Es ist die Ehrbegierd ein Trieb, wodurch wir, voller Sehn- sucht, wollen, Daß andre Menschen, die uns gleich, uns rühmen und uns ehren sollen. Da doch dieselben, eben so, als wir, sich allen vorzuziehn, Aus angebohrner Eigen-Lieb, aus allen Kräften sich bemühn.
Wird etwan einer wo gelobt, scheint jeder dadurch was zu leiden. Verkleinert man den Nächsten aber: So wird mit heimlich-häm- schen Freuden, Jhr Jch geschmeichelt und gekitzelt. Wie kann, bey so ge- stalten Sachen, Man sich von Menschen Hoffnung machen, Daß sie, durch unser Guts, sich gleichsam selbst zu hassen, Von uns sich werden zwingen lassen? Und daß sie den, der sie verkleinert, bey ihrem innigen Be- trüben, Ob ihren schmerzlichen Verlust, aufrichtig jemals können lieben?
Es kömmt vielmehr, bey diesem Zustand, mir Nicht anders für, Als ob ein Geist, der sich, von andern, in der That, An Größ, und an Gelehrsamkeit, Verdienstlich unterschieden hat, Anstatt auf seine Größ und Vollenkommenheit,
Sich
Warnungs-Lehre
Warnungs-Lehre fuͤr erhabne Geiſter.
Es iſt die Ehrbegierd ein Trieb, wodurch wir, voller Sehn- ſucht, wollen, Daß andre Menſchen, die uns gleich, uns ruͤhmen und uns ehren ſollen. Da doch dieſelben, eben ſo, als wir, ſich allen vorzuziehn, Aus angebohrner Eigen-Lieb, aus allen Kraͤften ſich bemuͤhn.
Wird etwan einer wo gelobt, ſcheint jeder dadurch was zu leiden. Verkleinert man den Naͤchſten aber: So wird mit heimlich-haͤm- ſchen Freuden, Jhr Jch geſchmeichelt und gekitzelt. Wie kann, bey ſo ge- ſtalten Sachen, Man ſich von Menſchen Hoffnung machen, Daß ſie, durch unſer Guts, ſich gleichſam ſelbſt zu haſſen, Von uns ſich werden zwingen laſſen? Und daß ſie den, der ſie verkleinert, bey ihrem innigen Be- truͤben, Ob ihren ſchmerzlichen Verluſt, aufrichtig jemals koͤnnen lieben?
Es koͤmmt vielmehr, bey dieſem Zuſtand, mir Nicht anders fuͤr, Als ob ein Geiſt, der ſich, von andern, in der That, An Groͤß, und an Gelehrſamkeit, Verdienſtlich unterſchieden hat, Anſtatt auf ſeine Groͤß und Vollenkommenheit,
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[586/0610]
Warnungs-Lehre
Warnungs-Lehre
fuͤr erhabne Geiſter.
Es iſt die Ehrbegierd ein Trieb, wodurch wir, voller Sehn-
ſucht, wollen,
Daß andre Menſchen, die uns gleich, uns ruͤhmen und uns ehren
ſollen.
Da doch dieſelben, eben ſo, als wir, ſich allen vorzuziehn,
Aus angebohrner Eigen-Lieb, aus allen Kraͤften ſich bemuͤhn.
Wird etwan einer wo gelobt, ſcheint jeder dadurch was zu
leiden.
Verkleinert man den Naͤchſten aber: So wird mit heimlich-haͤm-
ſchen Freuden,
Jhr Jch geſchmeichelt und gekitzelt. Wie kann, bey ſo ge-
ſtalten Sachen,
Man ſich von Menſchen Hoffnung machen,
Daß ſie, durch unſer Guts, ſich gleichſam ſelbſt zu haſſen,
Von uns ſich werden zwingen laſſen?
Und daß ſie den, der ſie verkleinert, bey ihrem innigen Be-
truͤben,
Ob ihren ſchmerzlichen Verluſt, aufrichtig jemals koͤnnen lieben?
Es koͤmmt vielmehr, bey dieſem Zuſtand, mir
Nicht anders fuͤr,
Als ob ein Geiſt, der ſich, von andern, in der That,
An Groͤß, und an Gelehrſamkeit,
Verdienſtlich unterſchieden hat,
Anſtatt auf ſeine Groͤß und Vollenkommenheit,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 586. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/610>, abgerufen am 03.12.2024.
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