Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.Das Rennthier. Das Rennthier. Mein erfrorner Blick erstarrt, da ich wahres Eis, auch Schnee, Und von Eis - Gebirg - und Schollen, alles hier erfüllet, seh. Mich verblendet diese Weisse, die die schwarze Luft noch stärkt, Daß mein Auge kaum die Stralen der entfernten Sonne merkt, Welche, mit gefärbten Streifen, die beeiste Luft vergüldet. Wird denn hier, durch Schwärz und Schatten, Schnee und Glanz und Licht gebildet? Doch was fährt daher? ein Rennthier. Möchte doch auch dieß gefrieren, Daß ich es betrachten könnte! Gut. Es starrt, es stehet still, Und, als ob es sich von uns recht beschauen lassen will, Scheinet es, zum fernern Lauf, alle Kräfte zu verlieren. Welch ein stark und rasches Thier! welch ein prächtiges Geweih, Das sich vorn und hinten streckt! wie ein Pferd ist es gemähnet, Einem Kalbe gleicht sein Haupt. Einige sind wild und frey; Andere sind, uns zum Dienst, zahm, und sonderbar gewöhnet. Dieses Thier nun zu erhalten, sind die Kosten gar nicht groß, Denn es kratzt, zu seiner Nahrung, ein verworfnes weisses Mooß, Das in öden Feldern wächst, selber unterm Schnee, herfür, Und dennoch sind Fleisch und Haut, Knochen, Sehnen, Milch und Haar, Allesamt dem Menschen nützlich. Wird denn, auch in diesem Thier, Seines Schöpfers Weisheit, Allmacht, samt der Huld, nicht offenbar? Das Q 3
Das Rennthier. Das Rennthier. Mein erfrorner Blick erſtarrt, da ich wahres Eis, auch Schnee, Und von Eis - Gebirg - und Schollen, alles hier erfuͤllet, ſeh. Mich verblendet dieſe Weiſſe, die die ſchwarze Luft noch ſtaͤrkt, Daß mein Auge kaum die Stralen der entfernten Sonne merkt, Welche, mit gefaͤrbten Streifen, die beeiſte Luft verguͤldet. Wird denn hier, durch Schwaͤrz und Schatten, Schnee und Glanz und Licht gebildet? Doch was faͤhrt daher? ein Rennthier. Moͤchte doch auch dieß gefrieren, Daß ich es betrachten koͤnnte! Gut. Es ſtarrt, es ſtehet ſtill, Und, als ob es ſich von uns recht beſchauen laſſen will, Scheinet es, zum fernern Lauf, alle Kraͤfte zu verlieren. Welch ein ſtark und raſches Thier! welch ein praͤchtiges Geweih, Das ſich vorn und hinten ſtreckt! wie ein Pferd iſt es gemaͤhnet, Einem Kalbe gleicht ſein Haupt. Einige ſind wild und frey; Andere ſind, uns zum Dienſt, zahm, und ſonderbar gewoͤhnet. Dieſes Thier nun zu erhalten, ſind die Koſten gar nicht groß, Denn es kratzt, zu ſeiner Nahrung, ein verworfnes weiſſes Mooß, Das in oͤden Feldern waͤchſt, ſelber unterm Schnee, herfuͤr, Und dennoch ſind Fleiſch und Haut, Knochen, Sehnen, Milch und Haar, Alleſamt dem Menſchen nuͤtzlich. Wird denn, auch in dieſem Thier, Seines Schoͤpfers Weisheit, Allmacht, ſamt der Huld, nicht offenbar? Das Q 3
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Das Rennthier.
Das Rennthier.
Mein erfrorner Blick erſtarrt, da ich wahres Eis, auch
Schnee,
Und von Eis - Gebirg - und Schollen, alles hier erfuͤllet, ſeh.
Mich verblendet dieſe Weiſſe, die die ſchwarze Luft noch ſtaͤrkt,
Daß mein Auge kaum die Stralen der entfernten Sonne
merkt,
Welche, mit gefaͤrbten Streifen, die beeiſte Luft verguͤldet.
Wird denn hier, durch Schwaͤrz und Schatten, Schnee und
Glanz und Licht gebildet?
Doch was faͤhrt daher? ein Rennthier. Moͤchte doch auch
dieß gefrieren,
Daß ich es betrachten koͤnnte! Gut. Es ſtarrt, es ſtehet ſtill,
Und, als ob es ſich von uns recht beſchauen laſſen will,
Scheinet es, zum fernern Lauf, alle Kraͤfte zu verlieren.
Welch ein ſtark und raſches Thier! welch ein praͤchtiges
Geweih,
Das ſich vorn und hinten ſtreckt! wie ein Pferd iſt es gemaͤhnet,
Einem Kalbe gleicht ſein Haupt. Einige ſind wild und frey;
Andere ſind, uns zum Dienſt, zahm, und ſonderbar gewoͤhnet.
Dieſes Thier nun zu erhalten, ſind die Koſten gar nicht groß,
Denn es kratzt, zu ſeiner Nahrung, ein verworfnes weiſſes Mooß,
Das in oͤden Feldern waͤchſt, ſelber unterm Schnee, herfuͤr,
Und dennoch ſind Fleiſch und Haut, Knochen, Sehnen, Milch
und Haar,
Alleſamt dem Menſchen nuͤtzlich. Wird denn, auch in dieſem
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Seines Schoͤpfers Weisheit, Allmacht, ſamt der Huld, nicht
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