Der durch die runde Fern und Weite der Fluht und Luft verschlungne Blick Eilt, sonder Grenzen, immer fort, und muß doch, sonder Ziel, zurück. Hier sieht man durch ein Perspectiv, wenns Wetter klar ist, mit Vergnügen, Den auf neun Meil entfernten Felsen von Helgeland in Wellen liegen. Die ungewisse blaue Höhe scheint in den Wolken fast zu stehn, Man kann es hier (so wie mans nennet) sich in die Höhe tundern sehn.
Nun ist der Grund von dieser Jnsel besonders eben, platt und flach, Und strecket sich, fast unvermerkt, bis an das Wasser all- gemach, So hier von einer solchen Breite, daß auch die allerschärfsten Augen Kein' andre Schranken hier zu finden, und keinen Strand zu sehen taugen. Es läßt, als ob die blaue Luft auf der noch dunkler blauen Fluht, Jn einem ungemeßnen Cirkel, der sonder Grenzen, liegt und ruht. Die grosse Breite des Gewässers scheint hier sich gleichsam zu erhöhen, Und der zuletzt gesehne Strich vom Wasser aufwerts mehr zu stehen, Als der, so unserm Strande nah. Es scheint daher das Wasser-Reich, Zumahl bey klarer Luft, allhier natürlich einem Berge gleich,
Der
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Vom Neuen-Werk.
Der durch die runde Fern und Weite der Fluht und Luft verſchlungne Blick Eilt, ſonder Grenzen, immer fort, und muß doch, ſonder Ziel, zuruͤck. Hier ſieht man durch ein Perſpectiv, wenns Wetter klar iſt, mit Vergnuͤgen, Den auf neun Meil entfernten Felſen von Helgeland in Wellen liegen. Die ungewiſſe blaue Hoͤhe ſcheint in den Wolken faſt zu ſtehn, Man kann es hier (ſo wie mans nennet) ſich in die Hoͤhe tundern ſehn.
Nun iſt der Grund von dieſer Jnſel beſonders eben, platt und flach, Und ſtrecket ſich, faſt unvermerkt, bis an das Waſſer all- gemach, So hier von einer ſolchen Breite, daß auch die allerſchaͤrfſten Augen Kein’ andre Schranken hier zu finden, und keinen Strand zu ſehen taugen. Es laͤßt, als ob die blaue Luft auf der noch dunkler blauen Fluht, Jn einem ungemeßnen Cirkel, der ſonder Grenzen, liegt und ruht. Die groſſe Breite des Gewaͤſſers ſcheint hier ſich gleichſam zu erhoͤhen, Und der zuletzt geſehne Strich vom Waſſer aufwerts mehr zu ſtehen, Als der, ſo unſerm Strande nah. Es ſcheint daher das Waſſer-Reich, Zumahl bey klarer Luft, allhier natuͤrlich einem Berge gleich,
Der
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Vom Neuen-Werk.
Der durch die runde Fern und Weite der Fluht und Luft
verſchlungne Blick
Eilt, ſonder Grenzen, immer fort, und muß doch, ſonder Ziel,
zuruͤck.
Hier ſieht man durch ein Perſpectiv, wenns Wetter klar iſt,
mit Vergnuͤgen,
Den auf neun Meil entfernten Felſen von Helgeland in
Wellen liegen.
Die ungewiſſe blaue Hoͤhe ſcheint in den Wolken faſt zu
ſtehn,
Man kann es hier (ſo wie mans nennet) ſich in die Hoͤhe
tundern ſehn.
Nun iſt der Grund von dieſer Jnſel beſonders eben, platt
und flach,
Und ſtrecket ſich, faſt unvermerkt, bis an das Waſſer all-
gemach,
So hier von einer ſolchen Breite, daß auch die allerſchaͤrfſten
Augen
Kein’ andre Schranken hier zu finden, und keinen Strand zu
ſehen taugen.
Es laͤßt, als ob die blaue Luft auf der noch dunkler blauen
Fluht,
Jn einem ungemeßnen Cirkel, der ſonder Grenzen, liegt und
ruht.
Die groſſe Breite des Gewaͤſſers ſcheint hier ſich gleichſam
zu erhoͤhen,
Und der zuletzt geſehne Strich vom Waſſer aufwerts mehr
zu ſtehen,
Als der, ſo unſerm Strande nah. Es ſcheint daher das
Waſſer-Reich,
Zumahl bey klarer Luft, allhier natuͤrlich einem Berge gleich,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/297>, abgerufen am 27.11.2024.
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