Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Vogelstellen.
Es betrübet sich mein Geist,
Und mich deucht, ein Vogelheerd
Sey mit allem Rechte werth,
Daß man ihn der Sanftmuth Schwerdt,
Und der Unschuld Schlachtbank heißt.
Darauf aber stellt ich hier
Meine Antwort folgends für:

Deine Klage scheint gerecht. Aber ist der Vögel Orden
Weniger, als andre Thier, uns zum Nutz erschaffen worden?
Sollten sie denn uns nicht nützen? Sollten sie vielleicht allein
Des ergrimmten Habichts Klauen und der Sperber Beute seyn?
Oder sich zu häufig mehren? Müssen sie nicht alle sterben,
Und vermuthlich kläglicher, und empfindlicher verderben?
Also tröste dich darüber!
Willst du aber dennoch lieber
Einigen die Freyheit schenken,
Thu es, damit dein Vergnügen
Ja nicht unterbrochen sey.
Laß die allerschönsten fliegen,
Oder gieb sie alle frey.
Doch wirst du dich mir hingegen
Zu gefallen nicht entlegen,
Und, so bald wir rückwerts kehren,
Einen, auf den Vogelfang,
Jüngst verfertigten Gesang,
Beym Clavir, mir lassen hören.
Dieß versprach sie mir und sang,
Daß es mir durchs Herze drang.
Kann auf Erden wohl ein Leben
Wirkliches Vergnügen geben,
Braucht

Das Vogelſtellen.
Es betruͤbet ſich mein Geiſt,
Und mich deucht, ein Vogelheerd
Sey mit allem Rechte werth,
Daß man ihn der Sanftmuth Schwerdt,
Und der Unſchuld Schlachtbank heißt.
Darauf aber ſtellt ich hier
Meine Antwort folgends fuͤr:

Deine Klage ſcheint gerecht. Aber iſt der Voͤgel Orden
Weniger, als andre Thier, uns zum Nutz erſchaffen worden?
Sollten ſie denn uns nicht nuͤtzen? Sollten ſie vielleicht allein
Des ergrimmten Habichts Klauen und der Sperber Beute ſeyn?
Oder ſich zu haͤufig mehren? Muͤſſen ſie nicht alle ſterben,
Und vermuthlich klaͤglicher, und empfindlicher verderben?
Alſo troͤſte dich daruͤber!
Willſt du aber dennoch lieber
Einigen die Freyheit ſchenken,
Thu es, damit dein Vergnuͤgen
Ja nicht unterbrochen ſey.
Laß die allerſchoͤnſten fliegen,
Oder gieb ſie alle frey.
Doch wirſt du dich mir hingegen
Zu gefallen nicht entlegen,
Und, ſo bald wir ruͤckwerts kehren,
Einen, auf den Vogelfang,
Juͤngſt verfertigten Geſang,
Beym Clavir, mir laſſen hoͤren.
Dieß verſprach ſie mir und ſang,
Daß es mir durchs Herze drang.
Kann auf Erden wohl ein Leben
Wirkliches Vergnuͤgen geben,
Braucht
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <lg n="28">
              <l><pb facs="#f0192" n="168"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Das Vogel&#x017F;tellen.</hi></fw><lb/>
Es betru&#x0364;bet &#x017F;ich mein Gei&#x017F;t,</l><lb/>
              <l>Und mich deucht, ein Vogelheerd</l><lb/>
              <l>Sey mit allem Rechte werth,</l><lb/>
              <l>Daß man ihn der Sanftmuth Schwerdt,</l><lb/>
              <l>Und der Un&#x017F;chuld Schlachtbank heißt.</l><lb/>
              <l>Darauf aber &#x017F;tellt ich hier</l><lb/>
              <l>Meine Antwort folgends fu&#x0364;r:</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="29">
              <l>Deine Klage &#x017F;cheint gerecht. Aber i&#x017F;t der Vo&#x0364;gel Orden</l><lb/>
              <l>Weniger, als andre Thier, uns zum Nutz er&#x017F;chaffen worden?</l><lb/>
              <l>Sollten &#x017F;ie denn uns nicht nu&#x0364;tzen? Sollten &#x017F;ie vielleicht allein</l><lb/>
              <l>Des ergrimmten Habichts Klauen und der Sperber Beute &#x017F;eyn?</l><lb/>
              <l>Oder &#x017F;ich zu ha&#x0364;ufig mehren? Mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie nicht alle &#x017F;terben,</l><lb/>
              <l>Und vermuthlich kla&#x0364;glicher, und empfindlicher verderben?</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="30">
              <l>Al&#x017F;o tro&#x0364;&#x017F;te dich daru&#x0364;ber!</l><lb/>
              <l>Will&#x017F;t du aber dennoch lieber</l><lb/>
              <l>Einigen die Freyheit &#x017F;chenken,</l><lb/>
              <l>Thu es, damit dein Vergnu&#x0364;gen</l><lb/>
              <l>Ja nicht unterbrochen &#x017F;ey.</l><lb/>
              <l>Laß die aller&#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten fliegen,</l><lb/>
              <l>Oder gieb &#x017F;ie alle frey.</l><lb/>
              <l>Doch wir&#x017F;t du dich mir hingegen</l><lb/>
              <l>Zu gefallen nicht entlegen,</l><lb/>
              <l>Und, &#x017F;o bald wir ru&#x0364;ckwerts kehren,</l><lb/>
              <l>Einen, auf den Vogelfang,</l><lb/>
              <l>Ju&#x0364;ng&#x017F;t verfertigten Ge&#x017F;ang,</l><lb/>
              <l>Beym Clavir, mir la&#x017F;&#x017F;en ho&#x0364;ren.</l><lb/>
              <l>Dieß ver&#x017F;prach &#x017F;ie mir und &#x017F;ang,</l><lb/>
              <l>Daß es mir durchs Herze drang.</l>
            </lg><lb/>
            <lg n="31">
              <l>Kann auf Erden wohl ein Leben</l><lb/>
              <l>Wirkliches Vergnu&#x0364;gen geben,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Braucht</fw><lb/></l>
            </lg>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[168/0192] Das Vogelſtellen. Es betruͤbet ſich mein Geiſt, Und mich deucht, ein Vogelheerd Sey mit allem Rechte werth, Daß man ihn der Sanftmuth Schwerdt, Und der Unſchuld Schlachtbank heißt. Darauf aber ſtellt ich hier Meine Antwort folgends fuͤr: Deine Klage ſcheint gerecht. Aber iſt der Voͤgel Orden Weniger, als andre Thier, uns zum Nutz erſchaffen worden? Sollten ſie denn uns nicht nuͤtzen? Sollten ſie vielleicht allein Des ergrimmten Habichts Klauen und der Sperber Beute ſeyn? Oder ſich zu haͤufig mehren? Muͤſſen ſie nicht alle ſterben, Und vermuthlich klaͤglicher, und empfindlicher verderben? Alſo troͤſte dich daruͤber! Willſt du aber dennoch lieber Einigen die Freyheit ſchenken, Thu es, damit dein Vergnuͤgen Ja nicht unterbrochen ſey. Laß die allerſchoͤnſten fliegen, Oder gieb ſie alle frey. Doch wirſt du dich mir hingegen Zu gefallen nicht entlegen, Und, ſo bald wir ruͤckwerts kehren, Einen, auf den Vogelfang, Juͤngſt verfertigten Geſang, Beym Clavir, mir laſſen hoͤren. Dieß verſprach ſie mir und ſang, Daß es mir durchs Herze drang. Kann auf Erden wohl ein Leben Wirkliches Vergnuͤgen geben, Braucht

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/192
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/192>, abgerufen am 22.11.2024.