Auf der allerhöchsten Berge gähen Wipfel führst du mich, Edler Ridinger, hinauf; Blick und Geist muß mit dir steigen, Wo kein Fuß je hingekommen, um mir, was auch dorten sich Vor Geschöpfe finden lassen, ihrem Herrn zum Ruhm, zu zeigen. Hier, noch höher als die Wolken, wird uns eine neue Welt, Voller neuen Creaturen, in den Gemsen vorgestellt.
Soll ich erst die steilen Klippen, ihre Spalten, ihre Klüfte, Jhre fürchterlichen Tiefen, die geborstnen dunklen Grüfte; Oder erst die kühnen Bürger dieser unwirthbaren Höhn, Dieses Licht-und Schatten-Reichs, dieser Felsen-Welt besehn? Beyde läßt dein Zaubergriffel, sondre Schwindel, ohne Grauen, Uns, auf einem Blatt Papier, voller Lust und Ehrfurcht, schauen. Dieß Papier ist ganz beschrieben, und mit Lettern ausgeziert, Wozu dir selbst die Natur, durch die Kunst, die Hand geführt. Diese Schrift ist leserlich; jeder kann den Jnhalt fassen; Daß der Schöpfer überall sich nicht unbezeugt gelassen. Auch auf unersteiglichen unwegbaren schroffen Höhn, Sind, in tausend Wunderdingen, Gottes Wunder anzusehn.
Die
P 4
Die Gemſen
Die Gemſen.
Auf der allerhoͤchſten Berge gaͤhen Wipfel fuͤhrſt du mich, Edler Ridinger, hinauf; Blick und Geiſt muß mit dir ſteigen, Wo kein Fuß je hingekommen, um mir, was auch dorten ſich Vor Geſchoͤpfe finden laſſen, ihrem Herrn zum Ruhm, zu zeigen. Hier, noch hoͤher als die Wolken, wird uns eine neue Welt, Voller neuen Creaturen, in den Gemſen vorgeſtellt.
Soll ich erſt die ſteilen Klippen, ihre Spalten, ihre Kluͤfte, Jhre fuͤrchterlichen Tiefen, die geborſtnen dunklen Gruͤfte; Oder erſt die kuͤhnen Buͤrger dieſer unwirthbaren Hoͤhn, Dieſes Licht-und Schatten-Reichs, dieſer Felſen-Welt beſehn? Beyde laͤßt dein Zaubergriffel, ſondre Schwindel, ohne Grauen, Uns, auf einem Blatt Papier, voller Luſt und Ehrfurcht, ſchauen. Dieß Papier iſt ganz beſchrieben, und mit Lettern ausgeziert, Wozu dir ſelbſt die Natur, durch die Kunſt, die Hand gefuͤhrt. Dieſe Schrift iſt leſerlich; jeder kann den Jnhalt faſſen; Daß der Schoͤpfer uͤberall ſich nicht unbezeugt gelaſſen. Auch auf unerſteiglichen unwegbaren ſchroffen Hoͤhn, Sind, in tauſend Wunderdingen, Gottes Wunder anzuſehn.
Die
P 4
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0255"n="231"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">Die Gemſen</hi></fw><lb/><divn="2"><head><hirendition="#b">Die Gemſen.</hi></head><lb/><lgn="3"><l><hirendition="#in">A</hi>uf der allerhoͤchſten Berge gaͤhen Wipfel fuͤhrſt du mich,</l><lb/><l>Edler Ridinger, hinauf; Blick und Geiſt muß mit dir<lb/><hirendition="#et">ſteigen,</hi></l><lb/><l>Wo kein Fuß je hingekommen, um mir, was auch dorten ſich</l><lb/><l>Vor Geſchoͤpfe finden laſſen, ihrem Herrn zum Ruhm, zu zeigen.</l><lb/><l>Hier, noch hoͤher als die Wolken, wird uns eine neue Welt,</l><lb/><l>Voller neuen Creaturen, in den Gemſen vorgeſtellt.</l></lg><lb/><lgn="4"><l>Soll ich erſt die ſteilen Klippen, ihre Spalten, ihre Kluͤfte,</l><lb/><l>Jhre fuͤrchterlichen Tiefen, die geborſtnen dunklen Gruͤfte;</l><lb/><l>Oder erſt die kuͤhnen Buͤrger dieſer unwirthbaren Hoͤhn,</l><lb/><l>Dieſes Licht-und Schatten-Reichs, dieſer Felſen-Welt beſehn?</l><lb/><l>Beyde laͤßt dein Zaubergriffel, ſondre Schwindel, ohne Grauen,</l><lb/><l>Uns, auf einem Blatt Papier, voller Luſt und Ehrfurcht,<lb/><hirendition="#et">ſchauen.</hi></l><lb/><l>Dieß Papier iſt ganz beſchrieben, und mit Lettern ausgeziert,</l><lb/><l>Wozu dir ſelbſt die Natur, durch die Kunſt, die Hand gefuͤhrt.</l><lb/><l>Dieſe Schrift iſt leſerlich; jeder kann den Jnhalt faſſen;</l><lb/><l>Daß der Schoͤpfer uͤberall ſich nicht unbezeugt gelaſſen.</l><lb/><l>Auch auf unerſteiglichen unwegbaren ſchroffen Hoͤhn,</l><lb/><l>Sind, in tauſend Wunderdingen, Gottes Wunder anzuſehn.</l></lg></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/><fwplace="bottom"type="sig">P 4</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Die</hi></fw><lb/></div></body></text></TEI>
[231/0255]
Die Gemſen
Die Gemſen.
Auf der allerhoͤchſten Berge gaͤhen Wipfel fuͤhrſt du mich,
Edler Ridinger, hinauf; Blick und Geiſt muß mit dir
ſteigen,
Wo kein Fuß je hingekommen, um mir, was auch dorten ſich
Vor Geſchoͤpfe finden laſſen, ihrem Herrn zum Ruhm, zu zeigen.
Hier, noch hoͤher als die Wolken, wird uns eine neue Welt,
Voller neuen Creaturen, in den Gemſen vorgeſtellt.
Soll ich erſt die ſteilen Klippen, ihre Spalten, ihre Kluͤfte,
Jhre fuͤrchterlichen Tiefen, die geborſtnen dunklen Gruͤfte;
Oder erſt die kuͤhnen Buͤrger dieſer unwirthbaren Hoͤhn,
Dieſes Licht-und Schatten-Reichs, dieſer Felſen-Welt beſehn?
Beyde laͤßt dein Zaubergriffel, ſondre Schwindel, ohne Grauen,
Uns, auf einem Blatt Papier, voller Luſt und Ehrfurcht,
ſchauen.
Dieß Papier iſt ganz beſchrieben, und mit Lettern ausgeziert,
Wozu dir ſelbſt die Natur, durch die Kunſt, die Hand gefuͤhrt.
Dieſe Schrift iſt leſerlich; jeder kann den Jnhalt faſſen;
Daß der Schoͤpfer uͤberall ſich nicht unbezeugt gelaſſen.
Auch auf unerſteiglichen unwegbaren ſchroffen Hoͤhn,
Sind, in tauſend Wunderdingen, Gottes Wunder anzuſehn.
Die
P 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 231. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/255>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.