Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Frühlings-Gedicht.
Die Schwalbe reinigt den Morast vom zähen Thon, und baut
daraus,
Ohn unsre Gegenwart zu scheuen, mit grosser Kunst, ihr
hangend Haus;
Oft sieht man sie mit ihrem Schnabel, vom Vieh und von der
Schaafe Rücken,
Jn öfters wiederholtem Ziehn, begierig Haar und Wolle
pflücken;
Oft stiehlt sie, von der Scheunen, Stroh, damit die Jungen
sanft sich legen,
Und, in dem wohlbesorgten Nest, bequem und wärmer ruhen
mögen.
Wenn die geduld'ge Mutter nun, von Zärtlichkeit und
Lieb' erhitzt,
Wodurch sie, recht bewundernswehrt, beständig auf dem
Neste sitzt;
So sitzt das Männchen gegen über auf einem hoch erhabnen
Ort,
Und singt, mit unverdroßnem Gurgeln, die lange Weil' ihr
gleichsam fort.
Sie bittet ihr geliebtes Männchen, auf kurze Zeit sich zu
bequemen,
Und, da sie kärglich Futter nimmt, den Platz auf ihrem Nest
zu nehmen.
Jndessen kömmt die Zeit heran, da die genug gewärmte
Jungen
Sich ausgedehnt, die, da ihr Kerker, als ihnen nun zu eng',
zersprungen,
Sich
Fruͤhlings-Gedicht.
Die Schwalbe reinigt den Moraſt vom zaͤhen Thon, und baut
daraus,
Ohn unſre Gegenwart zu ſcheuen, mit groſſer Kunſt, ihr
hangend Haus;
Oft ſieht man ſie mit ihrem Schnabel, vom Vieh und von der
Schaafe Ruͤcken,
Jn oͤfters wiederholtem Ziehn, begierig Haar und Wolle
pfluͤcken;
Oft ſtiehlt ſie, von der Scheunen, Stroh, damit die Jungen
ſanft ſich legen,
Und, in dem wohlbeſorgten Neſt, bequem und waͤrmer ruhen
moͤgen.
Wenn die geduld’ge Mutter nun, von Zaͤrtlichkeit und
Lieb’ erhitzt,
Wodurch ſie, recht bewundernswehrt, beſtaͤndig auf dem
Neſte ſitzt;
So ſitzt das Maͤnnchen gegen uͤber auf einem hoch erhabnen
Ort,
Und ſingt, mit unverdroßnem Gurgeln, die lange Weil’ ihr
gleichſam fort.
Sie bittet ihr geliebtes Maͤnnchen, auf kurze Zeit ſich zu
bequemen,
Und, da ſie kaͤrglich Futter nimmt, den Platz auf ihrem Neſt
zu nehmen.
Jndeſſen koͤmmt die Zeit heran, da die genug gewaͤrmte
Jungen
Sich ausgedehnt, die, da ihr Kerker, als ihnen nun zu eng’,
zerſprungen,
Sich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0060" n="42"/>
              <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Fru&#x0364;hlings-Gedicht.</hi> </fw><lb/>
              <lg n="15">
                <l>Die Schwalbe reinigt den Mora&#x017F;t vom za&#x0364;hen Thon, und baut</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">daraus,</hi> </l><lb/>
                <l>Ohn un&#x017F;re Gegenwart zu &#x017F;cheuen, mit gro&#x017F;&#x017F;er Kun&#x017F;t, ihr</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">hangend Haus;</hi> </l><lb/>
                <l>Oft &#x017F;ieht man &#x017F;ie mit ihrem Schnabel, vom Vieh und von der</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Schaafe Ru&#x0364;cken,</hi> </l><lb/>
                <l>Jn o&#x0364;fters wiederholtem Ziehn, begierig Haar und Wolle</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">pflu&#x0364;cken;</hi> </l><lb/>
                <l>Oft &#x017F;tiehlt &#x017F;ie, von der Scheunen, Stroh, damit die Jungen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;anft &#x017F;ich legen,</hi> </l><lb/>
                <l>Und, in dem wohlbe&#x017F;orgten Ne&#x017F;t, bequem und wa&#x0364;rmer ruhen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">mo&#x0364;gen.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="16">
                <l>Wenn die geduld&#x2019;ge Mutter nun, von Za&#x0364;rtlichkeit und</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Lieb&#x2019; erhitzt,</hi> </l><lb/>
                <l>Wodurch &#x017F;ie, recht bewundernswehrt, be&#x017F;ta&#x0364;ndig auf dem</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Ne&#x017F;te &#x017F;itzt;</hi> </l><lb/>
                <l>So &#x017F;itzt das Ma&#x0364;nnchen gegen u&#x0364;ber auf einem hoch erhabnen</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Ort,</hi> </l><lb/>
                <l>Und &#x017F;ingt, mit unverdroßnem Gurgeln, die lange Weil&#x2019; ihr</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">gleich&#x017F;am fort.</hi> </l><lb/>
                <l>Sie bittet ihr geliebtes Ma&#x0364;nnchen, auf kurze Zeit &#x017F;ich zu</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">bequemen,</hi> </l><lb/>
                <l>Und, da &#x017F;ie ka&#x0364;rglich Futter nimmt, den Platz auf ihrem Ne&#x017F;t</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">zu nehmen.</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <lg n="17">
                <l>Jnde&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;mmt die Zeit heran, da die genug gewa&#x0364;rmte</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Jungen</hi> </l><lb/>
                <l>Sich ausgedehnt, die, da ihr Kerker, als ihnen nun zu eng&#x2019;,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">zer&#x017F;prungen,</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch">Sich</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[42/0060] Fruͤhlings-Gedicht. Die Schwalbe reinigt den Moraſt vom zaͤhen Thon, und baut daraus, Ohn unſre Gegenwart zu ſcheuen, mit groſſer Kunſt, ihr hangend Haus; Oft ſieht man ſie mit ihrem Schnabel, vom Vieh und von der Schaafe Ruͤcken, Jn oͤfters wiederholtem Ziehn, begierig Haar und Wolle pfluͤcken; Oft ſtiehlt ſie, von der Scheunen, Stroh, damit die Jungen ſanft ſich legen, Und, in dem wohlbeſorgten Neſt, bequem und waͤrmer ruhen moͤgen. Wenn die geduld’ge Mutter nun, von Zaͤrtlichkeit und Lieb’ erhitzt, Wodurch ſie, recht bewundernswehrt, beſtaͤndig auf dem Neſte ſitzt; So ſitzt das Maͤnnchen gegen uͤber auf einem hoch erhabnen Ort, Und ſingt, mit unverdroßnem Gurgeln, die lange Weil’ ihr gleichſam fort. Sie bittet ihr geliebtes Maͤnnchen, auf kurze Zeit ſich zu bequemen, Und, da ſie kaͤrglich Futter nimmt, den Platz auf ihrem Neſt zu nehmen. Jndeſſen koͤmmt die Zeit heran, da die genug gewaͤrmte Jungen Sich ausgedehnt, die, da ihr Kerker, als ihnen nun zu eng’, zerſprungen, Sich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/60
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 42. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/60>, abgerufen am 25.11.2024.