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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Neu-Jahrs Gedichte.
Aus der Sinnen Gegenwurf. Ach, wie würden die Ge-
dancken,

Ohne diese Wunder-Kräfte, nur so klein' und enge
Schrancken,

Und wie wenig Vorwürff' haben! Aber unser GOTT hat
wollen,

Daß auf ungezehlte Weise wir uns hier vergnügen sollen.
Wenn wir dieses Wunder Werck, mit Bedacht, einst überlegen;
Kann kein Mensch desselben Grösse recht ermessen noch er-
wegen.

Welch ein unbegreiflichs Wesen, welch ein Wunder! daß
man sich

Dinge, die nicht würcklich da, Dinge, die nicht wesentlich,
Sich, als wesentlich und würcklich, dergestalt weiß vorzu-
stellen,

Daß sie uns Belehrungs-Warnungs-Klugheit- und Ver-
gnügungs-Quellen

Auf so manche Weise werden. Dieses Wunder nur allein
Zeigt, wie weise, mächtig, liebreich unser Schöpfer müsse
seyn.

Das Gedächtniß nun vermehrt noch alle diese Wunder-
Wercke,

Da ich, was ich einst gewust, durch Erinnern wieder mercke.
Da wir in uns, im Gedächtniß, von so vielen Wunder-
Gaben,

Von Gedancken und Jdeen ein gefülltes Schatz-Haus haben,
Wohinein, weil wir zugleich nicht auf vieles können dencken,
Wir die Menge der Jdeen gleichsam wissen zu versencken.
Wer nur einen Menschen einst, welchem sein Ge-
dächtniß fehlet,

So daß er sich nichts erinnert, je gekannt hat und gesehn;
Wie er, gleichsam als ein Kind, fast kein menschlich We-
sen habe;

Wird, aus seiner Noth und Plage, dieses Schatzes Wehrt
verstehn

Und dem Geber dancken lernen, für solch' unschätzbare Gabe.
Uber
J i
Neu-Jahrs Gedichte.
Aus der Sinnen Gegenwurf. Ach, wie wuͤrden die Ge-
dancken,

Ohne dieſe Wunder-Kraͤfte, nur ſo klein’ und enge
Schrancken,

Und wie wenig Vorwuͤrff’ haben! Aber unſer GOTT hat
wollen,

Daß auf ungezehlte Weiſe wir uns hier vergnuͤgen ſollen.
Wenn wir dieſes Wunder Werck, mit Bedacht, einſt uͤberlegen;
Kann kein Menſch deſſelben Groͤſſe recht ermeſſen noch er-
wegen.

Welch ein unbegreiflichs Weſen, welch ein Wunder! daß
man ſich

Dinge, die nicht wuͤrcklich da, Dinge, die nicht weſentlich,
Sich, als weſentlich und wuͤrcklich, dergeſtalt weiß vorzu-
ſtellen,

Daß ſie uns Belehrungs-Warnungs-Klugheit- und Ver-
gnuͤgungs-Quellen

Auf ſo manche Weiſe werden. Dieſes Wunder nur allein
Zeigt, wie weiſe, maͤchtig, liebreich unſer Schoͤpfer muͤſſe
ſeyn.

Das Gedaͤchtniß nun vermehrt noch alle dieſe Wunder-
Wercke,

Da ich, was ich einſt gewuſt, durch Erinnern wieder mercke.
Da wir in uns, im Gedaͤchtniß, von ſo vielen Wunder-
Gaben,

Von Gedancken und Jdeen ein gefuͤlltes Schatz-Haus haben,
Wohinein, weil wir zugleich nicht auf vieles koͤnnen dencken,
Wir die Menge der Jdeen gleichſam wiſſen zu verſencken.
Wer nur einen Menſchen einſt, welchem ſein Ge-
daͤchtniß fehlet,

So daß er ſich nichts erinnert, je gekannt hat und geſehn;
Wie er, gleichſam als ein Kind, faſt kein menſchlich We-
ſen habe;

Wird, aus ſeiner Noth und Plage, dieſes Schatzes Wehrt
verſtehn

Und dem Geber dancken lernen, fuͤr ſolch’ unſchaͤtzbare Gabe.
Uber
J i
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[497/0513] Neu-Jahrs Gedichte. Aus der Sinnen Gegenwurf. Ach, wie wuͤrden die Ge- dancken, Ohne dieſe Wunder-Kraͤfte, nur ſo klein’ und enge Schrancken, Und wie wenig Vorwuͤrff’ haben! Aber unſer GOTT hat wollen, Daß auf ungezehlte Weiſe wir uns hier vergnuͤgen ſollen. Wenn wir dieſes Wunder Werck, mit Bedacht, einſt uͤberlegen; Kann kein Menſch deſſelben Groͤſſe recht ermeſſen noch er- wegen. Welch ein unbegreiflichs Weſen, welch ein Wunder! daß man ſich Dinge, die nicht wuͤrcklich da, Dinge, die nicht weſentlich, Sich, als weſentlich und wuͤrcklich, dergeſtalt weiß vorzu- ſtellen, Daß ſie uns Belehrungs-Warnungs-Klugheit- und Ver- gnuͤgungs-Quellen Auf ſo manche Weiſe werden. Dieſes Wunder nur allein Zeigt, wie weiſe, maͤchtig, liebreich unſer Schoͤpfer muͤſſe ſeyn. Das Gedaͤchtniß nun vermehrt noch alle dieſe Wunder- Wercke, Da ich, was ich einſt gewuſt, durch Erinnern wieder mercke. Da wir in uns, im Gedaͤchtniß, von ſo vielen Wunder- Gaben, Von Gedancken und Jdeen ein gefuͤlltes Schatz-Haus haben, Wohinein, weil wir zugleich nicht auf vieles koͤnnen dencken, Wir die Menge der Jdeen gleichſam wiſſen zu verſencken. Wer nur einen Menſchen einſt, welchem ſein Ge- daͤchtniß fehlet, So daß er ſich nichts erinnert, je gekannt hat und geſehn; Wie er, gleichſam als ein Kind, faſt kein menſchlich We- ſen habe; Wird, aus ſeiner Noth und Plage, dieſes Schatzes Wehrt verſtehn Und dem Geber dancken lernen, fuͤr ſolch’ unſchaͤtzbare Gabe. Uber J i

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 497. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/513>, abgerufen am 21.11.2024.