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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Neu-Jahrs Gedichte.
Da unsre Cörper nicht allein
Von solchen streitenden Parteikelchen vereinet,
Gemischet und gefüget seyn,
Nein, sondern selbst der Geist, mehr als man meynet,
Vom Cörper und desselben Eigenschaft,
Nachdem er sich im schlecht- und gutem Stande findet,
Bald mehr bald minder Schwäch' und Kraft
Jn seinem Wesen selbst empfindet.
Denn, wenn auch gleich dem Geist und seinen Wesen, nicht
Jm eigentlichen Sinn, wie Cörpern hier auf Erden,
Könnt ein Zusammensatz recht zugeschrieben werden,
So ist es Wunder gnug, daß, wenn wirs recht ergründen,
Wir solchen Abgang doch von seinem Cörper finden,
Jn seinen Wirckungen. Daher so mancher Streit
Bald Lust, bald Leid, bald Licht, bald Finsterniß
Furcht, Zweifel, Hofnung, Gram, Verändrung der
Gedancken,

Die oft, ja mehrentheils, sich mit sich selber zancken;
Daher entsteht vielleicht daß alles ungewiß.
Wir finden in uns selbst, wenn wir uns selbst erwegen
Und sonder Vorurtheil die Menschheit überlegen,
Uns wunderlich gemischt; nichts, alles, viel und wenig;
Bald herrschet der Verstand, bald ist der Wille König,
Bald ist der Wille gut, bald ist ers wieder nicht,
Bald ist Vernunft ein Jrr- und bald ein rechtes Licht
Oft sind wir dumm und stumpf, oft an Erfindung reich;
Bald sind wir gut, bald böß, bald böß und gut zu gleich.
Es findet sich, von alle Creatur,
So viel uns die Erfahrung weist,
Die unbegreiflichste Bewundrungs-wehrtste Spur,
Von Mischungen, o Mensch! in deinem Leib' und Geist,
Weil
Neu-Jahrs Gedichte.
Da unſre Coͤrper nicht allein
Von ſolchen ſtreitenden Parteikelchen vereinet,
Gemiſchet und gefuͤget ſeyn,
Nein, ſondern ſelbſt der Geiſt, mehr als man meynet,
Vom Coͤrper und deſſelben Eigenſchaft,
Nachdem er ſich im ſchlecht- und gutem Stande findet,
Bald mehr bald minder Schwaͤch’ und Kraft
Jn ſeinem Weſen ſelbſt empfindet.
Denn, wenn auch gleich dem Geiſt und ſeinen Weſen, nicht
Jm eigentlichen Sinn, wie Coͤrpern hier auf Erden,
Koͤnnt ein Zuſammenſatz recht zugeſchrieben werden,
So iſt es Wunder gnug, daß, wenn wirs recht ergruͤnden,
Wir ſolchen Abgang doch von ſeinem Coͤrper finden,
Jn ſeinen Wirckungen. Daher ſo mancher Streit
Bald Luſt, bald Leid, bald Licht, bald Finſterniß
Furcht, Zweifel, Hofnung, Gram, Veraͤndrung der
Gedancken,

Die oft, ja mehrentheils, ſich mit ſich ſelber zancken;
Daher entſteht vielleicht daß alles ungewiß.
Wir finden in uns ſelbſt, wenn wir uns ſelbſt erwegen
Und ſonder Vorurtheil die Menſchheit uͤberlegen,
Uns wunderlich gemiſcht; nichts, alles, viel und wenig;
Bald herrſchet der Verſtand, bald iſt der Wille Koͤnig,
Bald iſt der Wille gut, bald iſt ers wieder nicht,
Bald iſt Vernunft ein Jrr- und bald ein rechtes Licht
Oft ſind wir dumm und ſtumpf, oft an Erfindung reich;
Bald ſind wir gut, bald boͤß, bald boͤß und gut zu gleich.
Es findet ſich, von alle Creatur,
So viel uns die Erfahrung weiſt,
Die unbegreiflichſte Bewundrungs-wehrtſte Spur,
Von Miſchungen, o Menſch! in deinem Leib’ und Geiſt,
Weil
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[446/0462] Neu-Jahrs Gedichte. Da unſre Coͤrper nicht allein Von ſolchen ſtreitenden Parteikelchen vereinet, Gemiſchet und gefuͤget ſeyn, Nein, ſondern ſelbſt der Geiſt, mehr als man meynet, Vom Coͤrper und deſſelben Eigenſchaft, Nachdem er ſich im ſchlecht- und gutem Stande findet, Bald mehr bald minder Schwaͤch’ und Kraft Jn ſeinem Weſen ſelbſt empfindet. Denn, wenn auch gleich dem Geiſt und ſeinen Weſen, nicht Jm eigentlichen Sinn, wie Coͤrpern hier auf Erden, Koͤnnt ein Zuſammenſatz recht zugeſchrieben werden, So iſt es Wunder gnug, daß, wenn wirs recht ergruͤnden, Wir ſolchen Abgang doch von ſeinem Coͤrper finden, Jn ſeinen Wirckungen. Daher ſo mancher Streit Bald Luſt, bald Leid, bald Licht, bald Finſterniß Furcht, Zweifel, Hofnung, Gram, Veraͤndrung der Gedancken, Die oft, ja mehrentheils, ſich mit ſich ſelber zancken; Daher entſteht vielleicht daß alles ungewiß. Wir finden in uns ſelbſt, wenn wir uns ſelbſt erwegen Und ſonder Vorurtheil die Menſchheit uͤberlegen, Uns wunderlich gemiſcht; nichts, alles, viel und wenig; Bald herrſchet der Verſtand, bald iſt der Wille Koͤnig, Bald iſt der Wille gut, bald iſt ers wieder nicht, Bald iſt Vernunft ein Jrr- und bald ein rechtes Licht Oft ſind wir dumm und ſtumpf, oft an Erfindung reich; Bald ſind wir gut, bald boͤß, bald boͤß und gut zu gleich. Es findet ſich, von alle Creatur, So viel uns die Erfahrung weiſt, Die unbegreiflichſte Bewundrungs-wehrtſte Spur, Von Miſchungen, o Menſch! in deinem Leib’ und Geiſt, Weil

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/462>, abgerufen am 22.11.2024.