Es läßt uns diese fremde Wahl von Stellungen, die alle schön, Daß Ridingers Erfindungs-Geist an Reichthum uner- schöpflich, seh'n.
Der Hirsch im Netz.
Jn erbärmlicher Gestalt sieht man hier, in Todes- Zügen, Einen fest-verstrickten Hirsch, meistens schon zerfleischet, liegen. Sein bethräntes Auge bricht, unser Ohr glaubt das Ge- räusch Der zersplitterten Gebeine, und von dem zerquetschten Fleisch Jeden blut'gen Riß zu hören, auch ein immer stärker Stehnen Bey dem würgenden Geschrey seiner Mörder. Seine Sehnen, Sammt den Adern, sieht man offen, seht, wie quillt der Schweiß herfür! Meynt man doch all' Augenblick, das beflossene Papier Werde roht und schmutzig werden. Durch die Aehnlich- keit verführet, Fühlen alle, die es sehen, daß sie Gram und Mitleid rühret. Dennoch währet es nicht lange; denn es fällt zum Trost uns ein: Jst doch, was wir hier bedauren, eine nur gemahlte Pein.
Die
Es laͤßt uns dieſe fremde Wahl von Stellungen, die alle ſchoͤn, Daß Ridingers Erfindungs-Geiſt an Reichthum uner- ſchoͤpflich, ſeh’n.
Der Hirſch im Netz.
Jn erbaͤrmlicher Geſtalt ſieht man hier, in Todes- Zuͤgen, Einen feſt-verſtrickten Hirſch, meiſtens ſchon zerfleiſchet, liegen. Sein bethraͤntes Auge bricht, unſer Ohr glaubt das Ge- raͤuſch Der zerſplitterten Gebeine, und von dem zerquetſchten Fleiſch Jeden blut’gen Riß zu hoͤren, auch ein immer ſtaͤrker Stehnen Bey dem wuͤrgenden Geſchrey ſeiner Moͤrder. Seine Sehnen, Sammt den Adern, ſieht man offen, ſeht, wie quillt der Schweiß herfuͤr! Meynt man doch all’ Augenblick, das befloſſene Papier Werde roht und ſchmutzig werden. Durch die Aehnlich- keit verfuͤhret, Fuͤhlen alle, die es ſehen, daß ſie Gram und Mitleid ruͤhret. Dennoch waͤhret es nicht lange; denn es faͤllt zum Troſt uns ein: Jſt doch, was wir hier bedauren, eine nur gemahlte Pein.
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Es laͤßt uns dieſe fremde Wahl von Stellungen, die alle
ſchoͤn,
Daß Ridingers Erfindungs-Geiſt an Reichthum uner-
ſchoͤpflich, ſeh’n.
Der Hirſch im Netz.
Jn erbaͤrmlicher Geſtalt ſieht man hier, in Todes-
Zuͤgen,
Einen feſt-verſtrickten Hirſch, meiſtens ſchon zerfleiſchet,
liegen.
Sein bethraͤntes Auge bricht, unſer Ohr glaubt das Ge-
raͤuſch
Der zerſplitterten Gebeine, und von dem zerquetſchten
Fleiſch
Jeden blut’gen Riß zu hoͤren, auch ein immer ſtaͤrker
Stehnen
Bey dem wuͤrgenden Geſchrey ſeiner Moͤrder. Seine
Sehnen,
Sammt den Adern, ſieht man offen, ſeht, wie quillt der
Schweiß herfuͤr!
Meynt man doch all’ Augenblick, das befloſſene Papier
Werde roht und ſchmutzig werden. Durch die Aehnlich-
keit verfuͤhret,
Fuͤhlen alle, die es ſehen, daß ſie Gram und Mitleid
ruͤhret.
Dennoch waͤhret es nicht lange; denn es faͤllt zum Troſt uns
ein:
Jſt doch, was wir hier bedauren, eine nur gemahlte Pein.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/428>, abgerufen am 18.12.2024.
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