Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740.

Bild:
<< vorherige Seite

Sommer-Betrachtung.
Die allervbersten am meisten, sich senken, heben, scherzen, spielen,
Auf tausend Arten sich bewegen, in deutlicher Figur, inzwi-
schen

Die andern, fast als Unterthanen, sich in ein gelbes Ganz ver-
mischen.

Doch! seh ich dort nicht allbereit, der schönen Felder Schmuck
und Segen,

Durch die beschwitzte Faust der Schnitter, sich krümmen und
zu Boden legen?

Ja! sehet, wie die Sensen blitzen, wie ämsig hier die Binder
binden,

Und um die gelben Rocken-Garben, von Rocken-Stroh, die
Kränze winden,

Wie künstlich sie des Segens Hügel, die Hocken, überall erhöhn,
Und wie sie, in so schöner Ordnung, in solchen langen Reihen
stehn,

Als wie das schönste Perspectiv. Die allerzierlichsten Alleen
Sind zierlicher nicht anzusehen.

Jndem ich nun, mit ernstem Blick, das Mähn und Binden
hier betrachte,

Auf eines Landmanns Fleiß und Ordnung, besonders auf sein
Werkzeug, achte:

So fällt mir, und gewiß mit Recht, der sinnende Gedanken bey,
Daß es Bewunderung verdien, und alles mehr zu schätzen sey,
Als wir es, ja sie selber, thun. Es scheute sich Aegypten
nicht,

Dem, der die große Kunst erfand, zu säen, zu pflügen und zu
egen,

Altär und Tempel zu erbaun, ja Götter Namen beyzulegen:
Wir aber, die wir, durch Gewohnheit, für alles wundernswürdge
blind,
Und

Sommer-Betrachtung.
Die allervberſten am meiſten, ſich ſenken, heben, ſcherzen, ſpielen,
Auf tauſend Arten ſich bewegen, in deutlicher Figur, inzwi-
ſchen

Die andern, faſt als Unterthanen, ſich in ein gelbes Ganz ver-
miſchen.

Doch! ſeh ich dort nicht allbereit, der ſchoͤnen Felder Schmuck
und Segen,

Durch die beſchwitzte Fauſt der Schnitter, ſich kruͤmmen und
zu Boden legen?

Ja! ſehet, wie die Senſen blitzen, wie aͤmſig hier die Binder
binden,

Und um die gelben Rocken-Garben, von Rocken-Stroh, die
Kraͤnze winden,

Wie kuͤnſtlich ſie des Segens Huͤgel, die Hocken, uͤberall erhoͤhn,
Und wie ſie, in ſo ſchoͤner Ordnung, in ſolchen langen Reihen
ſtehn,

Als wie das ſchoͤnſte Perſpectiv. Die allerzierlichſten Alleen
Sind zierlicher nicht anzuſehen.

Jndem ich nun, mit ernſtem Blick, das Maͤhn und Binden
hier betrachte,

Auf eines Landmanns Fleiß und Ordnung, beſonders auf ſein
Werkzeug, achte:

So faͤllt mir, und gewiß mit Recht, der ſinnende Gedanken bey,
Daß es Bewunderung verdien, und alles mehr zu ſchaͤtzen ſey,
Als wir es, ja ſie ſelber, thun. Es ſcheute ſich Aegypten
nicht,

Dem, der die große Kunſt erfand, zu ſaͤen, zu pfluͤgen und zu
egen,

Altaͤr und Tempel zu erbaun, ja Goͤtter Namen beyzulegen:
Wir aber, die wir, durch Gewohnheit, fuͤr alles wundernswuͤrdge
blind,
Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <lg n="31">
            <l><pb facs="#f0117" n="93"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Sommer-Betrachtung.</hi></fw><lb/>
Die allervber&#x017F;ten am mei&#x017F;ten, &#x017F;ich &#x017F;enken, heben, &#x017F;cherzen, &#x017F;pielen,</l><lb/>
            <l>Auf tau&#x017F;end Arten &#x017F;ich bewegen, in deutlicher Figur, inzwi-<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chen</hi></l><lb/>
            <l>Die andern, fa&#x017F;t als Unterthanen, &#x017F;ich in ein gelbes Ganz ver-<lb/><hi rendition="#et">mi&#x017F;chen.</hi></l><lb/>
            <l>Doch! &#x017F;eh ich dort nicht allbereit, der &#x017F;cho&#x0364;nen Felder Schmuck<lb/><hi rendition="#et">und Segen,</hi></l><lb/>
            <l>Durch die be&#x017F;chwitzte Fau&#x017F;t der Schnitter, &#x017F;ich kru&#x0364;mmen und<lb/><hi rendition="#et">zu Boden legen?</hi></l><lb/>
            <l>Ja! &#x017F;ehet, wie die Sen&#x017F;en blitzen, wie a&#x0364;m&#x017F;ig hier die Binder<lb/><hi rendition="#et">binden,</hi></l><lb/>
            <l>Und um die gelben Rocken-Garben, von Rocken-Stroh, die<lb/><hi rendition="#et">Kra&#x0364;nze winden,</hi></l><lb/>
            <l>Wie ku&#x0364;n&#x017F;tlich &#x017F;ie des Segens Hu&#x0364;gel, die Hocken, u&#x0364;berall erho&#x0364;hn,</l><lb/>
            <l>Und wie &#x017F;ie, in &#x017F;o &#x017F;cho&#x0364;ner Ordnung, in &#x017F;olchen langen Reihen<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;tehn,</hi></l><lb/>
            <l>Als wie das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te Per&#x017F;pectiv. Die allerzierlich&#x017F;ten Alleen</l><lb/>
            <l>Sind zierlicher nicht anzu&#x017F;ehen.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="32">
            <l>Jndem ich nun, mit ern&#x017F;tem Blick, das Ma&#x0364;hn und Binden<lb/><hi rendition="#et">hier betrachte,</hi></l><lb/>
            <l>Auf eines Landmanns Fleiß und Ordnung, be&#x017F;onders auf &#x017F;ein<lb/><hi rendition="#et">Werkzeug, achte:</hi></l><lb/>
            <l>So fa&#x0364;llt mir, und gewiß mit Recht, der &#x017F;innende Gedanken bey,</l><lb/>
            <l>Daß es Bewunderung verdien, und alles mehr zu &#x017F;cha&#x0364;tzen &#x017F;ey,</l><lb/>
            <l>Als wir es, ja &#x017F;ie &#x017F;elber, thun. Es &#x017F;cheute &#x017F;ich Aegypten<lb/><hi rendition="#et">nicht,</hi></l><lb/>
            <l>Dem, der die große Kun&#x017F;t erfand, zu &#x017F;a&#x0364;en, zu pflu&#x0364;gen und zu<lb/><hi rendition="#et">egen,</hi></l><lb/>
            <l>Alta&#x0364;r und Tempel zu erbaun, ja Go&#x0364;tter Namen beyzulegen:</l><lb/>
            <l>Wir aber, die wir, durch Gewohnheit, fu&#x0364;r alles wundernswu&#x0364;rdge<lb/><hi rendition="#et">blind,</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/></l>
          </lg>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[93/0117] Sommer-Betrachtung. Die allervberſten am meiſten, ſich ſenken, heben, ſcherzen, ſpielen, Auf tauſend Arten ſich bewegen, in deutlicher Figur, inzwi- ſchen Die andern, faſt als Unterthanen, ſich in ein gelbes Ganz ver- miſchen. Doch! ſeh ich dort nicht allbereit, der ſchoͤnen Felder Schmuck und Segen, Durch die beſchwitzte Fauſt der Schnitter, ſich kruͤmmen und zu Boden legen? Ja! ſehet, wie die Senſen blitzen, wie aͤmſig hier die Binder binden, Und um die gelben Rocken-Garben, von Rocken-Stroh, die Kraͤnze winden, Wie kuͤnſtlich ſie des Segens Huͤgel, die Hocken, uͤberall erhoͤhn, Und wie ſie, in ſo ſchoͤner Ordnung, in ſolchen langen Reihen ſtehn, Als wie das ſchoͤnſte Perſpectiv. Die allerzierlichſten Alleen Sind zierlicher nicht anzuſehen. Jndem ich nun, mit ernſtem Blick, das Maͤhn und Binden hier betrachte, Auf eines Landmanns Fleiß und Ordnung, beſonders auf ſein Werkzeug, achte: So faͤllt mir, und gewiß mit Recht, der ſinnende Gedanken bey, Daß es Bewunderung verdien, und alles mehr zu ſchaͤtzen ſey, Als wir es, ja ſie ſelber, thun. Es ſcheute ſich Aegypten nicht, Dem, der die große Kunſt erfand, zu ſaͤen, zu pfluͤgen und zu egen, Altaͤr und Tempel zu erbaun, ja Goͤtter Namen beyzulegen: Wir aber, die wir, durch Gewohnheit, fuͤr alles wundernswuͤrdge blind, Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/117
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 6. Hamburg, 1740, S. 93. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen06_1740/117>, abgerufen am 22.11.2024.