Der Balsam, der die Höhle füllet, Und in so grossem Ueberfluß, jedoch unsichtbar, aus ihr quillet, Erfüllte mit besondrer Lust Mir das Gehirn, die Stirn und Brust. Kaum konnt' ich mich vor Lust besinnen, Bis ich zuletzt mein ernstes Denken So weit zusammen zog, Und voll Verwunderung erwog: Auf welche Weise doch von innen Sich so viel Süßigkeiten schränken; Auf was vor Art doch aus der Erden So angenehme Balsam-Kraft Durch ihres Stieles vesten Schaft Könnt' in den Knopf getrieben werden, Und sich darinn so kräftig häufen. Jch konnte dieses nicht begreifen; Zuletzt fiel mir noch dieses ein:
Sollt' es vielleicht wohl möglich seyn, Daß Rosen ihren holden Duft Und süssen Balsam aus der Luft Magnetisch zögen? Noch viel eh'r Scheint dieß zu glauben, und es fiele Vielleicht die Probe minder schwehr, Man käme leichter fast zum Ziele.
Wie wär' es, wenn sich unser Witz, Wie oftermahls, auch hierinn irrte, Und ihn das Vorurtheil verwirrte?
Die Luft ist eigentlich der Sitz Von Dünsten, die gerochen werden, Mehr als die schwarze Schooß der Erden.
Ja
Die Roſen.
Der Balſam, der die Hoͤhle fuͤllet, Und in ſo groſſem Ueberfluß, jedoch unſichtbar, aus ihr quillet, Erfuͤllte mit beſondrer Luſt Mir das Gehirn, die Stirn und Bruſt. Kaum konnt’ ich mich vor Luſt beſinnen, Bis ich zuletzt mein ernſtes Denken So weit zuſammen zog, Und voll Verwunderung erwog: Auf welche Weiſe doch von innen Sich ſo viel Suͤßigkeiten ſchraͤnken; Auf was vor Art doch aus der Erden So angenehme Balſam-Kraft Durch ihres Stieles veſten Schaft Koͤnnt’ in den Knopf getrieben werden, Und ſich darinn ſo kraͤftig haͤufen. Jch konnte dieſes nicht begreifen; Zuletzt fiel mir noch dieſes ein:
Sollt’ es vielleicht wohl moͤglich ſeyn, Daß Roſen ihren holden Duft Und ſuͤſſen Balſam aus der Luft Magnetiſch zoͤgen? Noch viel eh’r Scheint dieß zu glauben, und es fiele Vielleicht die Probe minder ſchwehr, Man kaͤme leichter faſt zum Ziele.
Wie waͤr’ es, wenn ſich unſer Witz, Wie oftermahls, auch hierinn irrte, Und ihn das Vorurtheil verwirrte?
Die Luft iſt eigentlich der Sitz Von Duͤnſten, die gerochen werden, Mehr als die ſchwarze Schooß der Erden.
Ja
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Die Roſen.
Der Balſam, der die Hoͤhle fuͤllet,
Und in ſo groſſem Ueberfluß, jedoch unſichtbar, aus ihr
quillet,
Erfuͤllte mit beſondrer Luſt
Mir das Gehirn, die Stirn und Bruſt.
Kaum konnt’ ich mich vor Luſt beſinnen,
Bis ich zuletzt mein ernſtes Denken
So weit zuſammen zog,
Und voll Verwunderung erwog:
Auf welche Weiſe doch von innen
Sich ſo viel Suͤßigkeiten ſchraͤnken;
Auf was vor Art doch aus der Erden
So angenehme Balſam-Kraft
Durch ihres Stieles veſten Schaft
Koͤnnt’ in den Knopf getrieben werden,
Und ſich darinn ſo kraͤftig haͤufen.
Jch konnte dieſes nicht begreifen;
Zuletzt fiel mir noch dieſes ein:
Sollt’ es vielleicht wohl moͤglich ſeyn,
Daß Roſen ihren holden Duft
Und ſuͤſſen Balſam aus der Luft
Magnetiſch zoͤgen? Noch viel eh’r
Scheint dieß zu glauben, und es fiele
Vielleicht die Probe minder ſchwehr,
Man kaͤme leichter faſt zum Ziele.
Wie waͤr’ es, wenn ſich unſer Witz,
Wie oftermahls, auch hierinn irrte,
Und ihn das Vorurtheil verwirrte?
Die Luft iſt eigentlich der Sitz
Von Duͤnſten, die gerochen werden,
Mehr als die ſchwarze Schooß der Erden.
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/184>, abgerufen am 24.11.2024.
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