Als ich, mit lauter Stimm', ihm zurief: es wäre besser, wo ich stünde, Daß er die lange Linie von dieser Seite feste bünde. Dadurch nun kam er ganz von weiten nach dieser Stelle hingegangen, Jndem erhub sich ein Geschrey, zur Rechten, das ich nicht verstand. Jch sah (und seh sie noch vor Augen) Soldaten durch den Garten springen, Und, mit den Lanzen in den Händen, durch Strauch und Busch in Eile dringen, Sie eilten einem Boote zu, das sich ganz nahe bey mir fand, Sie sagten nicht ein einzigs Wort (vermuhtlich mich nicht zu erschrecken) Und ohn' von ihres Laufens Ursach mir das geringste zu entdecken.
Der Gärtner, der den bangen Zufall so gleich, und eh als ich, gehört, Daß nemlich eins von meinen Kindern im Graben und im Wasser lage, Sprang alsobald mit in das Boot, das er nur zu regieren wußte, Denn der Soldat verstand es nicht. Ein einzig Ruder war nur da, Womit er denn, für grosser Eil, dem andern Ufer immer nah, Und, weil kein Steur gebrauchet ward, in der Verwirrung seitwerts kehrte, Und an das ander' Ufer erst, nachher so gar ins Schilf vertrieb, So ich, wie leichtlich zu erachten, ohn' Unmuht, Angst und Zorn nicht sah.
Jch
K k 2
Der gerettete Knabe.
Als ich, mit lauter Stimm’, ihm zurief: es waͤre beſſer, wo ich ſtuͤnde, Daß er die lange Linie von dieſer Seite feſte buͤnde. Dadurch nun kam er ganz von weiten nach dieſer Stelle hingegangen, Jndem erhub ſich ein Geſchrey, zur Rechten, das ich nicht verſtand. Jch ſah (und ſeh ſie noch vor Augen) Soldaten durch den Garten ſpringen, Und, mit den Lanzen in den Haͤnden, durch Strauch und Buſch in Eile dringen, Sie eilten einem Boote zu, das ſich ganz nahe bey mir fand, Sie ſagten nicht ein einzigs Wort (vermuhtlich mich nicht zu erſchrecken) Und ohn’ von ihres Laufens Urſach mir das geringſte zu entdecken.
Der Gaͤrtner, der den bangen Zufall ſo gleich, und eh als ich, gehoͤrt, Daß nemlich eins von meinen Kindern im Graben und im Waſſer lage, Sprang alſobald mit in das Boot, das er nur zu regieren wußte, Denn der Soldat verſtand es nicht. Ein einzig Ruder war nur da, Womit er denn, fuͤr groſſer Eil, dem andern Ufer immer nah, Und, weil kein Steur gebrauchet ward, in der Verwirrung ſeitwerts kehrte, Und an das ander’ Ufer erſt, nachher ſo gar ins Schilf vertrieb, So ich, wie leichtlich zu erachten, ohn’ Unmuht, Angſt und Zorn nicht ſah.
Jch
K k 2
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0533"n="515"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Der gerettete Knabe.</hi></fw><lb/><lgn="3"><l>Als ich, mit lauter Stimm’, ihm zurief: es waͤre beſſer,</l><lb/><l><hirendition="#et">wo ich ſtuͤnde,</hi></l><lb/><l>Daß er die lange Linie von dieſer Seite feſte buͤnde.</l><lb/><l>Dadurch nun kam er ganz von weiten nach dieſer Stelle</l><lb/><l><hirendition="#et">hingegangen,</hi></l><lb/><l>Jndem erhub ſich ein Geſchrey, zur Rechten, das ich nicht</l><lb/><l><hirendition="#et">verſtand.</hi></l><lb/><l>Jch ſah (und ſeh ſie noch vor Augen) Soldaten durch den</l><lb/><l><hirendition="#et">Garten ſpringen,</hi></l><lb/><l>Und, mit den Lanzen in den Haͤnden, durch Strauch und</l><lb/><l><hirendition="#et">Buſch in Eile dringen,</hi></l><lb/><l>Sie eilten einem Boote zu, das ſich ganz nahe bey mir fand,</l><lb/><l>Sie ſagten nicht ein einzigs Wort (vermuhtlich mich</l><lb/><l><hirendition="#et">nicht zu erſchrecken)</hi></l><lb/><l>Und ohn’ von ihres Laufens Urſach mir das geringſte zu</l><lb/><l><hirendition="#et">entdecken.</hi></l></lg><lb/><lgn="4"><l>Der Gaͤrtner, der den bangen Zufall ſo gleich, und eh</l><lb/><l><hirendition="#et">als ich, gehoͤrt,</hi></l><lb/><l>Daß nemlich eins von meinen Kindern im Graben und</l><lb/><l><hirendition="#et">im Waſſer lage,</hi></l><lb/><l>Sprang alſobald mit in das Boot, das er nur zu regieren</l><lb/><l><hirendition="#et">wußte,</hi></l><lb/><l>Denn der Soldat verſtand es nicht. Ein einzig Ruder</l><lb/><l><hirendition="#et">war nur da,</hi></l><lb/><l>Womit er denn, fuͤr groſſer Eil, dem andern Ufer immer</l><lb/><l><hirendition="#et">nah,</hi></l><lb/><l>Und, weil kein Steur gebrauchet ward, in der Verwirrung</l><lb/><l><hirendition="#et">ſeitwerts kehrte,</hi></l><lb/><l>Und an das ander’ Ufer erſt, nachher ſo gar ins Schilf</l><lb/><l><hirendition="#et">vertrieb,</hi></l><lb/><l>So ich, wie leichtlich zu erachten, ohn’ Unmuht, Angſt</l><lb/><l><hirendition="#et">und Zorn nicht ſah.</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">K k 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Jch</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[515/0533]
Der gerettete Knabe.
Als ich, mit lauter Stimm’, ihm zurief: es waͤre beſſer,
wo ich ſtuͤnde,
Daß er die lange Linie von dieſer Seite feſte buͤnde.
Dadurch nun kam er ganz von weiten nach dieſer Stelle
hingegangen,
Jndem erhub ſich ein Geſchrey, zur Rechten, das ich nicht
verſtand.
Jch ſah (und ſeh ſie noch vor Augen) Soldaten durch den
Garten ſpringen,
Und, mit den Lanzen in den Haͤnden, durch Strauch und
Buſch in Eile dringen,
Sie eilten einem Boote zu, das ſich ganz nahe bey mir fand,
Sie ſagten nicht ein einzigs Wort (vermuhtlich mich
nicht zu erſchrecken)
Und ohn’ von ihres Laufens Urſach mir das geringſte zu
entdecken.
Der Gaͤrtner, der den bangen Zufall ſo gleich, und eh
als ich, gehoͤrt,
Daß nemlich eins von meinen Kindern im Graben und
im Waſſer lage,
Sprang alſobald mit in das Boot, das er nur zu regieren
wußte,
Denn der Soldat verſtand es nicht. Ein einzig Ruder
war nur da,
Womit er denn, fuͤr groſſer Eil, dem andern Ufer immer
nah,
Und, weil kein Steur gebrauchet ward, in der Verwirrung
ſeitwerts kehrte,
Und an das ander’ Ufer erſt, nachher ſo gar ins Schilf
vertrieb,
So ich, wie leichtlich zu erachten, ohn’ Unmuht, Angſt
und Zorn nicht ſah.
Jch
K k 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 515. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/533>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.