Die, bey der unbewegten Luft, auch still und unbeweglich waren, Viel weiß- und schwarze rege Stellen, viel tausend Licht- und Schatten-Schaaren, Jn flüchtiger Beweglichkeit und solcher Emsigkeit, mit Haufen, Bey unaufhörlicher Verändrung, geschäftig auf- und abwerts laufen, Und schwärmend durch einander gehn, so schnell, daß es nicht anders ließ, Als ob sich etwas nicht natürlichs und fast gespensterhaf- tigs wies, Als ob ein ungestühmer Wind, ein Sturm sich überall erhübe, Der Bäume Wipfel schüttelte und heftig in die Blätter blies, Da sich doch in der That nichts regt', und alles ruhig war und bliebe. Wir lachten, als wirs untersuchten, und, ohne Schwie- rigkeit, befunden, Daß alle die Bewegungen aus den Bewegungen entstunden, So die bestrahlten Wellen machten. Wir fuhren ferner auf und nieder, Ergetzten uns am manchen Vorwurf, am Licht und Schat- ten hin und wieder, Und wußten uns an aller Schönheit (denn alles war auch gar zu schön, Vergnüglich, lustig, lieblich, hell und angenehm) nicht satt zu sehn. Jch dachte dieser Abend-Lust, als mir von Gott geschenket, nach, Worüber ich denn, recht gerührt, mit inniger Bewegung sprach:
Da
O 4
in einer ſchoͤnen Sommer-Nacht.
Die, bey der unbewegten Luft, auch ſtill und unbeweglich waren, Viel weiß- und ſchwarze rege Stellen, viel tauſend Licht- und Schatten-Schaaren, Jn fluͤchtiger Beweglichkeit und ſolcher Emſigkeit, mit Haufen, Bey unaufhoͤrlicher Veraͤndrung, geſchaͤftig auf- und abwerts laufen, Und ſchwaͤrmend durch einander gehn, ſo ſchnell, daß es nicht anders ließ, Als ob ſich etwas nicht natuͤrlichs und faſt geſpenſterhaf- tigs wies, Als ob ein ungeſtuͤhmer Wind, ein Sturm ſich uͤberall erhuͤbe, Der Baͤume Wipfel ſchuͤttelte und heftig in die Blaͤtter blies, Da ſich doch in der That nichts regt’, und alles ruhig war und bliebe. Wir lachten, als wirs unterſuchten, und, ohne Schwie- rigkeit, befunden, Daß alle die Bewegungen aus den Bewegungen entſtunden, So die beſtrahlten Wellen machten. Wir fuhren ferner auf und nieder, Ergetzten uns am manchen Vorwurf, am Licht und Schat- ten hin und wieder, Und wußten uns an aller Schoͤnheit (denn alles war auch gar zu ſchoͤn, Vergnuͤglich, luſtig, lieblich, hell und angenehm) nicht ſatt zu ſehn. Jch dachte dieſer Abend-Luſt, als mir von Gott geſchenket, nach, Woruͤber ich denn, recht geruͤhrt, mit inniger Bewegung ſprach:
Da
O 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0233"n="215"/><fwplace="top"type="header">in einer ſchoͤnen Sommer-Nacht.</fw><lb/><lgn="9"><l>Die, bey der unbewegten Luft, auch ſtill und unbeweglich</l><lb/><l><hirendition="#et">waren,</hi></l><lb/><l>Viel weiß- und ſchwarze rege Stellen, viel tauſend Licht-</l><lb/><l><hirendition="#et">und Schatten-Schaaren,</hi></l><lb/><l>Jn fluͤchtiger Beweglichkeit und ſolcher Emſigkeit, mit</l><lb/><l><hirendition="#et">Haufen,</hi></l><lb/><l>Bey unaufhoͤrlicher Veraͤndrung, geſchaͤftig auf- und</l><lb/><l><hirendition="#et">abwerts laufen,</hi></l><lb/><l>Und ſchwaͤrmend durch einander gehn, ſo ſchnell, daß es</l><lb/><l><hirendition="#et">nicht anders ließ,</hi></l><lb/><l>Als ob ſich etwas nicht natuͤrlichs und faſt geſpenſterhaf-</l><lb/><l><hirendition="#et">tigs wies,</hi></l><lb/><l>Als ob ein ungeſtuͤhmer Wind, ein Sturm ſich uͤberall</l><lb/><l><hirendition="#et">erhuͤbe,</hi></l><lb/><l>Der Baͤume Wipfel ſchuͤttelte und heftig in die Blaͤtter</l><lb/><l><hirendition="#et">blies,</hi></l><lb/><l>Da ſich doch in der That nichts regt’, und alles ruhig</l><lb/><l><hirendition="#et">war und bliebe.</hi></l><lb/><l>Wir lachten, als wirs unterſuchten, und, ohne Schwie-</l><lb/><l><hirendition="#et">rigkeit, befunden,</hi></l><lb/><l>Daß alle die Bewegungen aus den Bewegungen entſtunden,</l><lb/><l>So die beſtrahlten Wellen machten. Wir fuhren ferner</l><lb/><l><hirendition="#et">auf und nieder,</hi></l><lb/><l>Ergetzten uns am manchen Vorwurf, am Licht und Schat-</l><lb/><l><hirendition="#et">ten hin und wieder,</hi></l><lb/><l>Und wußten uns an aller Schoͤnheit (denn alles war auch</l><lb/><l><hirendition="#et">gar zu ſchoͤn,</hi></l><lb/><l>Vergnuͤglich, luſtig, lieblich, hell und angenehm) nicht</l><lb/><l><hirendition="#et">ſatt zu ſehn.</hi></l><lb/><l>Jch dachte dieſer Abend-Luſt, als mir von Gott geſchenket,</l><lb/><l><hirendition="#et">nach,</hi></l><lb/><l>Woruͤber ich denn, recht geruͤhrt, mit inniger Bewegung</l><lb/><l><hirendition="#et">ſprach:</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="sig">O 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">Da</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[215/0233]
in einer ſchoͤnen Sommer-Nacht.
Die, bey der unbewegten Luft, auch ſtill und unbeweglich
waren,
Viel weiß- und ſchwarze rege Stellen, viel tauſend Licht-
und Schatten-Schaaren,
Jn fluͤchtiger Beweglichkeit und ſolcher Emſigkeit, mit
Haufen,
Bey unaufhoͤrlicher Veraͤndrung, geſchaͤftig auf- und
abwerts laufen,
Und ſchwaͤrmend durch einander gehn, ſo ſchnell, daß es
nicht anders ließ,
Als ob ſich etwas nicht natuͤrlichs und faſt geſpenſterhaf-
tigs wies,
Als ob ein ungeſtuͤhmer Wind, ein Sturm ſich uͤberall
erhuͤbe,
Der Baͤume Wipfel ſchuͤttelte und heftig in die Blaͤtter
blies,
Da ſich doch in der That nichts regt’, und alles ruhig
war und bliebe.
Wir lachten, als wirs unterſuchten, und, ohne Schwie-
rigkeit, befunden,
Daß alle die Bewegungen aus den Bewegungen entſtunden,
So die beſtrahlten Wellen machten. Wir fuhren ferner
auf und nieder,
Ergetzten uns am manchen Vorwurf, am Licht und Schat-
ten hin und wieder,
Und wußten uns an aller Schoͤnheit (denn alles war auch
gar zu ſchoͤn,
Vergnuͤglich, luſtig, lieblich, hell und angenehm) nicht
ſatt zu ſehn.
Jch dachte dieſer Abend-Luſt, als mir von Gott geſchenket,
nach,
Woruͤber ich denn, recht geruͤhrt, mit inniger Bewegung
ſprach:
Da
O 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/233>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.