Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Versuch einer gewissen Lehre.
Versuch,
ob, ausser der Lehre von den Contin-

genzen, ein Atheist nicht könne mit unumstößli-
chen Gründen convinciret werden.
Der allergröbste Atheist muß dieß unleugbar zugestehn,
Daß wir in allen irdschen Dingen, die auf der ganzen
Welt geschehn,
Natur und Kunst nicht leugnen können. Denn alle Dinge,
die wir sehn,

Sind künstlich oder sind natürlich. Nun laßt uns erst die
Kunst betrachten,

Als welche wir am besten kennen. Wenn wir, was künstlich
ist, beachten:

So finden wir, es sey nichts anders, als, was, durch mensch-
lichen Verstand,

Zu einer ordentlichen Absicht, vermittelst seiner
regen Hand,

Gewirkt ist und hervorgebracht, zum Beyspiel, eine
Schilderey,

Ein künst- und zierliches Gebäude. Das ersters nicht von
ungefehr,

Durch den Zusammenlauf der Farben, gewirket und entstan-
den sey,

Und letzters durch des festen Kalks und Stein ihr ungefeh-
rigs Fügen,

Da sie, in solcher klugen Ordnung, und rechten Maß, zusam-
men liegen,
Nicht
Verſuch einer gewiſſen Lehre.
Verſuch,
ob, auſſer der Lehre von den Contin-

genzen, ein Atheiſt nicht koͤnne mit unumſtoͤßli-
chen Gruͤnden convinciret werden.
Der allergroͤbſte Atheiſt muß dieß unleugbar zugeſtehn,
Daß wir in allen irdſchen Dingen, die auf der ganzen
Welt geſchehn,
Natur und Kunſt nicht leugnen koͤnnen. Denn alle Dinge,
die wir ſehn,

Sind kuͤnſtlich oder ſind natuͤrlich. Nun laßt uns erſt die
Kunſt betrachten,

Als welche wir am beſten kennen. Wenn wir, was kuͤnſtlich
iſt, beachten:

So finden wir, es ſey nichts anders, als, was, durch menſch-
lichen Verſtand,

Zu einer ordentlichen Abſicht, vermittelſt ſeiner
regen Hand,

Gewirkt iſt und hervorgebracht, zum Beyſpiel, eine
Schilderey,

Ein kuͤnſt- und zierliches Gebaͤude. Das erſters nicht von
ungefehr,

Durch den Zuſammenlauf der Farben, gewirket und entſtan-
den ſey,

Und letzters durch des feſten Kalks und Stein ihr ungefeh-
rigs Fuͤgen,

Da ſie, in ſolcher klugen Ordnung, und rechten Maß, zuſam-
men liegen,
Nicht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0631" n="607"/>
        <fw place="top" type="header">Ver&#x017F;uch einer gewi&#x017F;&#x017F;en Lehre.</fw><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Ver&#x017F;uch,</hi><lb/>
ob, au&#x017F;&#x017F;er der Lehre von den Contin-</hi><lb/>
genzen, ein Athei&#x017F;t nicht ko&#x0364;nne mit unum&#x017F;to&#x0364;ßli-<lb/>
chen Gru&#x0364;nden convinciret werden.</head><lb/>
          <lg n="10">
            <l><hi rendition="#in">D</hi>er allergro&#x0364;b&#x017F;te Athei&#x017F;t muß dieß unleugbar zuge&#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Daß wir in allen ird&#x017F;chen Dingen, die auf der ganzen<lb/><hi rendition="#et">Welt ge&#x017F;chehn,</hi><lb/><hi rendition="#fr">Natur</hi> und <hi rendition="#fr">Kun&#x017F;t</hi> nicht leugnen ko&#x0364;nnen. Denn alle Dinge,<lb/><hi rendition="#et">die wir &#x017F;ehn,</hi></l><lb/>
            <l>Sind <hi rendition="#fr">ku&#x0364;n&#x017F;tlich</hi> oder &#x017F;ind <hi rendition="#fr">natu&#x0364;rlich</hi>. Nun laßt uns er&#x017F;t die<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Kun&#x017F;t</hi> betrachten,</hi></l><lb/>
            <l>Als welche wir am be&#x017F;ten kennen. Wenn wir, was ku&#x0364;n&#x017F;tlich<lb/><hi rendition="#et">i&#x017F;t, beachten:</hi></l><lb/>
            <l>So finden wir, es &#x017F;ey nichts anders, als, was, <hi rendition="#fr">durch men&#x017F;ch-<lb/><hi rendition="#et">lichen Ver&#x017F;tand,</hi></hi></l><lb/>
            <l> <hi rendition="#fr">Zu einer ordentlichen Ab&#x017F;icht, vermittel&#x017F;t &#x017F;einer<lb/><hi rendition="#et">regen Hand,</hi></hi> </l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Gewirkt i&#x017F;t und hervorgebracht,</hi> zum Bey&#x017F;piel, eine<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Schilderey,</hi></hi></l><lb/>
            <l>Ein ku&#x0364;n&#x017F;t- und zierliches <hi rendition="#fr">Geba&#x0364;ude.</hi> Das er&#x017F;ters nicht von<lb/><hi rendition="#et">ungefehr,</hi></l><lb/>
            <l>Durch den Zu&#x017F;ammenlauf der Farben, gewirket und ent&#x017F;tan-<lb/><hi rendition="#et">den &#x017F;ey,</hi></l><lb/>
            <l>Und letzters durch des fe&#x017F;ten Kalks und Stein ihr ungefeh-<lb/><hi rendition="#et">rigs Fu&#x0364;gen,</hi></l><lb/>
            <l>Da &#x017F;ie, in &#x017F;olcher klugen Ordnung, und rechten Maß, zu&#x017F;am-<lb/><hi rendition="#et">men liegen,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Nicht</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[607/0631] Verſuch einer gewiſſen Lehre. Verſuch, ob, auſſer der Lehre von den Contin- genzen, ein Atheiſt nicht koͤnne mit unumſtoͤßli- chen Gruͤnden convinciret werden. Der allergroͤbſte Atheiſt muß dieß unleugbar zugeſtehn, Daß wir in allen irdſchen Dingen, die auf der ganzen Welt geſchehn, Natur und Kunſt nicht leugnen koͤnnen. Denn alle Dinge, die wir ſehn, Sind kuͤnſtlich oder ſind natuͤrlich. Nun laßt uns erſt die Kunſt betrachten, Als welche wir am beſten kennen. Wenn wir, was kuͤnſtlich iſt, beachten: So finden wir, es ſey nichts anders, als, was, durch menſch- lichen Verſtand, Zu einer ordentlichen Abſicht, vermittelſt ſeiner regen Hand, Gewirkt iſt und hervorgebracht, zum Beyſpiel, eine Schilderey, Ein kuͤnſt- und zierliches Gebaͤude. Das erſters nicht von ungefehr, Durch den Zuſammenlauf der Farben, gewirket und entſtan- den ſey, Und letzters durch des feſten Kalks und Stein ihr ungefeh- rigs Fuͤgen, Da ſie, in ſolcher klugen Ordnung, und rechten Maß, zuſam- men liegen, Nicht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/631
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 607. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/631>, abgerufen am 25.11.2024.