſie zumtheil beſchneit, ſo vielerley Figuren
Von mannigfaltgen Creaturen,
Die ſonſt verwirrt, verſteckt, und nicht zu ſehen, ſehn.
Es ſticht ſich itzo Schwarz und Weiß,
Beſieht es unſer Blick mit Fleiß,
So deutlich von einander ab,
Daß es noch mehr, als ſonſt, mir zu bewundern gab.
Auf allen halb beſchneit-halb ſchwarzen Zweigen
Scheint gleichſam ein Gemiſch von Tag und Nacht,
Von Schatten und von Licht,
Uns eine Daͤmmerung zu zeigen.
Kein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 589. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/607>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.