Des Mittags fiel ein dünner Reif, der, wie er auf dem Grase lag, Das hin und wieder noch zu seh'n, wodurch so grün, als weiß sich mischte, Uns recht, als läg ein Thau von Silber auf grünem Kraut, das Aug erfrischte. Wie es nun gegen Abend ging, veränderte die Luft sich wieder, Ward noch gelinder, endlich fiel ein Regen, der so lau, hernieder, Daß kaum der May ihn lauer zeugt, wodurch, obgleich der Boden hart, Wie es im Winter meist geschicht, kein Glatt-Eis doch gese- hen ward.
14 Des Morgens regnet es nicht mehr; doch war das Fir- mament verhüllet, Und blieb darauf den ganzen Tag in einem Nebel ein- gehüllet, Der aber weder kalt, noch widrig. Wie denn die Luft, obgleich nicht klar, Doch weder schlackrig, oder windig, in unbewegter Stille war. Des Abends hab ich was entdecket, was sonst nicht leicht pflegt zu gescheh'n, Es waren Schatten, ohne Grund, und in der leeren Luft, zu seh'n. Dieß kam daher, daß an dem Nebel ein Licht, das eben hinter mir Von ungefehr gestellet stand, mit seinen Strahlen fiel, ihn helle Und durch die Dichte sichtbar macht. Hingegen eben auf der Stelle,
Wo
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Winter-Witterung in Ritzebuͤttel.
Des Mittags fiel ein duͤnner Reif, der, wie er auf dem Graſe lag, Das hin und wieder noch zu ſeh’n, wodurch ſo gruͤn, als weiß ſich miſchte, Uns recht, als laͤg ein Thau von Silber auf gruͤnem Kraut, das Aug erfriſchte. Wie es nun gegen Abend ging, veraͤnderte die Luft ſich wieder, Ward noch gelinder, endlich fiel ein Regen, der ſo lau, hernieder, Daß kaum der May ihn lauer zeugt, wodurch, obgleich der Boden hart, Wie es im Winter meiſt geſchicht, kein Glatt-Eis doch geſe- hen ward.
14 Des Morgens regnet es nicht mehr; doch war das Fir- mament verhuͤllet, Und blieb darauf den ganzen Tag in einem Nebel ein- gehuͤllet, Der aber weder kalt, noch widrig. Wie denn die Luft, obgleich nicht klar, Doch weder ſchlackrig, oder windig, in unbewegter Stille war. Des Abends hab ich was entdecket, was ſonſt nicht leicht pflegt zu geſcheh’n, Es waren Schatten, ohne Grund, und in der leeren Luft, zu ſeh’n. Dieß kam daher, daß an dem Nebel ein Licht, das eben hinter mir Von ungefehr geſtellet ſtand, mit ſeinen Strahlen fiel, ihn helle Und durch die Dichte ſichtbar macht. Hingegen eben auf der Stelle,
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Winter-Witterung in Ritzebuͤttel.
Des Mittags fiel ein duͤnner Reif, der, wie er auf dem
Graſe lag,
Das hin und wieder noch zu ſeh’n, wodurch ſo gruͤn,
als weiß ſich miſchte,
Uns recht, als laͤg ein Thau von Silber auf gruͤnem Kraut,
das Aug erfriſchte.
Wie es nun gegen Abend ging, veraͤnderte die Luft ſich
wieder,
Ward noch gelinder, endlich fiel ein Regen, der ſo lau,
hernieder,
Daß kaum der May ihn lauer zeugt, wodurch, obgleich
der Boden hart,
Wie es im Winter meiſt geſchicht, kein Glatt-Eis doch geſe-
hen ward.
Des Morgens regnet es nicht mehr; doch war das Fir-
mament verhuͤllet,
Und blieb darauf den ganzen Tag in einem Nebel ein-
gehuͤllet,
Der aber weder kalt, noch widrig. Wie denn die Luft,
obgleich nicht klar,
Doch weder ſchlackrig, oder windig, in unbewegter Stille
war.
Des Abends hab ich was entdecket, was ſonſt nicht leicht
pflegt zu geſcheh’n,
Es waren Schatten, ohne Grund, und in der leeren Luft,
zu ſeh’n.
Dieß kam daher, daß an dem Nebel ein Licht, das eben
hinter mir
Von ungefehr geſtellet ſtand, mit ſeinen Strahlen fiel,
ihn helle
Und durch die Dichte ſichtbar macht. Hingegen eben auf
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 547. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/565>, abgerufen am 22.11.2024.
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