Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Tieger-Thiere.
Hat Gott sie uns doch unterworfen, es weiß der Mensch sie
doch zu zwingen.
Was können nicht die Tieger-Häute durch Handlung uns
für Vortheil bringen!
Sie dienen uns zur Zier und Pracht, sie können uns vor Kälte
schützen;
Und also muß das Grimmigste der Thiere doch dem Menschen
nützen.
Der Steinbock.
Steh ich gleich hier auf ebnem Boden, so tritt mich doch
ein Schwindel an,
Mein Blick, verleitet durch die Kunst, verführt fast meinen
Geist. Jch kann
Kaum glauben, auf der steilen Felsen und schroffen ungeheu-
ren Höhen
(Die selbst die Wolken übersteigen) zerborstnen Gipfeln
nicht zu stehen;
Allein der unverzagte Steinbock, der auf den Spitzen sicher
ist,
Macht, daß mein Geist, der ihn betrachtet, darüber der Ge-
fahr vergißt.
Jch überleg', auf welche Weise, durch seiner Hörner Stärk'
und Pracht,
Der Schöpfer diese Klippen-Bürger so sicher für Gefahr
gemacht;
Da er nicht nur daran sich hänget, nein, da er, wenn er auch
wo fällt,
Da er sie vorwirft, seinen Kopf beschützet, daß er nicht
zerschellt.
Es
C c 3
Die Tieger-Thiere.
Hat Gott ſie uns doch unterworfen, es weiß der Menſch ſie
doch zu zwingen.
Was koͤnnen nicht die Tieger-Haͤute durch Handlung uns
fuͤr Vortheil bringen!
Sie dienen uns zur Zier und Pracht, ſie koͤnnen uns vor Kaͤlte
ſchuͤtzen;
Und alſo muß das Grimmigſte der Thiere doch dem Menſchen
nuͤtzen.
Der Steinbock.
Steh ich gleich hier auf ebnem Boden, ſo tritt mich doch
ein Schwindel an,
Mein Blick, verleitet durch die Kunſt, verfuͤhrt faſt meinen
Geiſt. Jch kann
Kaum glauben, auf der ſteilen Felſen und ſchroffen ungeheu-
ren Hoͤhen
(Die ſelbſt die Wolken uͤberſteigen) zerborſtnen Gipfeln
nicht zu ſtehen;
Allein der unverzagte Steinbock, der auf den Spitzen ſicher
iſt,
Macht, daß mein Geiſt, der ihn betrachtet, daruͤber der Ge-
fahr vergißt.
Jch uͤberleg’, auf welche Weiſe, durch ſeiner Hoͤrner Staͤrk’
und Pracht,
Der Schoͤpfer dieſe Klippen-Buͤrger ſo ſicher fuͤr Gefahr
gemacht;
Da er nicht nur daran ſich haͤnget, nein, da er, wenn er auch
wo faͤllt,
Da er ſie vorwirft, ſeinen Kopf beſchuͤtzet, daß er nicht
zerſchellt.
Es
C c 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0423" n="405"/>
              <fw place="top" type="header">Die Tieger-Thiere.</fw><lb/>
              <l>Hat Gott &#x017F;ie uns doch unterworfen, es weiß der Men&#x017F;ch &#x017F;ie</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">doch zu zwingen.</hi> </l><lb/>
              <l>Was ko&#x0364;nnen nicht die Tieger-Ha&#x0364;ute durch Handlung uns</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">fu&#x0364;r Vortheil bringen!</hi> </l><lb/>
              <l>Sie dienen uns zur Zier und Pracht, &#x017F;ie ko&#x0364;nnen uns vor Ka&#x0364;lte</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">&#x017F;chu&#x0364;tzen;</hi> </l><lb/>
              <l>Und al&#x017F;o muß das Grimmig&#x017F;te der Thiere doch dem Men&#x017F;chen</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">nu&#x0364;tzen.</hi> </l>
            </lg>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">Der Steinbock.</hi> </head><lb/>
            <lg type="poem">
              <l><hi rendition="#in">S</hi>teh ich gleich hier auf ebnem Boden, &#x017F;o tritt mich doch</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ein Schwindel an,</hi> </l><lb/>
              <l>Mein Blick, verleitet durch die Kun&#x017F;t, verfu&#x0364;hrt fa&#x017F;t meinen</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">Gei&#x017F;t. Jch kann</hi> </l><lb/>
              <l>Kaum glauben, auf der &#x017F;teilen Fel&#x017F;en und &#x017F;chroffen ungeheu-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">ren Ho&#x0364;hen</hi> </l><lb/>
              <l>(Die &#x017F;elb&#x017F;t die Wolken u&#x0364;ber&#x017F;teigen) zerbor&#x017F;tnen Gipfeln</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">nicht zu &#x017F;tehen;</hi> </l><lb/>
              <l>Allein der unverzagte Steinbock, der auf den Spitzen &#x017F;icher</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">i&#x017F;t,</hi> </l><lb/>
              <l>Macht, daß mein Gei&#x017F;t, der ihn betrachtet, daru&#x0364;ber der Ge-</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">fahr vergißt.</hi> </l><lb/>
              <l>Jch u&#x0364;berleg&#x2019;, auf welche Wei&#x017F;e, durch &#x017F;einer Ho&#x0364;rner Sta&#x0364;rk&#x2019;</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">und Pracht,</hi> </l><lb/>
              <l>Der Scho&#x0364;pfer die&#x017F;e Klippen-Bu&#x0364;rger &#x017F;o &#x017F;icher fu&#x0364;r Gefahr</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">gemacht;</hi> </l><lb/>
              <l>Da er nicht nur daran &#x017F;ich ha&#x0364;nget, nein, da er, wenn er auch</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">wo fa&#x0364;llt,</hi> </l><lb/>
              <l>Da er &#x017F;ie vorwirft, &#x017F;einen Kopf be&#x017F;chu&#x0364;tzet, daß er nicht</l><lb/>
              <l> <hi rendition="#et">zer&#x017F;chellt.</hi> </l><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">C c 3</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Es</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[405/0423] Die Tieger-Thiere. Hat Gott ſie uns doch unterworfen, es weiß der Menſch ſie doch zu zwingen. Was koͤnnen nicht die Tieger-Haͤute durch Handlung uns fuͤr Vortheil bringen! Sie dienen uns zur Zier und Pracht, ſie koͤnnen uns vor Kaͤlte ſchuͤtzen; Und alſo muß das Grimmigſte der Thiere doch dem Menſchen nuͤtzen. Der Steinbock. Steh ich gleich hier auf ebnem Boden, ſo tritt mich doch ein Schwindel an, Mein Blick, verleitet durch die Kunſt, verfuͤhrt faſt meinen Geiſt. Jch kann Kaum glauben, auf der ſteilen Felſen und ſchroffen ungeheu- ren Hoͤhen (Die ſelbſt die Wolken uͤberſteigen) zerborſtnen Gipfeln nicht zu ſtehen; Allein der unverzagte Steinbock, der auf den Spitzen ſicher iſt, Macht, daß mein Geiſt, der ihn betrachtet, daruͤber der Ge- fahr vergißt. Jch uͤberleg’, auf welche Weiſe, durch ſeiner Hoͤrner Staͤrk’ und Pracht, Der Schoͤpfer dieſe Klippen-Buͤrger ſo ſicher fuͤr Gefahr gemacht; Da er nicht nur daran ſich haͤnget, nein, da er, wenn er auch wo faͤllt, Da er ſie vorwirft, ſeinen Kopf beſchuͤtzet, daß er nicht zerſchellt. Es C c 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/423
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/423>, abgerufen am 18.12.2024.