Jn einer fremden Augenweide, Halb silberne, halb güldne Bäume sieht.
Das Buschwerk war nicht minder rauh und dicht, Man sah durch sie die Luft (durch sie verdecket) nicht. Da aber, wo der Morgenröthe Gluht Durch nicht so dichte Stellen bricht, Erblickt man einen Glanz, an Farb, als Schnecken-Blut, Ein purpurfarbnes Licht, Durch Millionen Theil des luckern Reiffes dringen, Und von der glatten Fläch derselben rückwerts springen, Entflammt und bunt gefärbt, Die den getroffnen Blick, mit tausend Stralen, rühren, Und unsern Geist, mit höchster Billigkeit, Zu ihrer näheren Beschaffenheit, Und in derselben uns, zum Lobe Gottes, führen.
Da ich den luckern Reif nun nahe, Und mit Aufmerksamkeit der Spitzen Heer besahe: Entsetzet ich mich fast, da ich in ihnen Spuren, Von Blätter-förmigen Figuren, Ja wirklich Blätterchen, aus zartem Eis, erblickte, Davon ein jedes mir in meinen Sinn Verwunderung und Andacht drückte.
Woher, gedacht ich, nimmt doch die Natur, Jn ihnen, die so zierliche Figur? Kann denn aus Nebel und aus Dunst, Mit so unnachahmbarer Kunst, Sie so beträchtliche, so viele Zierlichkeiten, Ja selber Blätterchen, bereiten? Wodurch muß dieses doch geschehn?
Ob
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Winter-Betrachtung.
Jn einer fremden Augenweide, Halb ſilberne, halb guͤldne Baͤume ſieht.
Das Buſchwerk war nicht minder rauh und dicht, Man ſah durch ſie die Luft (durch ſie verdecket) nicht. Da aber, wo der Morgenroͤthe Gluht Durch nicht ſo dichte Stellen bricht, Erblickt man einen Glanz, an Farb, als Schnecken-Blut, Ein purpurfarbnes Licht, Durch Millionen Theil des luckern Reiffes dringen, Und von der glatten Flaͤch derſelben ruͤckwerts ſpringen, Entflammt und bunt gefaͤrbt, Die den getroffnen Blick, mit tauſend Stralen, ruͤhren, Und unſern Geiſt, mit hoͤchſter Billigkeit, Zu ihrer naͤheren Beſchaffenheit, Und in derſelben uns, zum Lobe Gottes, fuͤhren.
Da ich den luckern Reif nun nahe, Und mit Aufmerkſamkeit der Spitzen Heer beſahe: Entſetzet ich mich faſt, da ich in ihnen Spuren, Von Blaͤtter-foͤrmigen Figuren, Ja wirklich Blaͤtterchen, aus zartem Eis, erblickte, Davon ein jedes mir in meinen Sinn Verwunderung und Andacht druͤckte.
Woher, gedacht ich, nimmt doch die Natur, Jn ihnen, die ſo zierliche Figur? Kann denn aus Nebel und aus Dunſt, Mit ſo unnachahmbarer Kunſt, Sie ſo betraͤchtliche, ſo viele Zierlichkeiten, Ja ſelber Blaͤtterchen, bereiten? Wodurch muß dieſes doch geſchehn?
Ob
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Winter-Betrachtung.
Jn einer fremden Augenweide,
Halb ſilberne, halb guͤldne Baͤume ſieht.
Das Buſchwerk war nicht minder rauh und dicht,
Man ſah durch ſie die Luft (durch ſie verdecket) nicht.
Da aber, wo der Morgenroͤthe Gluht
Durch nicht ſo dichte Stellen bricht,
Erblickt man einen Glanz, an Farb, als Schnecken-Blut,
Ein purpurfarbnes Licht,
Durch Millionen Theil des luckern Reiffes dringen,
Und von der glatten Flaͤch derſelben ruͤckwerts ſpringen,
Entflammt und bunt gefaͤrbt,
Die den getroffnen Blick, mit tauſend Stralen, ruͤhren,
Und unſern Geiſt, mit hoͤchſter Billigkeit,
Zu ihrer naͤheren Beſchaffenheit,
Und in derſelben uns, zum Lobe Gottes, fuͤhren.
Da ich den luckern Reif nun nahe,
Und mit Aufmerkſamkeit der Spitzen Heer beſahe:
Entſetzet ich mich faſt, da ich in ihnen Spuren,
Von Blaͤtter-foͤrmigen Figuren,
Ja wirklich Blaͤtterchen, aus zartem Eis, erblickte,
Davon ein jedes mir in meinen Sinn
Verwunderung und Andacht druͤckte.
Woher, gedacht ich, nimmt doch die Natur,
Jn ihnen, die ſo zierliche Figur?
Kann denn aus Nebel und aus Dunſt,
Mit ſo unnachahmbarer Kunſt,
Sie ſo betraͤchtliche, ſo viele Zierlichkeiten,
Ja ſelber Blaͤtterchen, bereiten?
Wodurch muß dieſes doch geſchehn?
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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/207>, abgerufen am 27.11.2024.
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