Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.Sommer-Betrachtungen. Du Gräber, sprich! das Land, das dich ernährt, Hast du dir solches selbst beschehrt? Hast du den Saft darinn gesenket? Bist du es, welcher Sonnenschein, Zu seiner Fruchtbarkeit, darauf gelenket, Und welcher es mit Regen tränket? Hast du die reichliche Vermehrungs-Kraft Und die fast lebend' Eigenschaft, Daß es sich in die Höhe treibet, Durch deine Kunst, dem Saamen einverleibet? Hast du, zu dem so nöhtigen Geschäfte, Dir die Gesundheit, Glieder, Kräfte, Die Werkzeug' und Verstand gegeben? Und du, der du dir Korn für Geld verschaff'st, erwege: Wofern auch alles Geld, Das in der ganzen Welt, Jn deinen Händen wär', in deinem Schatze läge, Du würdest, wenn dir GOtt das Korn nicht wollte gönnen, Dir nicht ein Körnchen kaufen können. Und dennoch wollen wir den Schöpfer in den Werken, Nicht seine Huld, nicht seine Weisheit merken! Und dennoch wollen wir den Geber in den Gaben, Ob wir sie gleich von Jhm allein unstreitig haben, Nicht kennen, nicht bewundern, nicht verehren, Und den geringsten Dank Jhm kaum gewähren! Wenn wirklich keine Gottheit wär', Die dich mit so viel Segen nährte, Und bloß allein ein Ungefehr Dir Kleidung, Trank und Kost beschehrte; So könntest du unmöglich minder denken An einige Erkenntlichkeit; So könntest du, zur Erndte-Zeit, Unmöglich minder Dank ihm schenken. Wir
Sommer-Betrachtungen. Du Graͤber, ſprich! das Land, das dich ernaͤhrt, Haſt du dir ſolches ſelbſt beſchehrt? Haſt du den Saft darinn geſenket? Biſt du es, welcher Sonnenſchein, Zu ſeiner Fruchtbarkeit, darauf gelenket, Und welcher es mit Regen traͤnket? Haſt du die reichliche Vermehrungs-Kraft Und die faſt lebend’ Eigenſchaft, Daß es ſich in die Hoͤhe treibet, Durch deine Kunſt, dem Saamen einverleibet? Haſt du, zu dem ſo noͤhtigen Geſchaͤfte, Dir die Geſundheit, Glieder, Kraͤfte, Die Werkzeug’ und Verſtand gegeben? Und du, der du dir Korn fuͤr Geld verſchaff’ſt, erwege: Wofern auch alles Geld, Das in der ganzen Welt, Jn deinen Haͤnden waͤr’, in deinem Schatze laͤge, Du wuͤrdeſt, wenn dir GOtt das Korn nicht wollte goͤnnen, Dir nicht ein Koͤrnchen kaufen koͤnnen. Und dennoch wollen wir den Schoͤpfer in den Werken, Nicht ſeine Huld, nicht ſeine Weisheit merken! Und dennoch wollen wir den Geber in den Gaben, Ob wir ſie gleich von Jhm allein unſtreitig haben, Nicht kennen, nicht bewundern, nicht verehren, Und den geringſten Dank Jhm kaum gewaͤhren! Wenn wirklich keine Gottheit waͤr’, Die dich mit ſo viel Segen naͤhrte, Und bloß allein ein Ungefehr Dir Kleidung, Trank und Koſt beſchehrte; So koͤnnteſt du unmoͤglich minder denken An einige Erkenntlichkeit; So koͤnnteſt du, zur Erndte-Zeit, Unmoͤglich minder Dank ihm ſchenken. Wir
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Sommer-Betrachtungen.
Du Graͤber, ſprich! das Land, das dich ernaͤhrt,
Haſt du dir ſolches ſelbſt beſchehrt?
Haſt du den Saft darinn geſenket?
Biſt du es, welcher Sonnenſchein,
Zu ſeiner Fruchtbarkeit, darauf gelenket,
Und welcher es mit Regen traͤnket?
Haſt du die reichliche Vermehrungs-Kraft
Und die faſt lebend’ Eigenſchaft,
Daß es ſich in die Hoͤhe treibet,
Durch deine Kunſt, dem Saamen einverleibet?
Haſt du, zu dem ſo noͤhtigen Geſchaͤfte,
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Die Werkzeug’ und Verſtand gegeben?
Und du, der du dir Korn fuͤr Geld verſchaff’ſt, erwege:
Wofern auch alles Geld,
Das in der ganzen Welt,
Jn deinen Haͤnden waͤr’, in deinem Schatze laͤge,
Du wuͤrdeſt, wenn dir GOtt das Korn nicht wollte goͤnnen,
Dir nicht ein Koͤrnchen kaufen koͤnnen.
Und dennoch wollen wir den Schoͤpfer in den Werken,
Nicht ſeine Huld, nicht ſeine Weisheit merken!
Und dennoch wollen wir den Geber in den Gaben,
Ob wir ſie gleich von Jhm allein unſtreitig haben,
Nicht kennen, nicht bewundern, nicht verehren,
Und den geringſten Dank Jhm kaum gewaͤhren!
Wenn wirklich keine Gottheit waͤr’,
Die dich mit ſo viel Segen naͤhrte,
Und bloß allein ein Ungefehr
Dir Kleidung, Trank und Koſt beſchehrte;
So koͤnnteſt du unmoͤglich minder denken
An einige Erkenntlichkeit;
So koͤnnteſt du, zur Erndte-Zeit,
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