Die richtige Vergänglichkeit der cörperlichen Creatu- ren Zeigt eines Schöpfers weise Macht. Der Seelen Daur allein giebt Spuren Von GOttes weis- und ew'gen Liebe. Wenn wir derselben Daur nicht glauben, Was thun wir sonst, als daß wir GOtt der besten Eigenschaft berauben, Und, statt wir hier, nach allen Kräften, die Gottheit schuldig seyn zu ehren, Selbst GOtt so viel an uns verkleinern, uns gleichsam wider GOtt erklären. Ja wie, wenn kein Geschöpfe wäre, wir nichts vom Schöpfer wissen könnten; So würden, wenn wir von der Seele derselben stete Dauer trennten, Wir den gefundnen GOtt verlieren. Denn, hörte mit dem Lebens-Lauf, Und wenn des Cörpers Stoff sich trennet, auch unsrer Seelen Wesen auf; So wär, wenn auch die Gottheit bliebe, dennoch für uns kein GOtt vorhanden, Und, wären wir, da auf der Welt, Die wahre Tugend selten Lohn, das Laster selten Straf' erhätt, So gut als wie von Ungefehr, und sonder einen GOtt, entstanden.
So
Unſterblichkeit der Seele.
Die richtige Vergaͤnglichkeit der coͤrperlichen Creatu- ren Zeigt eines Schoͤpfers weiſe Macht. Der Seelen Daur allein giebt Spuren Von GOttes weiſ- und ew’gen Liebe. Wenn wir derſelben Daur nicht glauben, Was thun wir ſonſt, als daß wir GOtt der beſten Eigenſchaft berauben, Und, ſtatt wir hier, nach allen Kraͤften, die Gottheit ſchuldig ſeyn zu ehren, Selbſt GOtt ſo viel an uns verkleinern, uns gleichſam wider GOtt erklaͤren. Ja wie, wenn kein Geſchoͤpfe waͤre, wir nichts vom Schoͤpfer wiſſen koͤnnten; So wuͤrden, wenn wir von der Seele derſelben ſtete Dauer trennten, Wir den gefundnen GOtt verlieren. Denn, hoͤrte mit dem Lebens-Lauf, Und wenn des Coͤrpers Stoff ſich trennet, auch unſrer Seelen Weſen auf; So waͤr, wenn auch die Gottheit bliebe, dennoch fuͤr uns kein GOtt vorhanden, Und, waͤren wir, da auf der Welt, Die wahre Tugend ſelten Lohn, das Laſter ſelten Straf’ erhaͤtt, So gut als wie von Ungefehr, und ſonder einen GOtt, entſtanden.
So
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><lgtype="poem"><pbfacs="#f0138"n="120"/><fwplace="top"type="header">Unſterblichkeit der Seele.</fw><lb/><lgn="4"><l>Die richtige Vergaͤnglichkeit der coͤrperlichen Creatu-</l><lb/><l><hirendition="#et">ren</hi></l><lb/><l>Zeigt eines Schoͤpfers weiſe Macht. Der Seelen Daur</l><lb/><l><hirendition="#et">allein giebt Spuren</hi></l><lb/><l>Von GOttes weiſ- und ew’gen Liebe. Wenn wir derſelben</l><lb/><l><hirendition="#et">Daur nicht glauben,</hi></l><lb/><l>Was thun wir ſonſt, als daß wir GOtt der beſten Eigenſchaft</l><lb/><l><hirendition="#et">berauben,</hi></l><lb/><l>Und, ſtatt wir hier, nach allen Kraͤften, die Gottheit ſchuldig</l><lb/><l><hirendition="#et">ſeyn zu ehren,</hi></l><lb/><l>Selbſt GOtt ſo viel an uns verkleinern, uns gleichſam wider</l><lb/><l><hirendition="#et">GOtt erklaͤren.</hi></l><lb/><l>Ja wie, wenn kein Geſchoͤpfe waͤre, wir nichts vom Schoͤpfer</l><lb/><l><hirendition="#et">wiſſen koͤnnten;</hi></l><lb/><l>So wuͤrden, wenn wir von der Seele derſelben ſtete Dauer</l><lb/><l><hirendition="#et">trennten,</hi></l><lb/><l>Wir den gefundnen GOtt verlieren. Denn, hoͤrte mit dem</l><lb/><l><hirendition="#et">Lebens-Lauf,</hi></l><lb/><l>Und wenn des Coͤrpers Stoff ſich trennet, auch unſrer Seelen</l><lb/><l><hirendition="#et">Weſen auf;</hi></l><lb/><l>So waͤr, wenn auch die Gottheit bliebe, dennoch fuͤr uns kein</l><lb/><l><hirendition="#et">GOtt vorhanden,</hi></l><lb/><l>Und, waͤren wir, da auf der Welt,</l><lb/><l>Die wahre Tugend ſelten Lohn, das Laſter ſelten Straf’</l><lb/><l><hirendition="#et">erhaͤtt,</hi></l><lb/><l>So gut als wie von Ungefehr, und ſonder einen GOtt,</l><lb/><l><hirendition="#et">entſtanden.</hi></l></lg><lb/><fwplace="bottom"type="catch">So</fw><lb/></lg></div></div></div></body></text></TEI>
[120/0138]
Unſterblichkeit der Seele.
Die richtige Vergaͤnglichkeit der coͤrperlichen Creatu-
ren
Zeigt eines Schoͤpfers weiſe Macht. Der Seelen Daur
allein giebt Spuren
Von GOttes weiſ- und ew’gen Liebe. Wenn wir derſelben
Daur nicht glauben,
Was thun wir ſonſt, als daß wir GOtt der beſten Eigenſchaft
berauben,
Und, ſtatt wir hier, nach allen Kraͤften, die Gottheit ſchuldig
ſeyn zu ehren,
Selbſt GOtt ſo viel an uns verkleinern, uns gleichſam wider
GOtt erklaͤren.
Ja wie, wenn kein Geſchoͤpfe waͤre, wir nichts vom Schoͤpfer
wiſſen koͤnnten;
So wuͤrden, wenn wir von der Seele derſelben ſtete Dauer
trennten,
Wir den gefundnen GOtt verlieren. Denn, hoͤrte mit dem
Lebens-Lauf,
Und wenn des Coͤrpers Stoff ſich trennet, auch unſrer Seelen
Weſen auf;
So waͤr, wenn auch die Gottheit bliebe, dennoch fuͤr uns kein
GOtt vorhanden,
Und, waͤren wir, da auf der Welt,
Die wahre Tugend ſelten Lohn, das Laſter ſelten Straf’
erhaͤtt,
So gut als wie von Ungefehr, und ſonder einen GOtt,
entſtanden.
So
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 7. Hamburg, 1743, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen07_1743/138>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.