Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Gebrauch der Sinne.
Und zwinget ihn der Ordnung Gottes, die will, man soll auf
Erden leben,
Man soll sich seiner Huld hier freun, man soll sein herrlich
Lob erheben,

Theils durch Gewohnheit, theils Exempel verführet, stets zu-
wider streben,

Und alle Kräfte anzuwenden, hier reich und selig dort zu seyn;
Als wären wir, zu solchem Endzweck und in der Absicht bloß
allein,

Auf diese Welt gesetzet worden, daß wir, als wären wir nicht
hier,

Nicht sehen müßten, was wir sehn, und das nicht hören, was
wir hören.

Wenn man der Menschen Thun erweget: So scheint es recht,
als meynten wir,

Gott sey nur in der künftgen Welt, in dieser gar nicht, zu
verehren.

Wenn Gott von uns, nur bloß aufs Künftge zu denken, hätte
haben wollen;

Wozu denn hätten seine Werke, nebst unsern Sinnen, dienen
sollen?

Wer heißt uns so aufs Künftge denken, daß wir der Gegen-
wart vergessen,

Und Gottes Liebe, Weisheit, Macht, auf Erden, drüber nicht
ermessen?

Auf Erden hat er uns gesetzt. Wir wollen nicht auf Erden
leben.

Wir würden, wenn wir fliegen könnten, gewiß uns von der
Erden heben.

Heißt dieses nicht des Schöpfers Ordnung recht augenschein-
lich widerstreben?
Da,

Gebrauch der Sinne.
Und zwinget ihn der Ordnung Gottes, die will, man ſoll auf
Erden leben,
Man ſoll ſich ſeiner Huld hier freun, man ſoll ſein herrlich
Lob erheben,

Theils durch Gewohnheit, theils Exempel verfuͤhret, ſtets zu-
wider ſtreben,

Und alle Kraͤfte anzuwenden, hier reich und ſelig dort zu ſeyn;
Als waͤren wir, zu ſolchem Endzweck und in der Abſicht bloß
allein,

Auf dieſe Welt geſetzet worden, daß wir, als waͤren wir nicht
hier,

Nicht ſehen muͤßten, was wir ſehn, und das nicht hoͤren, was
wir hoͤren.

Wenn man der Menſchen Thun erweget: So ſcheint es recht,
als meynten wir,

Gott ſey nur in der kuͤnftgen Welt, in dieſer gar nicht, zu
verehren.

Wenn Gott von uns, nur bloß aufs Kuͤnftge zu denken, haͤtte
haben wollen;

Wozu denn haͤtten ſeine Werke, nebſt unſern Sinnen, dienen
ſollen?

Wer heißt uns ſo aufs Kuͤnftge denken, daß wir der Gegen-
wart vergeſſen,

Und Gottes Liebe, Weisheit, Macht, auf Erden, druͤber nicht
ermeſſen?

Auf Erden hat er uns geſetzt. Wir wollen nicht auf Erden
leben.

Wir wuͤrden, wenn wir fliegen koͤnnten, gewiß uns von der
Erden heben.

Heißt dieſes nicht des Schoͤpfers Ordnung recht augenſchein-
lich widerſtreben?
Da,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="9">
            <l><pb facs="#f0290" n="266"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Gebrauch der Sinne.</hi></fw><lb/>
Und zwinget ihn der Ordnung Gottes, die will, man &#x017F;oll auf<lb/><hi rendition="#et">Erden leben,</hi></l><lb/>
            <l>Man &#x017F;oll &#x017F;ich &#x017F;einer Huld hier freun, man &#x017F;oll &#x017F;ein herrlich<lb/><hi rendition="#et">Lob erheben,</hi></l><lb/>
            <l>Theils durch Gewohnheit, theils Exempel verfu&#x0364;hret, &#x017F;tets zu-<lb/><hi rendition="#et">wider &#x017F;treben,</hi></l><lb/>
            <l>Und alle Kra&#x0364;fte anzuwenden, hier reich und &#x017F;elig dort zu &#x017F;eyn;</l><lb/>
            <l>Als wa&#x0364;ren wir, zu &#x017F;olchem Endzweck und in der Ab&#x017F;icht bloß<lb/><hi rendition="#et">allein,</hi></l><lb/>
            <l>Auf die&#x017F;e Welt ge&#x017F;etzet worden, daß wir, als wa&#x0364;ren wir nicht<lb/><hi rendition="#et">hier,</hi></l><lb/>
            <l>Nicht &#x017F;ehen mu&#x0364;ßten, was wir &#x017F;ehn, und das nicht ho&#x0364;ren, was<lb/><hi rendition="#et">wir ho&#x0364;ren.</hi></l>
          </lg><lb/>
          <lg n="10">
            <l>Wenn man der Men&#x017F;chen Thun erweget: So &#x017F;cheint es recht,<lb/><hi rendition="#et">als meynten wir,</hi></l><lb/>
            <l>Gott &#x017F;ey nur in der ku&#x0364;nftgen Welt, in die&#x017F;er gar nicht, zu<lb/><hi rendition="#et">verehren.</hi></l><lb/>
            <l>Wenn Gott von uns, nur bloß aufs Ku&#x0364;nftge zu denken, ha&#x0364;tte<lb/><hi rendition="#et">haben wollen;</hi></l><lb/>
            <l>Wozu denn ha&#x0364;tten &#x017F;eine Werke, neb&#x017F;t un&#x017F;ern Sinnen, dienen<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;ollen?</hi></l><lb/>
            <l>Wer heißt uns &#x017F;o aufs Ku&#x0364;nftge denken, daß wir der Gegen-<lb/><hi rendition="#et">wart verge&#x017F;&#x017F;en,</hi></l><lb/>
            <l>Und Gottes Liebe, Weisheit, Macht, auf Erden, dru&#x0364;ber nicht<lb/><hi rendition="#et">erme&#x017F;&#x017F;en?</hi></l><lb/>
            <l>Auf Erden hat er uns ge&#x017F;etzt. Wir wollen nicht auf Erden<lb/><hi rendition="#et">leben.</hi></l><lb/>
            <l>Wir wu&#x0364;rden, wenn wir fliegen ko&#x0364;nnten, gewiß uns von der<lb/><hi rendition="#et">Erden heben.</hi></l><lb/>
            <l>Heißt die&#x017F;es nicht des Scho&#x0364;pfers Ordnung recht augen&#x017F;chein-<lb/><hi rendition="#et">lich wider&#x017F;treben?</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Da,</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[266/0290] Gebrauch der Sinne. Und zwinget ihn der Ordnung Gottes, die will, man ſoll auf Erden leben, Man ſoll ſich ſeiner Huld hier freun, man ſoll ſein herrlich Lob erheben, Theils durch Gewohnheit, theils Exempel verfuͤhret, ſtets zu- wider ſtreben, Und alle Kraͤfte anzuwenden, hier reich und ſelig dort zu ſeyn; Als waͤren wir, zu ſolchem Endzweck und in der Abſicht bloß allein, Auf dieſe Welt geſetzet worden, daß wir, als waͤren wir nicht hier, Nicht ſehen muͤßten, was wir ſehn, und das nicht hoͤren, was wir hoͤren. Wenn man der Menſchen Thun erweget: So ſcheint es recht, als meynten wir, Gott ſey nur in der kuͤnftgen Welt, in dieſer gar nicht, zu verehren. Wenn Gott von uns, nur bloß aufs Kuͤnftge zu denken, haͤtte haben wollen; Wozu denn haͤtten ſeine Werke, nebſt unſern Sinnen, dienen ſollen? Wer heißt uns ſo aufs Kuͤnftge denken, daß wir der Gegen- wart vergeſſen, Und Gottes Liebe, Weisheit, Macht, auf Erden, druͤber nicht ermeſſen? Auf Erden hat er uns geſetzt. Wir wollen nicht auf Erden leben. Wir wuͤrden, wenn wir fliegen koͤnnten, gewiß uns von der Erden heben. Heißt dieſes nicht des Schoͤpfers Ordnung recht augenſchein- lich widerſtreben? Da,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/290
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 266. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/290>, abgerufen am 24.11.2024.