Unglückliche Folgen der Verwahrlosung unsrer Minen.
Man sagt mit Recht, von unserm Auge, daß es des Geistes Spiegel sey. Wie geht es denn doch immer zu, daß man darauf so wenig achtet, Und, zu Vermeidung unsers Schadens, die große Wahrheit nicht betrachtet: Es sey fürwahr nicht gleiche viel, gleichgültig nicht, nicht einerley, Ob man, im Spiegel unsrer Augen, in uns ein thierisch Herz erblicke, Voll Bitterkeit, voll Gram und Bosheit, voll Neid, voll Wi- dersinn und Tücke, Wie oder ob ein sanft Gemüthe, in einem sanften Blick, sich zeigt.
Wann nun das Aug ein solches Glied, das sich, nach unserm eignen Willen, Regieren, biegen, lenken läßt, das wir mit Grimm und Lust erfüllen, So Freud als Gram drin senken können: So ist es ja wohl unerhört, Daß, da es selbst in unsrer Macht, uns, durch ein sanft und freundlich Lachen, Zu einem liebenswürdigen und werthen Gegenstand zu machen, Man, durch die selbst formirten Züge, sich in ein böses Thier verkehrt.
Ja was noch mehr, dein bitter Auge verursacht Grimm und Bitterkeit,
Jns
Ungluͤckliche Folgen
Ungluͤckliche Folgen der Verwahrloſung unſrer Minen.
Man ſagt mit Recht, von unſerm Auge, daß es des Geiſtes Spiegel ſey. Wie geht es denn doch immer zu, daß man darauf ſo wenig achtet, Und, zu Vermeidung unſers Schadens, die große Wahrheit nicht betrachtet: Es ſey fuͤrwahr nicht gleiche viel, gleichguͤltig nicht, nicht einerley, Ob man, im Spiegel unſrer Augen, in uns ein thieriſch Herz erblicke, Voll Bitterkeit, voll Gram und Bosheit, voll Neid, voll Wi- derſinn und Tuͤcke, Wie oder ob ein ſanft Gemuͤthe, in einem ſanften Blick, ſich zeigt.
Wann nun das Aug ein ſolches Glied, das ſich, nach unſerm eignen Willen, Regieren, biegen, lenken laͤßt, das wir mit Grimm und Luſt erfuͤllen, So Freud als Gram drin ſenken koͤnnen: So iſt es ja wohl unerhoͤrt, Daß, da es ſelbſt in unſrer Macht, uns, durch ein ſanft und freundlich Lachen, Zu einem liebenswuͤrdigen und werthen Gegenſtand zu machen, Man, durch die ſelbſt formirten Zuͤge, ſich in ein boͤſes Thier verkehrt.
Ja was noch mehr, dein bitter Auge verurſacht Grimm und Bitterkeit,
Jns
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Ungluͤckliche Folgen
Ungluͤckliche Folgen
der Verwahrloſung unſrer Minen.
Man ſagt mit Recht, von unſerm Auge, daß es des Geiſtes
Spiegel ſey.
Wie geht es denn doch immer zu, daß man darauf ſo wenig
achtet,
Und, zu Vermeidung unſers Schadens, die große Wahrheit
nicht betrachtet:
Es ſey fuͤrwahr nicht gleiche viel, gleichguͤltig nicht, nicht
einerley,
Ob man, im Spiegel unſrer Augen, in uns ein thieriſch Herz
erblicke,
Voll Bitterkeit, voll Gram und Bosheit, voll Neid, voll Wi-
derſinn und Tuͤcke,
Wie oder ob ein ſanft Gemuͤthe, in einem ſanften Blick, ſich zeigt.
Wann nun das Aug ein ſolches Glied, das ſich, nach unſerm
eignen Willen,
Regieren, biegen, lenken laͤßt, das wir mit Grimm und Luſt
erfuͤllen,
So Freud als Gram drin ſenken koͤnnen: So iſt es ja wohl
unerhoͤrt,
Daß, da es ſelbſt in unſrer Macht, uns, durch ein ſanft und
freundlich Lachen,
Zu einem liebenswuͤrdigen und werthen Gegenſtand zu machen,
Man, durch die ſelbſt formirten Zuͤge, ſich in ein boͤſes Thier
verkehrt.
Ja was noch mehr, dein bitter Auge verurſacht Grimm
und Bitterkeit,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/514>, abgerufen am 22.11.2024.
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