Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.Des Menschen Zorn Geschicht euch Unrecht, und ihr meynet, ihr müsset euch nothwendig rächen: So denk ich ein' erlaubte Rache euch hier nicht eben abzu- sprechen; Jch will mit dieser meiner Lehre, zu eurem Besten, dieß allein: Jhr sollt, anstatt an euren Feind, euch nur nicht an euch selber machen, Anstatt nur ihm, euch wehe thun, nicht euer eigner Henker seyn. Wenn ihr euch noch so sehr erboßt: So wird er eurer Bos- heit lachen, Jndem ihr seinen Willen thut. Er kann ja, wie er will, euch lenken; Jhr plaget euch, auf sein Geheiß; ihr seyd sein Sclav; er wollt euch kränken; Jhr kränket euch, so oft er will. Hat ers nun aber nicht gewollt, Wie es zuweilen wohl geschicht, und was er that, wär aus Versehen, Aus Uebereilung oder Schwachheit, und gar aus Vorsatz nicht, geschehen: So überlegt doch selbst einmal, ob euer aufgebrachtes Blut, Ob euer Eifern, Schänden, Schmählen, Verfolgung, Bos- heit, Zorn und Wuth, Von Billig- und Gerechtigkeit, auch den geringsten Schein nur hege, Und ob man euer Thun für menschlich, und für vernünftig halten möge, Da ihr, aus Uebereilung, euch und eurem Nächsten Schaden thut. Wer lachet über Hunde nicht, die grimmig in die Steine beissen, Mit welchen sie ihr Feind geworfen? da wir hingegen, durch die Wuth, Viel-
Des Menſchen Zorn Geſchicht euch Unrecht, und ihr meynet, ihr muͤſſet euch nothwendig raͤchen: So denk ich ein’ erlaubte Rache euch hier nicht eben abzu- ſprechen; Jch will mit dieſer meiner Lehre, zu eurem Beſten, dieß allein: Jhr ſollt, anſtatt an euren Feind, euch nur nicht an euch ſelber machen, Anſtatt nur ihm, euch wehe thun, nicht euer eigner Henker ſeyn. Wenn ihr euch noch ſo ſehr erboßt: So wird er eurer Bos- heit lachen, Jndem ihr ſeinen Willen thut. Er kann ja, wie er will, euch lenken; Jhr plaget euch, auf ſein Geheiß; ihr ſeyd ſein Sclav; er wollt euch kraͤnken; Jhr kraͤnket euch, ſo oft er will. Hat ers nun aber nicht gewollt, Wie es zuweilen wohl geſchicht, und was er that, waͤr aus Verſehen, Aus Uebereilung oder Schwachheit, und gar aus Vorſatz nicht, geſchehen: So uͤberlegt doch ſelbſt einmal, ob euer aufgebrachtes Blut, Ob euer Eifern, Schaͤnden, Schmaͤhlen, Verfolgung, Bos- heit, Zorn und Wuth, Von Billig- und Gerechtigkeit, auch den geringſten Schein nur hege, Und ob man euer Thun fuͤr menſchlich, und fuͤr vernuͤnftig halten moͤge, Da ihr, aus Uebereilung, euch und eurem Naͤchſten Schaden thut. Wer lachet uͤber Hunde nicht, die grimmig in die Steine beiſſen, Mit welchen ſie ihr Feind geworfen? da wir hingegen, durch die Wuth, Viel-
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0462" n="438"/> <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Des Menſchen Zorn</hi> </fw><lb/> <lg n="12"> <l>Geſchicht euch Unrecht, und ihr meynet, ihr muͤſſet euch<lb/><hi rendition="#et">nothwendig raͤchen:</hi></l><lb/> <l>So denk ich ein’ erlaubte Rache euch hier nicht eben abzu-<lb/><hi rendition="#et">ſprechen;</hi></l><lb/> <l>Jch will mit dieſer meiner Lehre, zu eurem Beſten, dieß allein:</l><lb/> <l>Jhr ſollt, anſtatt an euren Feind, euch nur nicht an euch<lb/><hi rendition="#et">ſelber machen,</hi></l><lb/> <l>Anſtatt nur ihm, euch wehe thun, nicht euer eigner Henker ſeyn.</l> </lg><lb/> <lg n="13"> <l>Wenn ihr euch noch ſo ſehr erboßt: So wird er eurer Bos-<lb/><hi rendition="#et">heit lachen,</hi></l><lb/> <l>Jndem ihr ſeinen Willen thut. Er kann ja, wie er will, euch<lb/><hi rendition="#et">lenken;</hi></l><lb/> <l>Jhr plaget euch, auf ſein Geheiß; ihr ſeyd ſein Sclav; er wollt<lb/><hi rendition="#et">euch kraͤnken;</hi></l><lb/> <l>Jhr kraͤnket euch, ſo oft er will. Hat ers nun aber nicht gewollt,</l><lb/> <l>Wie es zuweilen wohl geſchicht, und was er that, waͤr aus<lb/><hi rendition="#et">Verſehen,</hi></l><lb/> <l>Aus Uebereilung oder Schwachheit, und gar aus Vorſatz nicht,<lb/><hi rendition="#et">geſchehen:</hi></l><lb/> <l>So uͤberlegt doch ſelbſt einmal, ob euer aufgebrachtes Blut,</l><lb/> <l>Ob euer Eifern, Schaͤnden, Schmaͤhlen, Verfolgung, Bos-<lb/><hi rendition="#et">heit, Zorn und Wuth,</hi></l><lb/> <l>Von Billig- und Gerechtigkeit, auch den geringſten Schein<lb/><hi rendition="#et">nur hege,</hi></l><lb/> <l>Und ob man euer Thun fuͤr menſchlich, und fuͤr vernuͤnftig<lb/><hi rendition="#et">halten moͤge,</hi></l><lb/> <l>Da ihr, aus Uebereilung, euch und eurem Naͤchſten Schaden thut.</l> </lg><lb/> <lg n="14"> <l>Wer lachet uͤber Hunde nicht, die grimmig in die Steine<lb/><hi rendition="#et">beiſſen,</hi></l><lb/> <l>Mit welchen ſie ihr Feind geworfen? da wir hingegen, durch<lb/><hi rendition="#et">die Wuth,</hi><lb/> <fw place="bottom" type="catch">Viel-</fw><lb/></l> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [438/0462]
Des Menſchen Zorn
Geſchicht euch Unrecht, und ihr meynet, ihr muͤſſet euch
nothwendig raͤchen:
So denk ich ein’ erlaubte Rache euch hier nicht eben abzu-
ſprechen;
Jch will mit dieſer meiner Lehre, zu eurem Beſten, dieß allein:
Jhr ſollt, anſtatt an euren Feind, euch nur nicht an euch
ſelber machen,
Anſtatt nur ihm, euch wehe thun, nicht euer eigner Henker ſeyn.
Wenn ihr euch noch ſo ſehr erboßt: So wird er eurer Bos-
heit lachen,
Jndem ihr ſeinen Willen thut. Er kann ja, wie er will, euch
lenken;
Jhr plaget euch, auf ſein Geheiß; ihr ſeyd ſein Sclav; er wollt
euch kraͤnken;
Jhr kraͤnket euch, ſo oft er will. Hat ers nun aber nicht gewollt,
Wie es zuweilen wohl geſchicht, und was er that, waͤr aus
Verſehen,
Aus Uebereilung oder Schwachheit, und gar aus Vorſatz nicht,
geſchehen:
So uͤberlegt doch ſelbſt einmal, ob euer aufgebrachtes Blut,
Ob euer Eifern, Schaͤnden, Schmaͤhlen, Verfolgung, Bos-
heit, Zorn und Wuth,
Von Billig- und Gerechtigkeit, auch den geringſten Schein
nur hege,
Und ob man euer Thun fuͤr menſchlich, und fuͤr vernuͤnftig
halten moͤge,
Da ihr, aus Uebereilung, euch und eurem Naͤchſten Schaden thut.
Wer lachet uͤber Hunde nicht, die grimmig in die Steine
beiſſen,
Mit welchen ſie ihr Feind geworfen? da wir hingegen, durch
die Wuth,
Viel-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |