Wovon man vieles hin und wieder, doch aber nicht viel deutlichs lehrt. Jedoch will ich dich, wehrter Leser! mit vielen Meynungen nicht quälen, Nein! bloß die, so die wahrste scheinet, in aller Kürze dir erzehlen: Des Wassers Flüßigkeit bestehet, so viel wir es ergründen können, Daß zwischen seinen kleinen Theilen subtile Theilchen sich befinden, Von einer reinen Himmels-Luft, wodurch sich selbiges beweget. Wann die nun, wegen ihrer Leichte, sich von dem Wasser aufwerts heben, Und, durch die kalte Luft verhindert, kein' andre sich herabwerts geben; So folgt von selbsten, daß dieß Wasser, so wie vorhin, sich nicht mehr regt, Einfolglich hart wird und erstarrt. Wie man mit Augen sehen kann, So fängt das Frieren des Gewässers stets von der obern Fläche an, Da es zuerst, wie Fett gesteht, nachher wird eine dünne Haut Aus harten Theilen, die sich binden, zusehends, wenn es friert, geschaut. Dieselbe wird nun immer dicker, indem mehr Theilchen, unter sich (Von denen ihre Himmels-Luft sich auch entfernt) gemeinschaftlich Mit denen obersten erstarrt, zu den verhärteten sich fügen,
Weil
Winter-Gedicht.
Wovon man vieles hin und wieder, doch aber nicht viel deutlichs lehrt. Jedoch will ich dich, wehrter Leſer! mit vielen Meynungen nicht quaͤlen, Nein! bloß die, ſo die wahrſte ſcheinet, in aller Kuͤrze dir erzehlen: Des Waſſers Fluͤßigkeit beſtehet, ſo viel wir es ergruͤnden koͤnnen, Daß zwiſchen ſeinen kleinen Theilen ſubtile Theilchen ſich befinden, Von einer reinen Himmels-Luft, wodurch ſich ſelbiges beweget. Wann die nun, wegen ihrer Leichte, ſich von dem Waſſer aufwerts heben, Und, durch die kalte Luft verhindert, kein’ andre ſich herabwerts geben; So folgt von ſelbſten, daß dieß Waſſer, ſo wie vorhin, ſich nicht mehr regt, Einfolglich hart wird und erſtarrt. Wie man mit Augen ſehen kann, So faͤngt das Frieren des Gewaͤſſers ſtets von der obern Flaͤche an, Da es zuerſt, wie Fett geſteht, nachher wird eine duͤnne Haut Aus harten Theilen, die ſich binden, zuſehends, wenn es friert, geſchaut. Dieſelbe wird nun immer dicker, indem mehr Theilchen, unter ſich (Von denen ihre Himmels-Luft ſich auch entfernt) gemeinſchaftlich Mit denen oberſten erſtarrt, zu den verhaͤrteten ſich fuͤgen,
Weil
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Winter-Gedicht.
Wovon man vieles hin und wieder, doch aber nicht viel
deutlichs lehrt.
Jedoch will ich dich, wehrter Leſer! mit vielen Meynungen
nicht quaͤlen,
Nein! bloß die, ſo die wahrſte ſcheinet, in aller Kuͤrze dir
erzehlen:
Des Waſſers Fluͤßigkeit beſtehet, ſo viel wir es ergruͤnden
koͤnnen,
Daß zwiſchen ſeinen kleinen Theilen ſubtile Theilchen ſich
befinden,
Von einer reinen Himmels-Luft, wodurch ſich ſelbiges
beweget.
Wann die nun, wegen ihrer Leichte, ſich von dem Waſſer
aufwerts heben,
Und, durch die kalte Luft verhindert, kein’ andre ſich
herabwerts geben;
So folgt von ſelbſten, daß dieß Waſſer, ſo wie vorhin, ſich
nicht mehr regt,
Einfolglich hart wird und erſtarrt. Wie man mit Augen
ſehen kann,
So faͤngt das Frieren des Gewaͤſſers ſtets von der obern
Flaͤche an,
Da es zuerſt, wie Fett geſteht, nachher wird eine duͤnne
Haut
Aus harten Theilen, die ſich binden, zuſehends, wenn
es friert, geſchaut.
Dieſelbe wird nun immer dicker, indem mehr Theilchen,
unter ſich
(Von denen ihre Himmels-Luft ſich auch entfernt)
gemeinſchaftlich
Mit denen oberſten erſtarrt, zu den verhaͤrteten ſich
fuͤgen,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 582. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/600>, abgerufen am 22.11.2024.
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