Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Versteigen des menschlichen Geistes.
Ohn Hoffnung einer Besserung. Wann will ein Meta-
physicus,
Nachdem er sich ins tiefe Meer, ohn Ufer, sonder Grund und
Schluß

Der schwebenden Subtilitäten, hineingewaget, rückwerts
kehren,

Und den so lang-und fernen Weg, den er mit so viel Müh
geschwommen,

Von neuen wieder rückwerts schwimmen, um wieder zu sich
selbst zu kommen?

Wie oder wie wird man doch können, von einem solchen
Geist begehren,

Der sich, mit solcher großen Mühe, so viele Jahre, Tag und
Nacht,

Zu einer Höh empor geschwungen, und sich auf einen Berg
gebracht,

Daß er sich wieder abwerts senken, und bloß mit seiner Bes-
serung,

Sich was zu schaffen machen solle? Dieß scheinet ihm nicht
groß genung.
Der Fehler unsrer ersten Eltern, die ihrem Schöpfer
gleichen wollten,

Muß solchen steigenden Gelehrten nicht sündlich und nicht
sträflich scheinen,

Jndem sie für erlaubet halten, und sich dazu befugt vermeynen,
Zu untersuchen, wie der Schöpfer regier; und dieses nicht allein,
Sie wollten dergestalt ihn kennen, daß er, nur so, und anders
nicht,

Hab schaffen und regieren können, auch daß er alles, was
geschicht,
Wie

Verſteigen des menſchlichen Geiſtes.
Ohn Hoffnung einer Beſſerung. Wann will ein Meta-
phyſicus,
Nachdem er ſich ins tiefe Meer, ohn Ufer, ſonder Grund und
Schluß

Der ſchwebenden Subtilitaͤten, hineingewaget, ruͤckwerts
kehren,

Und den ſo lang-und fernen Weg, den er mit ſo viel Muͤh
geſchwommen,

Von neuen wieder ruͤckwerts ſchwimmen, um wieder zu ſich
ſelbſt zu kommen?

Wie oder wie wird man doch koͤnnen, von einem ſolchen
Geiſt begehren,

Der ſich, mit ſolcher großen Muͤhe, ſo viele Jahre, Tag und
Nacht,

Zu einer Hoͤh empor geſchwungen, und ſich auf einen Berg
gebracht,

Daß er ſich wieder abwerts ſenken, und bloß mit ſeiner Beſ-
ſerung,

Sich was zu ſchaffen machen ſolle? Dieß ſcheinet ihm nicht
groß genung.
Der Fehler unſrer erſten Eltern, die ihrem Schoͤpfer
gleichen wollten,

Muß ſolchen ſteigenden Gelehrten nicht ſuͤndlich und nicht
ſtraͤflich ſcheinen,

Jndem ſie fuͤr erlaubet halten, und ſich dazu befugt vermeynen,
Zu unterſuchen, wie der Schoͤpfer regier; und dieſes nicht allein,
Sie wollten dergeſtalt ihn kennen, daß er, nur ſo, und anders
nicht,

Hab ſchaffen und regieren koͤnnen, auch daß er alles, was
geſchicht,
Wie
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="1">
            <l><pb facs="#f0620" n="596"/><fw place="top" type="header">Ver&#x017F;teigen des men&#x017F;chlichen Gei&#x017F;tes.</fw><lb/>
Ohn Hoffnung einer Be&#x017F;&#x017F;erung. Wann will ein Meta-<lb/><hi rendition="#et">phy&#x017F;icus,</hi></l><lb/>
            <l>Nachdem er &#x017F;ich ins tiefe Meer, ohn Ufer, &#x017F;onder Grund und<lb/><hi rendition="#et">Schluß</hi></l><lb/>
            <l>Der &#x017F;chwebenden Subtilita&#x0364;ten, hineingewaget, ru&#x0364;ckwerts<lb/><hi rendition="#et">kehren,</hi></l><lb/>
            <l>Und den &#x017F;o lang-und fernen Weg, den er mit &#x017F;o viel Mu&#x0364;h<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;chwommen,</hi></l><lb/>
            <l>Von neuen wieder ru&#x0364;ckwerts &#x017F;chwimmen, um wieder zu &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;elb&#x017F;t zu kommen?</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="2">
            <l>Wie oder wie wird man doch ko&#x0364;nnen, von einem &#x017F;olchen<lb/><hi rendition="#et">Gei&#x017F;t begehren,</hi></l><lb/>
            <l>Der &#x017F;ich, mit &#x017F;olcher großen Mu&#x0364;he, &#x017F;o viele Jahre, Tag und<lb/><hi rendition="#et">Nacht,</hi></l><lb/>
            <l>Zu einer Ho&#x0364;h empor ge&#x017F;chwungen, und &#x017F;ich auf einen Berg<lb/><hi rendition="#et">gebracht,</hi></l><lb/>
            <l>Daß er &#x017F;ich wieder abwerts &#x017F;enken, und bloß mit &#x017F;einer Be&#x017F;-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;erung,</hi></l><lb/>
            <l>Sich was zu &#x017F;chaffen machen &#x017F;olle? Dieß &#x017F;cheinet ihm nicht<lb/><hi rendition="#et">groß genung.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="3">
            <l>Der Fehler un&#x017F;rer er&#x017F;ten Eltern, die ihrem Scho&#x0364;pfer<lb/><hi rendition="#et">gleichen wollten,</hi></l><lb/>
            <l>Muß &#x017F;olchen &#x017F;teigenden Gelehrten nicht &#x017F;u&#x0364;ndlich und nicht<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tra&#x0364;flich &#x017F;cheinen,</hi></l><lb/>
            <l>Jndem &#x017F;ie fu&#x0364;r erlaubet halten, und &#x017F;ich dazu befugt vermeynen,</l><lb/>
            <l>Zu unter&#x017F;uchen, wie der Scho&#x0364;pfer regier; und die&#x017F;es nicht allein,</l><lb/>
            <l>Sie wollten derge&#x017F;talt ihn kennen, daß er, nur &#x017F;o, und anders<lb/><hi rendition="#et">nicht,</hi></l><lb/>
            <l>Hab &#x017F;chaffen und regieren ko&#x0364;nnen, auch daß er alles, was<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;chicht,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[596/0620] Verſteigen des menſchlichen Geiſtes. Ohn Hoffnung einer Beſſerung. Wann will ein Meta- phyſicus, Nachdem er ſich ins tiefe Meer, ohn Ufer, ſonder Grund und Schluß Der ſchwebenden Subtilitaͤten, hineingewaget, ruͤckwerts kehren, Und den ſo lang-und fernen Weg, den er mit ſo viel Muͤh geſchwommen, Von neuen wieder ruͤckwerts ſchwimmen, um wieder zu ſich ſelbſt zu kommen? Wie oder wie wird man doch koͤnnen, von einem ſolchen Geiſt begehren, Der ſich, mit ſolcher großen Muͤhe, ſo viele Jahre, Tag und Nacht, Zu einer Hoͤh empor geſchwungen, und ſich auf einen Berg gebracht, Daß er ſich wieder abwerts ſenken, und bloß mit ſeiner Beſ- ſerung, Sich was zu ſchaffen machen ſolle? Dieß ſcheinet ihm nicht groß genung. Der Fehler unſrer erſten Eltern, die ihrem Schoͤpfer gleichen wollten, Muß ſolchen ſteigenden Gelehrten nicht ſuͤndlich und nicht ſtraͤflich ſcheinen, Jndem ſie fuͤr erlaubet halten, und ſich dazu befugt vermeynen, Zu unterſuchen, wie der Schoͤpfer regier; und dieſes nicht allein, Sie wollten dergeſtalt ihn kennen, daß er, nur ſo, und anders nicht, Hab ſchaffen und regieren koͤnnen, auch daß er alles, was geſchicht, Wie

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/620
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/620>, abgerufen am 18.12.2024.