Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Neu-Jahrs Gedichte. Du hast nicht nur die Meinen heimgesucht Mit einer Kranckheits-Last, die nicht geringe war, Die Blattern quälten sie fast alle, ja ein Par Von ihnen muste gar, Durch den zu starcken Gifft, erblassen; Die Tochter starb zuerst, ein recht gehorsam' Kind, Ein angenehm Gemüth, das von der ersten Jugend, Bey andrer Fähigkeit, gar eine seltne Tugend, Dergleichen sich nicht leicht so früh bey Kindern findt Und anzutreffen ist, nebst anderm guten, fand. Sie kont mit solchem Feur und brünstger Andacht, beten, Auch wie sie kaum ins fünffte Jahr getreten, Daß manchem Hörer offt, der um sie stand, Für Lust, Verwundrung und Vergnügen, Die Thränen in die Augen stiegen. Vom Sohn erzehl' ich nichts, weil das, was er gewesen, Jn so viel kluger Geister Schrifften, Die ihm ein ew'ges Denckmahl stifften, (Ob er gleich noch so jung) zu lefen. Daß also beyder Todt nicht ungerechte Klagen, So meiner Frau, als mir, um so viel mehr erregt, Als, fast zu gleicher Zeit, sechs andre kranck noch lagen, Von denen jeder uns fast gleiche Furcht einprägt', Zumahl der Aelteste, den wir in letzten Zügen, Wol fünff mahl ausser Hoffnung liegen, Und fast schon todt, gesehn. Ja wär auch nicht an ihm ein Wunder fast geschehn, Das unsrer gantzen Stadt bekandt, So deckt auch ihn bereits des Grabes Sand. Wär
Neu-Jahrs Gedichte. Du haſt nicht nur die Meinen heimgeſucht Mit einer Kranckheits-Laſt, die nicht geringe war, Die Blattern quaͤlten ſie faſt alle, ja ein Par Von ihnen muſte gar, Durch den zu ſtarcken Gifft, erblaſſen; Die Tochter ſtarb zuerſt, ein recht gehorſam’ Kind, Ein angenehm Gemuͤth, das von der erſten Jugend, Bey andrer Faͤhigkeit, gar eine ſeltne Tugend, Dergleichen ſich nicht leicht ſo fruͤh bey Kindern findt Und anzutreffen iſt, nebſt anderm guten, fand. Sie kont mit ſolchem Feur und bruͤnſtger Andacht, beten, Auch wie ſie kaum ins fuͤnffte Jahr getreten, Daß manchem Hoͤrer offt, der um ſie ſtand, Fuͤr Luſt, Verwundrung und Vergnuͤgen, Die Thraͤnen in die Augen ſtiegen. Vom Sohn erzehl’ ich nichts, weil das, was er geweſen, Jn ſo viel kluger Geiſter Schrifften, Die ihm ein ew’ges Denckmahl ſtifften, (Ob er gleich noch ſo jung) zu lefen. Daß alſo beyder Todt nicht ungerechte Klagen, So meiner Frau, als mir, um ſo viel mehr erregt, Als, faſt zu gleicher Zeit, ſechs andre kranck noch lagen, Von denen jeder uns faſt gleiche Furcht einpraͤgt’, Zumahl der Aelteſte, den wir in letzten Zuͤgen, Wol fuͤnff mahl auſſer Hoffnung liegen, Und faſt ſchon todt, geſehn. Ja waͤr auch nicht an ihm ein Wunder faſt geſchehn, Das unſrer gantzen Stadt bekandt, So deckt auch ihn bereits des Grabes Sand. Waͤr
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Neu-Jahrs Gedichte.
Du haſt nicht nur die Meinen heimgeſucht
Mit einer Kranckheits-Laſt, die nicht geringe war,
Die Blattern quaͤlten ſie faſt alle, ja ein Par
Von ihnen muſte gar,
Durch den zu ſtarcken Gifft, erblaſſen;
Die Tochter ſtarb zuerſt, ein recht gehorſam’ Kind,
Ein angenehm Gemuͤth, das von der erſten Jugend,
Bey andrer Faͤhigkeit, gar eine ſeltne Tugend,
Dergleichen ſich nicht leicht ſo fruͤh bey Kindern findt
Und anzutreffen iſt, nebſt anderm guten, fand.
Sie kont mit ſolchem Feur und bruͤnſtger Andacht, beten,
Auch wie ſie kaum ins fuͤnffte Jahr getreten,
Daß manchem Hoͤrer offt, der um ſie ſtand,
Fuͤr Luſt, Verwundrung und Vergnuͤgen,
Die Thraͤnen in die Augen ſtiegen.
Vom Sohn erzehl’ ich nichts, weil das, was er geweſen,
Jn ſo viel kluger Geiſter Schrifften,
Die ihm ein ew’ges Denckmahl ſtifften,
(Ob er gleich noch ſo jung) zu lefen.
Daß alſo beyder Todt nicht ungerechte Klagen,
So meiner Frau, als mir, um ſo viel mehr erregt,
Als, faſt zu gleicher Zeit, ſechs andre kranck noch lagen,
Von denen jeder uns faſt gleiche Furcht einpraͤgt’,
Zumahl der Aelteſte, den wir in letzten Zuͤgen,
Wol fuͤnff mahl auſſer Hoffnung liegen,
Und faſt ſchon todt, geſehn.
Ja waͤr auch nicht an ihm ein Wunder faſt geſchehn,
Das unſrer gantzen Stadt bekandt,
So deckt auch ihn bereits des Grabes Sand.
Waͤr
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