Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Sinnen-Schule.
Wenn, mit den herrschenden Gedanken, ein sonst beschäfftigtes
Gemüth
Von ihnen abgesondert ist. Ach! liebste Menschen, lernet dann,
Da man, mit unvereinten Geist und Sinnen, hier sich nicht
vergnügen,

Des Schöpfers Allmacht nicht bewundern, und ihm unmög-
lich danken kann,

Mit allem Ernst von Jugend auf, die Sinnen mit dem Geist
zu fügen!

Jn Kindern stecket noch ein Trieb, die Creaturen anzusehn,
Und ihre Schönheit zu bewundern, Figur und Farben zu er-
wegen.

Wir aber unterdrücken ihn, da wir sie zu verlachen pflegen,
Und lassen den so edlen Samen dadurch in ihnen untergehn.
Hingegen wenn wir durch Exempel, wenn wir des Schöpfers
Werk bemerkten,

Den ihnen angebohrnen Trieb nicht unterdrückten, sondern
stärkten,

Wir würden eine neue Welt, die sich, an Gottes Wunder-Gaben,
Auf Adams Art vor seinem Fall, ergetzete, zu hoffen haben.
Es ist nicht schwer, ihr dürfet nur, mit Ernst, euch allge-
mach bemühn,

Euch eurer vorigen Gewohnheit, durch eine neue, zu entziehn,
Und euch bestreben, euer bald zu flüchtig-bald zu träges Denken
Oft auf die Vorwürf eurer Sinnen, und eure Sinnen selbst
zu lenken.

Jhr dürft nur, wenn ihr etwas schmeckt: es schmeckt schön,
zu euch selber fagen.

Wenn ihr was seht, was seh ich hier? wenn ihr was hört:
was hör ich? fragen.

So bald wir nun auf solche Weise, was wir geniessen, recht
geniessen,
Auf

Sinnen-Schule.
Wenn, mit den herrſchenden Gedanken, ein ſonſt beſchaͤfftigtes
Gemuͤth
Von ihnen abgeſondert iſt. Ach! liebſte Menſchen, lernet dann,
Da man, mit unvereinten Geiſt und Sinnen, hier ſich nicht
vergnuͤgen,

Des Schoͤpfers Allmacht nicht bewundern, und ihm unmoͤg-
lich danken kann,

Mit allem Ernſt von Jugend auf, die Sinnen mit dem Geiſt
zu fuͤgen!

Jn Kindern ſtecket noch ein Trieb, die Creaturen anzuſehn,
Und ihre Schoͤnheit zu bewundern, Figur und Farben zu er-
wegen.

Wir aber unterdruͤcken ihn, da wir ſie zu verlachen pflegen,
Und laſſen den ſo edlen Samen dadurch in ihnen untergehn.
Hingegen wenn wir durch Exempel, wenn wir des Schoͤpfers
Werk bemerkten,

Den ihnen angebohrnen Trieb nicht unterdruͤckten, ſondern
ſtaͤrkten,

Wir wuͤrden eine neue Welt, die ſich, an Gottes Wunder-Gaben,
Auf Adams Art vor ſeinem Fall, ergetzete, zu hoffen haben.
Es iſt nicht ſchwer, ihr duͤrfet nur, mit Ernſt, euch allge-
mach bemuͤhn,

Euch eurer vorigen Gewohnheit, durch eine neue, zu entziehn,
Und euch beſtreben, euer bald zu fluͤchtig-bald zu traͤges Denken
Oft auf die Vorwuͤrf eurer Sinnen, und eure Sinnen ſelbſt
zu lenken.

Jhr duͤrft nur, wenn ihr etwas ſchmeckt: es ſchmeckt ſchoͤn,
zu euch ſelber fagen.

Wenn ihr was ſeht, was ſeh ich hier? wenn ihr was hoͤrt:
was hoͤr ich? fragen.

So bald wir nun auf ſolche Weiſe, was wir genieſſen, recht
genieſſen,
Auf
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="24">
            <l><pb facs="#f0298" n="274"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sinnen-Schule.</hi></fw><lb/>
Wenn, mit den herr&#x017F;chenden Gedanken, ein &#x017F;on&#x017F;t be&#x017F;cha&#x0364;fftigtes<lb/><hi rendition="#et">Gemu&#x0364;th</hi></l><lb/>
            <l>Von ihnen abge&#x017F;ondert i&#x017F;t. Ach! lieb&#x017F;te Men&#x017F;chen, lernet dann,</l><lb/>
            <l>Da man, mit unvereinten Gei&#x017F;t und Sinnen, hier &#x017F;ich nicht<lb/><hi rendition="#et">vergnu&#x0364;gen,</hi></l><lb/>
            <l>Des Scho&#x0364;pfers Allmacht nicht bewundern, und ihm unmo&#x0364;g-<lb/><hi rendition="#et">lich danken kann,</hi></l><lb/>
            <l>Mit allem Ern&#x017F;t von Jugend auf, die Sinnen mit dem Gei&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">zu fu&#x0364;gen!</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="25">
            <l>Jn Kindern &#x017F;tecket noch ein Trieb, die Creaturen anzu&#x017F;ehn,</l><lb/>
            <l>Und ihre Scho&#x0364;nheit zu bewundern, Figur und Farben zu er-<lb/><hi rendition="#et">wegen.</hi></l><lb/>
            <l>Wir aber unterdru&#x0364;cken ihn, da wir &#x017F;ie zu verlachen pflegen,</l><lb/>
            <l>Und la&#x017F;&#x017F;en den &#x017F;o edlen Samen dadurch in ihnen untergehn.</l><lb/>
            <l>Hingegen wenn wir durch Exempel, wenn wir des Scho&#x0364;pfers<lb/><hi rendition="#et">Werk bemerkten,</hi></l><lb/>
            <l>Den ihnen angebohrnen Trieb nicht unterdru&#x0364;ckten, &#x017F;ondern<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ta&#x0364;rkten,</hi></l><lb/>
            <l>Wir wu&#x0364;rden eine neue Welt, die &#x017F;ich, an Gottes Wunder-Gaben,</l><lb/>
            <l>Auf Adams Art vor &#x017F;einem Fall, ergetzete, zu hoffen haben.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="26">
            <l>Es i&#x017F;t nicht &#x017F;chwer, ihr du&#x0364;rfet nur, mit Ern&#x017F;t, euch allge-<lb/><hi rendition="#et">mach bemu&#x0364;hn,</hi></l><lb/>
            <l>Euch eurer vorigen Gewohnheit, durch eine neue, zu entziehn,</l><lb/>
            <l>Und euch be&#x017F;treben, euer bald zu flu&#x0364;chtig-bald zu tra&#x0364;ges Denken</l><lb/>
            <l>Oft auf die Vorwu&#x0364;rf eurer Sinnen, und eure Sinnen &#x017F;elb&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">zu lenken.</hi></l><lb/>
            <l>Jhr du&#x0364;rft nur, wenn ihr etwas &#x017F;chmeckt: <hi rendition="#fr">es &#x017F;chmeckt &#x017F;cho&#x0364;n,</hi><lb/><hi rendition="#et">zu euch &#x017F;elber fagen.</hi></l><lb/>
            <l>Wenn ihr was &#x017F;eht, <hi rendition="#fr">was &#x017F;eh ich hier?</hi> wenn ihr was ho&#x0364;rt:<lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">was ho&#x0364;r ich?</hi> fragen.</hi></l><lb/>
            <l>So bald wir nun auf &#x017F;olche Wei&#x017F;e, was wir genie&#x017F;&#x017F;en, recht<lb/><hi rendition="#et">genie&#x017F;&#x017F;en,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Auf</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[274/0298] Sinnen-Schule. Wenn, mit den herrſchenden Gedanken, ein ſonſt beſchaͤfftigtes Gemuͤth Von ihnen abgeſondert iſt. Ach! liebſte Menſchen, lernet dann, Da man, mit unvereinten Geiſt und Sinnen, hier ſich nicht vergnuͤgen, Des Schoͤpfers Allmacht nicht bewundern, und ihm unmoͤg- lich danken kann, Mit allem Ernſt von Jugend auf, die Sinnen mit dem Geiſt zu fuͤgen! Jn Kindern ſtecket noch ein Trieb, die Creaturen anzuſehn, Und ihre Schoͤnheit zu bewundern, Figur und Farben zu er- wegen. Wir aber unterdruͤcken ihn, da wir ſie zu verlachen pflegen, Und laſſen den ſo edlen Samen dadurch in ihnen untergehn. Hingegen wenn wir durch Exempel, wenn wir des Schoͤpfers Werk bemerkten, Den ihnen angebohrnen Trieb nicht unterdruͤckten, ſondern ſtaͤrkten, Wir wuͤrden eine neue Welt, die ſich, an Gottes Wunder-Gaben, Auf Adams Art vor ſeinem Fall, ergetzete, zu hoffen haben. Es iſt nicht ſchwer, ihr duͤrfet nur, mit Ernſt, euch allge- mach bemuͤhn, Euch eurer vorigen Gewohnheit, durch eine neue, zu entziehn, Und euch beſtreben, euer bald zu fluͤchtig-bald zu traͤges Denken Oft auf die Vorwuͤrf eurer Sinnen, und eure Sinnen ſelbſt zu lenken. Jhr duͤrft nur, wenn ihr etwas ſchmeckt: es ſchmeckt ſchoͤn, zu euch ſelber fagen. Wenn ihr was ſeht, was ſeh ich hier? wenn ihr was hoͤrt: was hoͤr ich? fragen. So bald wir nun auf ſolche Weiſe, was wir genieſſen, recht genieſſen, Auf

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/298
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/298>, abgerufen am 25.11.2024.