Ein Wesen bin ich, welches fühlet, und welches, daß es fühlt, begreift. Wenn ich, durch meine Sinne, nun, wie viel sich gutes an mich häuft, Empfind, und es nicht auch erwege: So liegt die Schuld ja bloß an mir, Daß ich nicht das, was mich umgiebet, des Himmels und der Erden Zier, So viele Millionen Vorwürf im Wasser, in den grünen Wäldern, Auf hohen Bergen, in den Thälern, in Büschen, auf den fla- chen Feldern, Jn schönen Blumen-reichen Gärten, nicht meines Denkens würdig achte, Es nicht erwege, nicht geniesse, indem [ic]h alles nicht be- trachte.
Die unglückselig' Unterlassung, von dieser Gott geweihten Pflicht, Jst eine Wurzel unsrer Plagen. Man hat, und hat es den- noch nicht. Man sieht nicht, was man sieht; man höret auch ja so wenig, was man höret; Man schmecket, riecht und fühlet nicht, was man doch schme- cket, riecht und fühlet, Wodurch man, welches unvernünftig und unerhört, sich selbst bestielet,
Sich
Unſelige Unaufmerkſamkeit.
Unſelige Unaufmerkſamkeit.
Ein Weſen bin ich, welches fuͤhlet, und welches, daß es fuͤhlt, begreift. Wenn ich, durch meine Sinne, nun, wie viel ſich gutes an mich haͤuft, Empfind, und es nicht auch erwege: So liegt die Schuld ja bloß an mir, Daß ich nicht das, was mich umgiebet, des Himmels und der Erden Zier, So viele Millionen Vorwuͤrf im Waſſer, in den gruͤnen Waͤldern, Auf hohen Bergen, in den Thaͤlern, in Buͤſchen, auf den fla- chen Feldern, Jn ſchoͤnen Blumen-reichen Gaͤrten, nicht meines Denkens wuͤrdig achte, Es nicht erwege, nicht genieſſe, indem [ic]h alles nicht be- trachte.
Die ungluͤckſelig’ Unterlaſſung, von dieſer Gott geweihten Pflicht, Jſt eine Wurzel unſrer Plagen. Man hat, und hat es den- noch nicht. Man ſieht nicht, was man ſieht; man hoͤret auch ja ſo wenig, was man hoͤret; Man ſchmecket, riecht und fuͤhlet nicht, was man doch ſchme- cket, riecht und fuͤhlet, Wodurch man, welches unvernuͤnftig und unerhoͤrt, ſich ſelbſt beſtielet,
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Unſelige Unaufmerkſamkeit.
Unſelige
Unaufmerkſamkeit.
Ein Weſen bin ich, welches fuͤhlet, und welches, daß es fuͤhlt,
begreift.
Wenn ich, durch meine Sinne, nun, wie viel ſich gutes an mich
haͤuft,
Empfind, und es nicht auch erwege: So liegt die Schuld ja
bloß an mir,
Daß ich nicht das, was mich umgiebet, des Himmels und der
Erden Zier,
So viele Millionen Vorwuͤrf im Waſſer, in den gruͤnen
Waͤldern,
Auf hohen Bergen, in den Thaͤlern, in Buͤſchen, auf den fla-
chen Feldern,
Jn ſchoͤnen Blumen-reichen Gaͤrten, nicht meines Denkens
wuͤrdig achte,
Es nicht erwege, nicht genieſſe, indem ich alles nicht be-
trachte.
Die ungluͤckſelig’ Unterlaſſung, von dieſer Gott geweihten
Pflicht,
Jſt eine Wurzel unſrer Plagen. Man hat, und hat es den-
noch nicht.
Man ſieht nicht, was man ſieht; man hoͤret auch ja ſo wenig,
was man hoͤret;
Man ſchmecket, riecht und fuͤhlet nicht, was man doch ſchme-
cket, riecht und fuͤhlet,
Wodurch man, welches unvernuͤnftig und unerhoͤrt, ſich ſelbſt
beſtielet,
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/502>, abgerufen am 03.12.2024.
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