Wenn, mit den herrschenden Gedanken, ein sonst beschäfftigtes Gemüth Von ihnen abgesondert ist. Ach! liebste Menschen, lernet dann, Da man, mit unvereinten Geist und Sinnen, hier sich nicht vergnügen, Des Schöpfers Allmacht nicht bewundern, und ihm unmög- lich danken kann, Mit allem Ernst von Jugend auf, die Sinnen mit dem Geist zu fügen!
Jn Kindern stecket noch ein Trieb, die Creaturen anzusehn, Und ihre Schönheit zu bewundern, Figur und Farben zu er- wegen. Wir aber unterdrücken ihn, da wir sie zu verlachen pflegen, Und lassen den so edlen Samen dadurch in ihnen untergehn. Hingegen wenn wir durch Exempel, wenn wir des Schöpfers Werk bemerkten, Den ihnen angebohrnen Trieb nicht unterdrückten, sondern stärkten, Wir würden eine neue Welt, die sich, an Gottes Wunder-Gaben, Auf Adams Art vor seinem Fall, ergetzete, zu hoffen haben.
Es ist nicht schwer, ihr dürfet nur, mit Ernst, euch allge- mach bemühn, Euch eurer vorigen Gewohnheit, durch eine neue, zu entziehn, Und euch bestreben, euer bald zu flüchtig-bald zu träges Denken Oft auf die Vorwürf eurer Sinnen, und eure Sinnen selbst zu lenken. Jhr dürft nur, wenn ihr etwas schmeckt: es schmeckt schön, zu euch selber fagen. Wenn ihr was seht, was seh ich hier? wenn ihr was hört: was hör ich? fragen. So bald wir nun auf solche Weise, was wir geniessen, recht geniessen,
Auf
Sinnen-Schule.
Wenn, mit den herrſchenden Gedanken, ein ſonſt beſchaͤfftigtes Gemuͤth Von ihnen abgeſondert iſt. Ach! liebſte Menſchen, lernet dann, Da man, mit unvereinten Geiſt und Sinnen, hier ſich nicht vergnuͤgen, Des Schoͤpfers Allmacht nicht bewundern, und ihm unmoͤg- lich danken kann, Mit allem Ernſt von Jugend auf, die Sinnen mit dem Geiſt zu fuͤgen!
Jn Kindern ſtecket noch ein Trieb, die Creaturen anzuſehn, Und ihre Schoͤnheit zu bewundern, Figur und Farben zu er- wegen. Wir aber unterdruͤcken ihn, da wir ſie zu verlachen pflegen, Und laſſen den ſo edlen Samen dadurch in ihnen untergehn. Hingegen wenn wir durch Exempel, wenn wir des Schoͤpfers Werk bemerkten, Den ihnen angebohrnen Trieb nicht unterdruͤckten, ſondern ſtaͤrkten, Wir wuͤrden eine neue Welt, die ſich, an Gottes Wunder-Gaben, Auf Adams Art vor ſeinem Fall, ergetzete, zu hoffen haben.
Es iſt nicht ſchwer, ihr duͤrfet nur, mit Ernſt, euch allge- mach bemuͤhn, Euch eurer vorigen Gewohnheit, durch eine neue, zu entziehn, Und euch beſtreben, euer bald zu fluͤchtig-bald zu traͤges Denken Oft auf die Vorwuͤrf eurer Sinnen, und eure Sinnen ſelbſt zu lenken. Jhr duͤrft nur, wenn ihr etwas ſchmeckt: es ſchmeckt ſchoͤn, zu euch ſelber fagen. Wenn ihr was ſeht, was ſeh ich hier? wenn ihr was hoͤrt: was hoͤr ich? fragen. So bald wir nun auf ſolche Weiſe, was wir genieſſen, recht genieſſen,
Auf
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Sinnen-Schule.
Wenn, mit den herrſchenden Gedanken, ein ſonſt beſchaͤfftigtes
Gemuͤth
Von ihnen abgeſondert iſt. Ach! liebſte Menſchen, lernet dann,
Da man, mit unvereinten Geiſt und Sinnen, hier ſich nicht
vergnuͤgen,
Des Schoͤpfers Allmacht nicht bewundern, und ihm unmoͤg-
lich danken kann,
Mit allem Ernſt von Jugend auf, die Sinnen mit dem Geiſt
zu fuͤgen!
Jn Kindern ſtecket noch ein Trieb, die Creaturen anzuſehn,
Und ihre Schoͤnheit zu bewundern, Figur und Farben zu er-
wegen.
Wir aber unterdruͤcken ihn, da wir ſie zu verlachen pflegen,
Und laſſen den ſo edlen Samen dadurch in ihnen untergehn.
Hingegen wenn wir durch Exempel, wenn wir des Schoͤpfers
Werk bemerkten,
Den ihnen angebohrnen Trieb nicht unterdruͤckten, ſondern
ſtaͤrkten,
Wir wuͤrden eine neue Welt, die ſich, an Gottes Wunder-Gaben,
Auf Adams Art vor ſeinem Fall, ergetzete, zu hoffen haben.
Es iſt nicht ſchwer, ihr duͤrfet nur, mit Ernſt, euch allge-
mach bemuͤhn,
Euch eurer vorigen Gewohnheit, durch eine neue, zu entziehn,
Und euch beſtreben, euer bald zu fluͤchtig-bald zu traͤges Denken
Oft auf die Vorwuͤrf eurer Sinnen, und eure Sinnen ſelbſt
zu lenken.
Jhr duͤrft nur, wenn ihr etwas ſchmeckt: es ſchmeckt ſchoͤn,
zu euch ſelber fagen.
Wenn ihr was ſeht, was ſeh ich hier? wenn ihr was hoͤrt:
was hoͤr ich? fragen.
So bald wir nun auf ſolche Weiſe, was wir genieſſen, recht
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 274. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/298>, abgerufen am 25.11.2024.
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