Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite
Das dauerhafte Grün.
Es steckt in Stämmen eine Kraft,
Was besseres hervorzubringen,
Doch, in Ermangelung von Saft,
Kann ihm die Arbeit nicht gelingen;
Woraus von Farb und von Figur
Denn nichts, als Misgeburten nur,
Verworrene Gewächs, entspringen.
Er schiene gar sich nicht zu schämen,
Hieraus auf andre Dinge mehr
Noch ferneren Beweis zu nehmen.
Allein, mein lieber P - - hör:
Hat sich der Bäume Nahrungssaft,
Der sie zum Wachsthum nährlich tränket,
Und ihre sich vermehrnde Kraft
Dem Stamm von selbst sich eingesenket?
Kann es von ungefähr geschehn,
Daß Blätter, Blüht und Frucht entstehn?
Wenn nun, so wie du scheinst zu wollen,
Auch gleich was anders kommen sollen,
Und etwan aus der trocknen Rinde,
Aus Mangel, nichts, als Mooß, entstünde:
So sieht man doch, da dessen Zier,
Die nicht nur unser Aug ergetzt,
Und uns oft in Verwundrung setzt,
Nein, auch so gar den Stamm beschützet,
Und auch in Arzeneyen nützet,
Daß sich die Mühe nicht verlier;
Vielmehr, daß die Natur geschäfftig,
Und auch, wenn sie geschwächt, doch kräftig,
Zu viel - und unterschiednen Dingen,
Was nützliches hervorzubringen,
Und
Das dauerhafte Gruͤn.
Es ſteckt in Staͤmmen eine Kraft,
Was beſſeres hervorzubringen,
Doch, in Ermangelung von Saft,
Kann ihm die Arbeit nicht gelingen;
Woraus von Farb und von Figur
Denn nichts, als Misgeburten nur,
Verworrene Gewaͤchs, entſpringen.
Er ſchiene gar ſich nicht zu ſchaͤmen,
Hieraus auf andre Dinge mehr
Noch ferneren Beweis zu nehmen.
Allein, mein lieber P - - hoͤr:
Hat ſich der Baͤume Nahrungsſaft,
Der ſie zum Wachsthum naͤhrlich traͤnket,
Und ihre ſich vermehrnde Kraft
Dem Stamm von ſelbſt ſich eingeſenket?
Kann es von ungefaͤhr geſchehn,
Daß Blaͤtter, Bluͤht und Frucht entſtehn?
Wenn nun, ſo wie du ſcheinſt zu wollen,
Auch gleich was anders kommen ſollen,
Und etwan aus der trocknen Rinde,
Aus Mangel, nichts, als Mooß, entſtuͤnde:
So ſieht man doch, da deſſen Zier,
Die nicht nur unſer Aug ergetzt,
Und uns oft in Verwundrung ſetzt,
Nein, auch ſo gar den Stamm beſchuͤtzet,
Und auch in Arzeneyen nuͤtzet,
Daß ſich die Muͤhe nicht verlier;
Vielmehr, daß die Natur geſchaͤfftig,
Und auch, wenn ſie geſchwaͤcht, doch kraͤftig,
Zu viel - und unterſchiednen Dingen,
Was nuͤtzliches hervorzubringen,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0218" n="194"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Das dauerhafte Gru&#x0364;n.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="37">
            <l>Es &#x017F;teckt in Sta&#x0364;mmen eine Kraft,</l><lb/>
            <l>Was be&#x017F;&#x017F;eres hervorzubringen,</l><lb/>
            <l>Doch, in Ermangelung von Saft,</l><lb/>
            <l>Kann ihm die Arbeit nicht gelingen;</l><lb/>
            <l>Woraus von Farb und von Figur</l><lb/>
            <l>Denn nichts, als Misgeburten nur,</l><lb/>
            <l>Verworrene Gewa&#x0364;chs, ent&#x017F;pringen.</l><lb/>
            <l>Er &#x017F;chiene gar &#x017F;ich nicht zu &#x017F;cha&#x0364;men,</l><lb/>
            <l>Hieraus auf andre Dinge mehr</l><lb/>
            <l>Noch ferneren Beweis zu nehmen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="38">
            <l>Allein, mein lieber P - - ho&#x0364;r:</l><lb/>
            <l>Hat &#x017F;ich der Ba&#x0364;ume Nahrungs&#x017F;aft,</l><lb/>
            <l>Der &#x017F;ie zum Wachsthum na&#x0364;hrlich tra&#x0364;nket,</l><lb/>
            <l>Und ihre &#x017F;ich vermehrnde Kraft</l><lb/>
            <l>Dem Stamm von &#x017F;elb&#x017F;t &#x017F;ich einge&#x017F;enket?</l><lb/>
            <l>Kann es von ungefa&#x0364;hr ge&#x017F;chehn,</l><lb/>
            <l>Daß Bla&#x0364;tter, Blu&#x0364;ht und Frucht ent&#x017F;tehn?</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="39">
            <l>Wenn nun, &#x017F;o wie du &#x017F;chein&#x017F;t zu wollen,</l><lb/>
            <l>Auch gleich was anders kommen &#x017F;ollen,</l><lb/>
            <l>Und etwan aus der trocknen Rinde,</l><lb/>
            <l>Aus Mangel, nichts, als Mooß, ent&#x017F;tu&#x0364;nde:</l><lb/>
            <l>So &#x017F;ieht man doch, da de&#x017F;&#x017F;en Zier,</l><lb/>
            <l>Die nicht nur un&#x017F;er Aug ergetzt,</l><lb/>
            <l>Und uns oft in Verwundrung &#x017F;etzt,</l><lb/>
            <l>Nein, auch &#x017F;o gar den Stamm be&#x017F;chu&#x0364;tzet,</l><lb/>
            <l>Und auch in Arzeneyen nu&#x0364;tzet,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ich die Mu&#x0364;he nicht verlier;</l><lb/>
            <l>Vielmehr, daß die Natur ge&#x017F;cha&#x0364;fftig,</l><lb/>
            <l>Und auch, wenn &#x017F;ie ge&#x017F;chwa&#x0364;cht, doch kra&#x0364;ftig,</l><lb/>
            <l>Zu viel - und unter&#x017F;chiednen Dingen,</l><lb/>
            <l>Was nu&#x0364;tzliches hervorzubringen,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0218] Das dauerhafte Gruͤn. Es ſteckt in Staͤmmen eine Kraft, Was beſſeres hervorzubringen, Doch, in Ermangelung von Saft, Kann ihm die Arbeit nicht gelingen; Woraus von Farb und von Figur Denn nichts, als Misgeburten nur, Verworrene Gewaͤchs, entſpringen. Er ſchiene gar ſich nicht zu ſchaͤmen, Hieraus auf andre Dinge mehr Noch ferneren Beweis zu nehmen. Allein, mein lieber P - - hoͤr: Hat ſich der Baͤume Nahrungsſaft, Der ſie zum Wachsthum naͤhrlich traͤnket, Und ihre ſich vermehrnde Kraft Dem Stamm von ſelbſt ſich eingeſenket? Kann es von ungefaͤhr geſchehn, Daß Blaͤtter, Bluͤht und Frucht entſtehn? Wenn nun, ſo wie du ſcheinſt zu wollen, Auch gleich was anders kommen ſollen, Und etwan aus der trocknen Rinde, Aus Mangel, nichts, als Mooß, entſtuͤnde: So ſieht man doch, da deſſen Zier, Die nicht nur unſer Aug ergetzt, Und uns oft in Verwundrung ſetzt, Nein, auch ſo gar den Stamm beſchuͤtzet, Und auch in Arzeneyen nuͤtzet, Daß ſich die Muͤhe nicht verlier; Vielmehr, daß die Natur geſchaͤfftig, Und auch, wenn ſie geſchwaͤcht, doch kraͤftig, Zu viel - und unterſchiednen Dingen, Was nuͤtzliches hervorzubringen, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/218
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/218>, abgerufen am 13.05.2024.