Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Noch andere Frühlings-Betrachtungen.
Jetzt zeigen alle Bäum' und alle Stauden Augen,
Und zeugen nicht allein von einem innern Saft,
Der in den Röhren cirkuliret;
Sie zeigen eine Wunder-Kraft,
Die Laub und Blüth' und Frucht formiret.
Man sieht schon Hyacinthen blüh'n,
Wie sie sich gleichsam recht bemüh'n,
Aus ihrem duncklen Sitz zu steigen,
Um ihres Schöpfers Macht zu zeigen.
Ein strenger Drang und Druck scheint jegliche zu treiben,
Nicht länger wo sie war zu bleiben.
Es scheint, es eil' itzt recht der Blumen buntes Heer,
Daß es, zu ihres Schöpfers Ehr,
Und unsrer Lust, für unsre Blicke
Sich hebe, färbe, bild' und schmücke,
Mit lieblichem Geruch sich und die Lüfte fülle,
Und, in dem süssen Duft, und ihrer bunten Pracht,
Des überall vorhandnen Schöpfers Macht,
Und seine weise Huld, so viel an ihr, enthülle.
Vernunft kann, ohne Lust, auf sie den Blick nicht lencken;
Weil, wenn wir mit Vernunft derselben Wesen sehn,
Wir auf die innre Wirckung gehn,
Und auf des Schöpfers Allmacht dencken,
Der auch den Pflantzen selbst ein Leben,
Zu unserm Nutz und unsrer Lust, gegeben;
Der, zur Verherrlichung von seinem grossen Ramen
Ein lebend Feur in allen Saamen,
Das immer wirckt und nimmer ruht, gesenkt,
Und es, als einen Geist, in einen Cörper schrenkt.
Wie
D 3
Noch andere Fruͤhlings-Betrachtungen.
Jetzt zeigen alle Baͤum’ und alle Stauden Augen,
Und zeugen nicht allein von einem innern Saft,
Der in den Roͤhren cirkuliret;
Sie zeigen eine Wunder-Kraft,
Die Laub und Bluͤth’ und Frucht formiret.
Man ſieht ſchon Hyacinthen bluͤh’n,
Wie ſie ſich gleichſam recht bemuͤh’n,
Aus ihrem duncklen Sitz zu ſteigen,
Um ihres Schoͤpfers Macht zu zeigen.
Ein ſtrenger Drang und Druck ſcheint jegliche zu treiben,
Nicht laͤnger wo ſie war zu bleiben.
Es ſcheint, es eil’ itzt recht der Blumen buntes Heer,
Daß es, zu ihres Schoͤpfers Ehr,
Und unſrer Luſt, fuͤr unſre Blicke
Sich hebe, faͤrbe, bild’ und ſchmuͤcke,
Mit lieblichem Geruch ſich und die Luͤfte fuͤlle,
Und, in dem ſuͤſſen Duft, und ihrer bunten Pracht,
Des uͤberall vorhandnen Schoͤpfers Macht,
Und ſeine weiſe Huld, ſo viel an ihr, enthuͤlle.
Vernunft kann, ohne Luſt, auf ſie den Blick nicht lencken;
Weil, wenn wir mit Vernunft derſelben Weſen ſehn,
Wir auf die innre Wirckung gehn,
Und auf des Schoͤpfers Allmacht dencken,
Der auch den Pflantzen ſelbſt ein Leben,
Zu unſerm Nutz und unſrer Luſt, gegeben;
Der, zur Verherrlichung von ſeinem groſſen Ramen
Ein lebend Feur in allen Saamen,
Das immer wirckt und nimmer ruht, geſenkt,
Und es, als einen Geiſt, in einen Coͤrper ſchrenkt.
Wie
D 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0069" n="53"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Noch andere Fru&#x0364;hlings-Betrachtungen.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="4">
            <l>Jetzt zeigen alle Ba&#x0364;um&#x2019; und alle Stauden Augen,</l><lb/>
            <l>Und zeugen nicht allein von einem innern Saft,</l><lb/>
            <l>Der in den Ro&#x0364;hren cirkuliret;</l><lb/>
            <l>Sie zeigen eine Wunder-Kraft,</l><lb/>
            <l>Die Laub und Blu&#x0364;th&#x2019; und Frucht formiret.</l><lb/>
            <l>Man &#x017F;ieht &#x017F;chon Hyacinthen blu&#x0364;h&#x2019;n,</l><lb/>
            <l>Wie &#x017F;ie &#x017F;ich gleich&#x017F;am recht bemu&#x0364;h&#x2019;n,</l><lb/>
            <l>Aus ihrem duncklen Sitz zu &#x017F;teigen,</l><lb/>
            <l>Um ihres Scho&#x0364;pfers Macht zu zeigen.</l><lb/>
            <l>Ein &#x017F;trenger Drang und Druck &#x017F;cheint jegliche zu treiben,</l><lb/>
            <l>Nicht la&#x0364;nger wo &#x017F;ie war zu bleiben.</l><lb/>
            <l>Es &#x017F;cheint, es eil&#x2019; itzt recht der Blumen buntes Heer,</l><lb/>
            <l>Daß es, zu ihres Scho&#x0364;pfers Ehr,</l><lb/>
            <l>Und un&#x017F;rer Lu&#x017F;t, fu&#x0364;r un&#x017F;re Blicke</l><lb/>
            <l>Sich hebe, fa&#x0364;rbe, bild&#x2019; und &#x017F;chmu&#x0364;cke,</l><lb/>
            <l>Mit lieblichem Geruch &#x017F;ich und die Lu&#x0364;fte fu&#x0364;lle,</l><lb/>
            <l>Und, in dem &#x017F;u&#x0364;&#x017F;&#x017F;en Duft, und ihrer bunten Pracht,</l><lb/>
            <l>Des u&#x0364;berall vorhandnen Scho&#x0364;pfers Macht,</l><lb/>
            <l>Und &#x017F;eine wei&#x017F;e Huld, &#x017F;o viel an ihr, enthu&#x0364;lle.</l><lb/>
            <l>Vernunft kann, ohne Lu&#x017F;t, auf &#x017F;ie den Blick nicht lencken;</l><lb/>
            <l>Weil, wenn wir mit Vernunft der&#x017F;elben We&#x017F;en &#x017F;ehn,</l><lb/>
            <l>Wir auf die innre Wirckung gehn,</l><lb/>
            <l>Und auf des Scho&#x0364;pfers Allmacht dencken,</l><lb/>
            <l>Der auch den Pflantzen &#x017F;elb&#x017F;t ein Leben,</l><lb/>
            <l>Zu un&#x017F;erm Nutz und un&#x017F;rer Lu&#x017F;t, gegeben;</l><lb/>
            <l>Der, zur Verherrlichung von &#x017F;einem gro&#x017F;&#x017F;en Ramen</l><lb/>
            <l>Ein lebend Feur in allen Saamen,</l><lb/>
            <l>Das immer wirckt und nimmer ruht, ge&#x017F;enkt,</l><lb/>
            <l>Und es, als einen Gei&#x017F;t, in einen Co&#x0364;rper &#x017F;chrenkt.</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D 3</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Wie</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0069] Noch andere Fruͤhlings-Betrachtungen. Jetzt zeigen alle Baͤum’ und alle Stauden Augen, Und zeugen nicht allein von einem innern Saft, Der in den Roͤhren cirkuliret; Sie zeigen eine Wunder-Kraft, Die Laub und Bluͤth’ und Frucht formiret. Man ſieht ſchon Hyacinthen bluͤh’n, Wie ſie ſich gleichſam recht bemuͤh’n, Aus ihrem duncklen Sitz zu ſteigen, Um ihres Schoͤpfers Macht zu zeigen. Ein ſtrenger Drang und Druck ſcheint jegliche zu treiben, Nicht laͤnger wo ſie war zu bleiben. Es ſcheint, es eil’ itzt recht der Blumen buntes Heer, Daß es, zu ihres Schoͤpfers Ehr, Und unſrer Luſt, fuͤr unſre Blicke Sich hebe, faͤrbe, bild’ und ſchmuͤcke, Mit lieblichem Geruch ſich und die Luͤfte fuͤlle, Und, in dem ſuͤſſen Duft, und ihrer bunten Pracht, Des uͤberall vorhandnen Schoͤpfers Macht, Und ſeine weiſe Huld, ſo viel an ihr, enthuͤlle. Vernunft kann, ohne Luſt, auf ſie den Blick nicht lencken; Weil, wenn wir mit Vernunft derſelben Weſen ſehn, Wir auf die innre Wirckung gehn, Und auf des Schoͤpfers Allmacht dencken, Der auch den Pflantzen ſelbſt ein Leben, Zu unſerm Nutz und unſrer Luſt, gegeben; Der, zur Verherrlichung von ſeinem groſſen Ramen Ein lebend Feur in allen Saamen, Das immer wirckt und nimmer ruht, geſenkt, Und es, als einen Geiſt, in einen Coͤrper ſchrenkt. Wie D 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/69
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/69>, abgerufen am 21.11.2024.