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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

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Schönheit eines Gefildes mit Korn,
Aber recht indem dieselben aus dem Schooß der Hülse fallen,
Siehet man, nicht ohn Erstaunen, etwas sonderlichs an allen;
Daß sie nemlich einen Staub, den sie in zwo Röhren fassen,
Die an beyden Seiten liegen, sichtbar von sich fallen lassen.
Jede Blüht hat so viel Staub, daß man es nicht leicht be-
greift,

Wie sich eine solche Menge an so kleinem Ort gehäuft.
Aus der Blüht und Aehren Menge können wir nun leicht-
lich sehn,

Daß, so weit man sehen kann, rechte Nebeldüft entstehn,
Und die Felder füllen müssen, so das Landvolk stühmen nennt.
Und es, wenn das Wetter gut, als ein gutes Zeichen kennt.
Alles scheint, zu solcher Zeit, an der Aehre sich zu regen,
Und, wie ichs bey Licht einst sah, durch die Wärm sich zu
bewegen,

Da so Blüht als Staub zugleich, als durch innerlichen Drang,
Und, als wenn es alles lebte, sichtlich aus der Hülse sprang.
Ehe nun die Aehre blühet, wird man, als ein dünnes Haar,
Recht in beyder Hülsen Mitten, eines kleinen Stiels gewahr,
Dessen Nutzen ich nicht wußte, bis ich es nachher entdecket,
Daß sich dieses kleine Stielchen plötzlich in die Höhe strecket,
Und zu einer Hülse wird, welche noch drey Blühten trägt.
Diese scheint, o großes Wunder! wenn man es genau erwegt,
Mit besonders weiser Absicht, von dem Schöpfer so formirt,
Daß, wenn etwan eine Wittrung wo der ersten Blüht der Aehre,
Durch die Rauhigkeit, zuwider, oder sonsten schädlich wäre,
Letztere, da sie sich später mit der Blüht empor geführt,
Doch noch Früchte tragen könnte, das denn, in dem Korn zumal,
So die Armuth speisen muß, einen holden hellen Stral
Einer weisen Lieb und Vorsicht uns recht überzeuglich weiset,
Welcher würdig, daß man innigst unsern Schöpfer davor
preiset.

Wann
Schoͤnheit eines Gefildes mit Korn,
Aber recht indem dieſelben aus dem Schooß der Huͤlſe fallen,
Siehet man, nicht ohn Erſtaunen, etwas ſonderlichs an allen;
Daß ſie nemlich einen Staub, den ſie in zwo Roͤhren faſſen,
Die an beyden Seiten liegen, ſichtbar von ſich fallen laſſen.
Jede Bluͤht hat ſo viel Staub, daß man es nicht leicht be-
greift,

Wie ſich eine ſolche Menge an ſo kleinem Ort gehaͤuft.
Aus der Bluͤht und Aehren Menge koͤnnen wir nun leicht-
lich ſehn,

Daß, ſo weit man ſehen kann, rechte Nebelduͤft entſtehn,
Und die Felder fuͤllen muͤſſen, ſo das Landvolk ſtuͤhmen nennt.
Und es, wenn das Wetter gut, als ein gutes Zeichen kennt.
Alles ſcheint, zu ſolcher Zeit, an der Aehre ſich zu regen,
Und, wie ichs bey Licht einſt ſah, durch die Waͤrm ſich zu
bewegen,

Da ſo Bluͤht als Staub zugleich, als durch innerlichen Drang,
Und, als wenn es alles lebte, ſichtlich aus der Huͤlſe ſprang.
Ehe nun die Aehre bluͤhet, wird man, als ein duͤnnes Haar,
Recht in beyder Huͤlſen Mitten, eines kleinen Stiels gewahr,
Deſſen Nutzen ich nicht wußte, bis ich es nachher entdecket,
Daß ſich dieſes kleine Stielchen ploͤtzlich in die Hoͤhe ſtrecket,
Und zu einer Huͤlſe wird, welche noch drey Bluͤhten traͤgt.
Dieſe ſcheint, o großes Wunder! wenn man es genau erwegt,
Mit beſonders weiſer Abſicht, von dem Schoͤpfer ſo formirt,
Daß, wenn etwan eine Wittrung wo der erſten Bluͤht der Aehre,
Durch die Rauhigkeit, zuwider, oder ſonſten ſchaͤdlich waͤre,
Letztere, da ſie ſich ſpaͤter mit der Bluͤht empor gefuͤhrt,
Doch noch Fruͤchte tragen koͤnnte, das denn, in dem Korn zumal,
So die Armuth ſpeiſen muß, einen holden hellen Stral
Einer weiſen Lieb und Vorſicht uns recht uͤberzeuglich weiſet,
Welcher wuͤrdig, daß man innigſt unſern Schoͤpfer davor
preiſet.

Wann
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[74/0098] Schoͤnheit eines Gefildes mit Korn, Aber recht indem dieſelben aus dem Schooß der Huͤlſe fallen, Siehet man, nicht ohn Erſtaunen, etwas ſonderlichs an allen; Daß ſie nemlich einen Staub, den ſie in zwo Roͤhren faſſen, Die an beyden Seiten liegen, ſichtbar von ſich fallen laſſen. Jede Bluͤht hat ſo viel Staub, daß man es nicht leicht be- greift, Wie ſich eine ſolche Menge an ſo kleinem Ort gehaͤuft. Aus der Bluͤht und Aehren Menge koͤnnen wir nun leicht- lich ſehn, Daß, ſo weit man ſehen kann, rechte Nebelduͤft entſtehn, Und die Felder fuͤllen muͤſſen, ſo das Landvolk ſtuͤhmen nennt. Und es, wenn das Wetter gut, als ein gutes Zeichen kennt. Alles ſcheint, zu ſolcher Zeit, an der Aehre ſich zu regen, Und, wie ichs bey Licht einſt ſah, durch die Waͤrm ſich zu bewegen, Da ſo Bluͤht als Staub zugleich, als durch innerlichen Drang, Und, als wenn es alles lebte, ſichtlich aus der Huͤlſe ſprang. Ehe nun die Aehre bluͤhet, wird man, als ein duͤnnes Haar, Recht in beyder Huͤlſen Mitten, eines kleinen Stiels gewahr, Deſſen Nutzen ich nicht wußte, bis ich es nachher entdecket, Daß ſich dieſes kleine Stielchen ploͤtzlich in die Hoͤhe ſtrecket, Und zu einer Huͤlſe wird, welche noch drey Bluͤhten traͤgt. Dieſe ſcheint, o großes Wunder! wenn man es genau erwegt, Mit beſonders weiſer Abſicht, von dem Schoͤpfer ſo formirt, Daß, wenn etwan eine Wittrung wo der erſten Bluͤht der Aehre, Durch die Rauhigkeit, zuwider, oder ſonſten ſchaͤdlich waͤre, Letztere, da ſie ſich ſpaͤter mit der Bluͤht empor gefuͤhrt, Doch noch Fruͤchte tragen koͤnnte, das denn, in dem Korn zumal, So die Armuth ſpeiſen muß, einen holden hellen Stral Einer weiſen Lieb und Vorſicht uns recht uͤberzeuglich weiſet, Welcher wuͤrdig, daß man innigſt unſern Schoͤpfer davor preiſet. Wann

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 74. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/98>, abgerufen am 11.05.2024.