Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Beym Eintritt
An meinem Geburtstage.
Beym Eintritt in das sieben und funfzigste Jahr.
Gottlob! heut sey ich abermal den Tag, woran ich diese
Welt

Zum allerersten mal gesehn, gesund vergnügt und frölich wieder.
Jch stimme dir demnach, o Herr, durch den, was worden, sich erhält,
Für dieß dein gnädiges Erhalten, Dank, Ehre, Ruhm-und Lo-
bes-Lieder,

Mit recht gerührter Seelen, an. Wem anders, Herr, als dir allein,
Kann ich für so viel Gnad und Huld, so sich in dieser Huld vereinen,
Jn welchen so viel gutes steckt, so wohl für mich, als für die
meinen,

Jn Demuth-voller Lust und Ehrfurcht, verpflichtet und er-
kenntlich seyn?

Ach laß mich dir gefällig danken! Es sind, von meinen Lebens-
Jahren,

Nun sechs und funfzig Jahre schon, als wie ein Strom, dahin ge-
fahren.

Jch tret heut in ein neues ein. Wer diese lange Zeit erwegt,
Aus wie viel Nächten, wie viel Tagen, aus wieviel Stunden
und Secunden,

Solch eine lange Daur besteht, und, wie er schuldig, überlegt,
Wie viel in einer jeglichen, die alle glücklich sind verschwunden,
Mir Unglück überkommen können; ja wenn er noch dabey
bedenkt,

Wie sich, mit dieser großen Zahl, noch | eine größere verbunden,
Da Gott, in jeglichem der Meinen, mir ein vermehrtes Gut
geschenkt,

Und ihre, so wie meine Zeit, zugleich| beglückt verfliessen lassen,
Und, statt unzählig möglichen Verdrusses, nichts auf uns gelenkt
Als
Beym Eintritt
An meinem Geburtstage.
Beym Eintritt in das ſieben und funfzigſte Jahr.
Gottlob! heut ſey ich abermal den Tag, woran ich dieſe
Welt

Zum allererſten mal geſehn, geſund vergnuͤgt und froͤlich wieder.
Jch ſtim̃e dir demnach, o Herr, durch den, was worden, ſich erhaͤlt,
Fuͤr dieß dein gnaͤdiges Erhalten, Dank, Ehre, Ruhm-und Lo-
bes-Lieder,

Mit recht geruͤhrter Seelen, an. Wem anders, Herr, als dir allein,
Kann ich fuͤr ſo viel Gnad und Huld, ſo ſich in dieſer Huld vereinen,
Jn welchen ſo viel gutes ſteckt, ſo wohl fuͤr mich, als fuͤr die
meinen,

Jn Demuth-voller Luſt und Ehrfurcht, verpflichtet und er-
kenntlich ſeyn?

Ach laß mich dir gefaͤllig danken! Es ſind, von meinen Lebens-
Jahren,

Nun ſechs und funfzig Jahre ſchon, als wie ein Strom, dahin ge-
fahren.

Jch tret heut in ein neues ein. Wer dieſe lange Zeit erwegt,
Aus wie viel Naͤchten, wie viel Tagen, aus wieviel Stunden
und Secunden,

Solch eine lange Daur beſteht, und, wie er ſchuldig, uͤberlegt,
Wie viel in einer jeglichen, die alle gluͤcklich ſind verſchwunden,
Mir Ungluͤck uͤberkommen koͤnnen; ja wenn er noch dabey
bedenkt,

Wie ſich, mit dieſer großen Zahl, noch | eine groͤßere verbunden,
Da Gott, in jeglichem der Meinen, mir ein vermehrtes Gut
geſchenkt,

Und ihre, ſo wie meine Zeit, zugleich| begluͤckt verflieſſen laſſen,
Und, ſtatt unzaͤhlig moͤglichen Verdruſſes, nichts auf uns gelenkt
Als
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0572" n="548"/>
        <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Beym Eintritt</hi> </fw><lb/>
        <div n="2">
          <head> <hi rendition="#b">An meinem Geburtstage.<lb/>
Beym Eintritt in das &#x017F;ieben und funfzig&#x017F;te Jahr.</hi> </head><lb/>
          <lg type="poem">
            <l><hi rendition="#in">G</hi>ottlob! heut &#x017F;ey ich abermal den Tag, woran ich die&#x017F;e<lb/><hi rendition="#et">Welt</hi></l><lb/>
            <l>Zum allerer&#x017F;ten mal ge&#x017F;ehn, ge&#x017F;und vergnu&#x0364;gt und fro&#x0364;lich wieder.</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;tim&#x0303;e dir demnach, o Herr, durch den, was worden, &#x017F;ich erha&#x0364;lt,</l><lb/>
            <l>Fu&#x0364;r dieß dein gna&#x0364;diges Erhalten, Dank, Ehre, Ruhm-und Lo-<lb/><hi rendition="#et">bes-Lieder,</hi></l><lb/>
            <l>Mit recht geru&#x0364;hrter Seelen, an. Wem anders, Herr, als dir allein,</l><lb/>
            <l>Kann ich fu&#x0364;r &#x017F;o viel Gnad und Huld, &#x017F;o &#x017F;ich in die&#x017F;er Huld vereinen,</l><lb/>
            <l>Jn welchen &#x017F;o viel gutes &#x017F;teckt, &#x017F;o wohl fu&#x0364;r mich, als fu&#x0364;r die<lb/><hi rendition="#et">meinen,</hi></l><lb/>
            <l>Jn Demuth-voller Lu&#x017F;t und Ehrfurcht, verpflichtet und er-<lb/><hi rendition="#et">kenntlich &#x017F;eyn?</hi></l><lb/>
            <l>Ach laß mich dir gefa&#x0364;llig danken! Es &#x017F;ind, von meinen Lebens-<lb/><hi rendition="#et">Jahren,</hi></l><lb/>
            <l>Nun &#x017F;echs und funfzig Jahre &#x017F;chon, als wie ein Strom, dahin ge-<lb/><hi rendition="#et">fahren.</hi></l><lb/>
            <l>Jch tret heut in ein neues ein. Wer die&#x017F;e lange Zeit erwegt,</l><lb/>
            <l>Aus wie viel Na&#x0364;chten, wie viel Tagen, aus wieviel Stunden<lb/><hi rendition="#et">und Secunden,</hi></l><lb/>
            <l>Solch eine lange Daur be&#x017F;teht, und, wie er &#x017F;chuldig, u&#x0364;berlegt,</l><lb/>
            <l>Wie viel in einer jeglichen, die alle glu&#x0364;cklich &#x017F;ind ver&#x017F;chwunden,</l><lb/>
            <l>Mir Unglu&#x0364;ck u&#x0364;berkommen ko&#x0364;nnen; ja wenn er noch dabey<lb/><hi rendition="#et">bedenkt,</hi></l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ich, mit die&#x017F;er großen Zahl, noch | eine gro&#x0364;ßere verbunden,</l><lb/>
            <l>Da Gott, in jeglichem der Meinen, mir ein vermehrtes Gut<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;chenkt,</hi></l><lb/>
            <l>Und ihre, &#x017F;o wie meine Zeit, zugleich| beglu&#x0364;ckt verflie&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en,</l><lb/>
            <l>Und, &#x017F;tatt unza&#x0364;hlig mo&#x0364;glichen Verdru&#x017F;&#x017F;es, nichts auf uns gelenkt</l><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">Als</fw><lb/>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[548/0572] Beym Eintritt An meinem Geburtstage. Beym Eintritt in das ſieben und funfzigſte Jahr. Gottlob! heut ſey ich abermal den Tag, woran ich dieſe Welt Zum allererſten mal geſehn, geſund vergnuͤgt und froͤlich wieder. Jch ſtim̃e dir demnach, o Herr, durch den, was worden, ſich erhaͤlt, Fuͤr dieß dein gnaͤdiges Erhalten, Dank, Ehre, Ruhm-und Lo- bes-Lieder, Mit recht geruͤhrter Seelen, an. Wem anders, Herr, als dir allein, Kann ich fuͤr ſo viel Gnad und Huld, ſo ſich in dieſer Huld vereinen, Jn welchen ſo viel gutes ſteckt, ſo wohl fuͤr mich, als fuͤr die meinen, Jn Demuth-voller Luſt und Ehrfurcht, verpflichtet und er- kenntlich ſeyn? Ach laß mich dir gefaͤllig danken! Es ſind, von meinen Lebens- Jahren, Nun ſechs und funfzig Jahre ſchon, als wie ein Strom, dahin ge- fahren. Jch tret heut in ein neues ein. Wer dieſe lange Zeit erwegt, Aus wie viel Naͤchten, wie viel Tagen, aus wieviel Stunden und Secunden, Solch eine lange Daur beſteht, und, wie er ſchuldig, uͤberlegt, Wie viel in einer jeglichen, die alle gluͤcklich ſind verſchwunden, Mir Ungluͤck uͤberkommen koͤnnen; ja wenn er noch dabey bedenkt, Wie ſich, mit dieſer großen Zahl, noch | eine groͤßere verbunden, Da Gott, in jeglichem der Meinen, mir ein vermehrtes Gut geſchenkt, Und ihre, ſo wie meine Zeit, zugleich| begluͤckt verflieſſen laſſen, Und, ſtatt unzaͤhlig moͤglichen Verdruſſes, nichts auf uns gelenkt Als

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/572
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 548. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/572>, abgerufen am 24.11.2024.