Kann man den ein Grunzen sehn? Kann uns eine Wü- steney, Die nicht gegenwärtig, schrecken? Daß dieß beydes nützlich sey, Kann uns dieses Blatt entdecken. Lebt nicht diese Bache fast? decket sie nicht so natürlich, Und so sorgsam ihre Zucht, die halb wild und halb poßirlich? Solche Wunder wirkt die Kunst. Aber laßt uns die Copey Zu dem Urbild, der Natur, diese, zu dem Schöpfer leiten, Jhn zu ehren, als die Quell der erschaffnen Seltenheiten.
2.
Seh ich hier die wilden Käuler, durch verworrne Hecken, dringen; Seh ich sie in schneller Fahrt so ergrimmt als flüchtig springen: Kann mein Blick kaum stille stehn, sondern eilt mit ihnen fort, Und mich deucht, ich hör zugleich Grunzen, Rascheln, Schreyen, Schnaufen. Aber seh ich ungefehr die gezackten Fichten dort, Jn so wirklicher Gestalt: Stutz ich, und laß jene laufen, Dem, der alles schafft, zum Ruhm, seh ich hier, in Thier und Sträuchen, Eine künstliche Copey der Natur, in zweyen Reichen.
3.
Kann man sich auch ohn Gefahr zu den wilden Hauern wagen, Die hier recht lebendig scheinen, und so scharfe Waffen tragen? Ja, der eine schläft, der andre reibt sich grunzend; wag es nur, Tritt nur näher, und beschaue die natürliche Figur
Die-
Ueber wilde Schweine
Ueber wilde Schweine.
1.
Kann man den ein Grunzen ſehn? Kann uns eine Wuͤ- ſteney, Die nicht gegenwaͤrtig, ſchrecken? Daß dieß beydes nuͤtzlich ſey, Kann uns dieſes Blatt entdecken. Lebt nicht dieſe Bache faſt? decket ſie nicht ſo natuͤrlich, Und ſo ſorgſam ihre Zucht, die halb wild und halb poßirlich? Solche Wunder wirkt die Kunſt. Aber laßt uns die Copey Zu dem Urbild, der Natur, dieſe, zu dem Schoͤpfer leiten, Jhn zu ehren, als die Quell der erſchaffnen Seltenheiten.
2.
Seh ich hier die wilden Kaͤuler, durch verworrne Hecken, dringen; Seh ich ſie in ſchneller Fahrt ſo ergrimmt als fluͤchtig ſpringen: Kann mein Blick kaum ſtille ſtehn, ſondern eilt mit ihnen fort, Und mich deucht, ich hoͤr zugleich Grunzen, Raſcheln, Schreyen, Schnaufen. Aber ſeh ich ungefehr die gezackten Fichten dort, Jn ſo wirklicher Geſtalt: Stutz ich, und laß jene laufen, Dem, der alles ſchafft, zum Ruhm, ſeh ich hier, in Thier und Straͤuchen, Eine kuͤnſtliche Copey der Natur, in zweyen Reichen.
3.
Kann man ſich auch ohn Gefahr zu den wilden Hauern wagen, Die hier recht lebendig ſcheinen, und ſo ſcharfe Waffen tragen? Ja, der eine ſchlaͤft, der andre reibt ſich grunzend; wag es nur, Tritt nur naͤher, und beſchaue die natuͤrliche Figur
Die-
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Ueber wilde Schweine
Ueber wilde Schweine.
1.
Kann man den ein Grunzen ſehn? Kann uns eine Wuͤ-
ſteney,
Die nicht gegenwaͤrtig, ſchrecken?
Daß dieß beydes nuͤtzlich ſey,
Kann uns dieſes Blatt entdecken.
Lebt nicht dieſe Bache faſt? decket ſie nicht ſo natuͤrlich,
Und ſo ſorgſam ihre Zucht, die halb wild und halb poßirlich?
Solche Wunder wirkt die Kunſt. Aber laßt uns die Copey
Zu dem Urbild, der Natur, dieſe, zu dem Schoͤpfer leiten,
Jhn zu ehren, als die Quell der erſchaffnen Seltenheiten.
2.
Seh ich hier die wilden Kaͤuler, durch verworrne Hecken, dringen;
Seh ich ſie in ſchneller Fahrt ſo ergrimmt als fluͤchtig ſpringen:
Kann mein Blick kaum ſtille ſtehn, ſondern eilt mit ihnen fort,
Und mich deucht, ich hoͤr zugleich Grunzen, Raſcheln, Schreyen,
Schnaufen.
Aber ſeh ich ungefehr die gezackten Fichten dort,
Jn ſo wirklicher Geſtalt: Stutz ich, und laß jene laufen,
Dem, der alles ſchafft, zum Ruhm, ſeh ich hier, in Thier und
Straͤuchen,
Eine kuͤnſtliche Copey der Natur, in zweyen Reichen.
3.
Kann man ſich auch ohn Gefahr zu den wilden Hauern wagen,
Die hier recht lebendig ſcheinen, und ſo ſcharfe Waffen tragen?
Ja, der eine ſchlaͤft, der andre reibt ſich grunzend; wag es nur,
Tritt nur naͤher, und beſchaue die natuͤrliche Figur
Die-
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 226. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/250>, abgerufen am 21.11.2024.
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