Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743.

Bild:
<< vorherige Seite
in einer schönen Sommer-Nacht.
Die, bey der unbewegten Luft, auch still und unbeweglich
waren,
Viel weiß- und schwarze rege Stellen, viel tausend Licht-
und Schatten-Schaaren,
Jn flüchtiger Beweglichkeit und solcher Emsigkeit, mit
Haufen,
Bey unaufhörlicher Verändrung, geschäftig auf- und
abwerts laufen,
Und schwärmend durch einander gehn, so schnell, daß es
nicht anders ließ,
Als ob sich etwas nicht natürlichs und fast gespensterhaf-
tigs wies,
Als ob ein ungestühmer Wind, ein Sturm sich überall
erhübe,
Der Bäume Wipfel schüttelte und heftig in die Blätter
blies,
Da sich doch in der That nichts regt', und alles ruhig
war und bliebe.
Wir lachten, als wirs untersuchten, und, ohne Schwie-
rigkeit, befunden,
Daß alle die Bewegungen aus den Bewegungen entstunden,
So die bestrahlten Wellen machten. Wir fuhren ferner
auf und nieder,
Ergetzten uns am manchen Vorwurf, am Licht und Schat-
ten hin und wieder,
Und wußten uns an aller Schönheit (denn alles war auch
gar zu schön,
Vergnüglich, lustig, lieblich, hell und angenehm) nicht
satt zu sehn.
Jch dachte dieser Abend-Lust, als mir von Gott geschenket,
nach,
Worüber ich denn, recht gerührt, mit inniger Bewegung
sprach:
Da
O 4
in einer ſchoͤnen Sommer-Nacht.
Die, bey der unbewegten Luft, auch ſtill und unbeweglich
waren,
Viel weiß- und ſchwarze rege Stellen, viel tauſend Licht-
und Schatten-Schaaren,
Jn fluͤchtiger Beweglichkeit und ſolcher Emſigkeit, mit
Haufen,
Bey unaufhoͤrlicher Veraͤndrung, geſchaͤftig auf- und
abwerts laufen,
Und ſchwaͤrmend durch einander gehn, ſo ſchnell, daß es
nicht anders ließ,
Als ob ſich etwas nicht natuͤrlichs und faſt geſpenſterhaf-
tigs wies,
Als ob ein ungeſtuͤhmer Wind, ein Sturm ſich uͤberall
erhuͤbe,
Der Baͤume Wipfel ſchuͤttelte und heftig in die Blaͤtter
blies,
Da ſich doch in der That nichts regt’, und alles ruhig
war und bliebe.
Wir lachten, als wirs unterſuchten, und, ohne Schwie-
rigkeit, befunden,
Daß alle die Bewegungen aus den Bewegungen entſtunden,
So die beſtrahlten Wellen machten. Wir fuhren ferner
auf und nieder,
Ergetzten uns am manchen Vorwurf, am Licht und Schat-
ten hin und wieder,
Und wußten uns an aller Schoͤnheit (denn alles war auch
gar zu ſchoͤn,
Vergnuͤglich, luſtig, lieblich, hell und angenehm) nicht
ſatt zu ſehn.
Jch dachte dieſer Abend-Luſt, als mir von Gott geſchenket,
nach,
Woruͤber ich denn, recht geruͤhrt, mit inniger Bewegung
ſprach:
Da
O 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg type="poem">
              <pb facs="#f0233" n="215"/>
              <fw place="top" type="header">in einer &#x017F;cho&#x0364;nen Sommer-Nacht.</fw><lb/>
              <lg n="9">
                <l>Die, bey der unbewegten Luft, auch &#x017F;till und unbeweglich</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">waren,</hi> </l><lb/>
                <l>Viel weiß- und &#x017F;chwarze rege Stellen, viel tau&#x017F;end Licht-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">und Schatten-Schaaren,</hi> </l><lb/>
                <l>Jn flu&#x0364;chtiger Beweglichkeit und &#x017F;olcher Em&#x017F;igkeit, mit</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">Haufen,</hi> </l><lb/>
                <l>Bey unaufho&#x0364;rlicher Vera&#x0364;ndrung, ge&#x017F;cha&#x0364;ftig auf- und</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">abwerts laufen,</hi> </l><lb/>
                <l>Und &#x017F;chwa&#x0364;rmend durch einander gehn, &#x017F;o &#x017F;chnell, daß es</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">nicht anders ließ,</hi> </l><lb/>
                <l>Als ob &#x017F;ich etwas nicht natu&#x0364;rlichs und fa&#x017F;t ge&#x017F;pen&#x017F;terhaf-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">tigs wies,</hi> </l><lb/>
                <l>Als ob ein unge&#x017F;tu&#x0364;hmer Wind, ein Sturm &#x017F;ich u&#x0364;berall</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">erhu&#x0364;be,</hi> </l><lb/>
                <l>Der Ba&#x0364;ume Wipfel &#x017F;chu&#x0364;ttelte und heftig in die Bla&#x0364;tter</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">blies,</hi> </l><lb/>
                <l>Da &#x017F;ich doch in der That nichts regt&#x2019;, und alles ruhig</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">war und bliebe.</hi> </l><lb/>
                <l>Wir lachten, als wirs unter&#x017F;uchten, und, ohne Schwie-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">rigkeit, befunden,</hi> </l><lb/>
                <l>Daß alle die Bewegungen aus den Bewegungen ent&#x017F;tunden,</l><lb/>
                <l>So die be&#x017F;trahlten Wellen machten. Wir fuhren ferner</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">auf und nieder,</hi> </l><lb/>
                <l>Ergetzten uns am manchen Vorwurf, am Licht und Schat-</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">ten hin und wieder,</hi> </l><lb/>
                <l>Und wußten uns an aller Scho&#x0364;nheit (denn alles war auch</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">gar zu &#x017F;cho&#x0364;n,</hi> </l><lb/>
                <l>Vergnu&#x0364;glich, lu&#x017F;tig, lieblich, hell und angenehm) nicht</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;att zu &#x017F;ehn.</hi> </l><lb/>
                <l>Jch dachte die&#x017F;er Abend-Lu&#x017F;t, als mir von Gott ge&#x017F;chenket,</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">nach,</hi> </l><lb/>
                <l>Woru&#x0364;ber ich denn, recht geru&#x0364;hrt, mit inniger Bewegung</l><lb/>
                <l> <hi rendition="#et">&#x017F;prach:</hi> </l>
              </lg><lb/>
              <fw place="bottom" type="sig">O 4</fw>
              <fw place="bottom" type="catch">Da</fw><lb/>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[215/0233] in einer ſchoͤnen Sommer-Nacht. Die, bey der unbewegten Luft, auch ſtill und unbeweglich waren, Viel weiß- und ſchwarze rege Stellen, viel tauſend Licht- und Schatten-Schaaren, Jn fluͤchtiger Beweglichkeit und ſolcher Emſigkeit, mit Haufen, Bey unaufhoͤrlicher Veraͤndrung, geſchaͤftig auf- und abwerts laufen, Und ſchwaͤrmend durch einander gehn, ſo ſchnell, daß es nicht anders ließ, Als ob ſich etwas nicht natuͤrlichs und faſt geſpenſterhaf- tigs wies, Als ob ein ungeſtuͤhmer Wind, ein Sturm ſich uͤberall erhuͤbe, Der Baͤume Wipfel ſchuͤttelte und heftig in die Blaͤtter blies, Da ſich doch in der That nichts regt’, und alles ruhig war und bliebe. Wir lachten, als wirs unterſuchten, und, ohne Schwie- rigkeit, befunden, Daß alle die Bewegungen aus den Bewegungen entſtunden, So die beſtrahlten Wellen machten. Wir fuhren ferner auf und nieder, Ergetzten uns am manchen Vorwurf, am Licht und Schat- ten hin und wieder, Und wußten uns an aller Schoͤnheit (denn alles war auch gar zu ſchoͤn, Vergnuͤglich, luſtig, lieblich, hell und angenehm) nicht ſatt zu ſehn. Jch dachte dieſer Abend-Luſt, als mir von Gott geſchenket, nach, Woruͤber ich denn, recht geruͤhrt, mit inniger Bewegung ſprach: Da O 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/233
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/233>, abgerufen am 24.11.2024.