Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Neu-Jahrs Gedichte.
Da geschicht nun ihnen sanft, wenn, von aller Noth der
Erden,

Sie, durch einen seel'gen Todt, einmahl aufgelöset werden.
Sie empfinden ohne dem Lust, mit Paulo, abzuscheiden
Und bey Christo dort zu seyn. Ja sie müssen oftermahl,
Daß sie nicht den Todt verlangen, dennoch fast dieselbe Quaal
Jn der Selbst-Verläugnung leiden,
Als ein andrer, der das Leben,
Mit so heisser Sehnsucht, wünscht, und es doch muß von sich
geben.

Denn wenn gleich Elias dort saget: HErr, es ist genug;
So nimm meine Seel von mir! Wird er doch darum mit
nichten

Ausgespannet, sondern muß erst dasjenige verrichten,
Wozu Göttliche Vorsehung ihn auf dieser Welt bestimmt.
Oefters siehet GOtt was Gutes noch an einem, darum
nimmt

Er ihn von der Erden weg, daß er die betrübten Tage
Und das Unglück seiner Freunde, Creutz, Betrübniß, Noth
und Plage

Nicht in ihnen leiden dürffe. Der Gerechten Seelen werden
Oftermahlen von der Erden
Vor dem Unglück weggerafft. Also haben wir gesehn,
Wie von allen Ding- und Fällen, so auf dieser Welt entstehn,
Nichts ohn eine weise Führung und Regirung kann geschehn;
Wie durch einen Glücks-Fall, nichts, aber durch Noth-
wendigkeit,

Die nicht zu vermeiden ist, gleichfals nichts geschehen könne;
Sondern daß des Schöpfers Weisheit, Lieb' und Vollen-
kommenheit

Sich in keinem eintz'gen Dinge von den Creaturen trenne,
Auch
D d 4
Neu-Jahrs Gedichte.
Da geſchicht nun ihnen ſanft, wenn, von aller Noth der
Erden,

Sie, durch einen ſeel’gen Todt, einmahl aufgeloͤſet werden.
Sie empfinden ohne dem Luſt, mit Paulo, abzuſcheiden
Und bey Chriſto dort zu ſeyn. Ja ſie muͤſſen oftermahl,
Daß ſie nicht den Todt verlangen, dennoch faſt dieſelbe Quaal
Jn der Selbſt-Verlaͤugnung leiden,
Als ein andrer, der das Leben,
Mit ſo heiſſer Sehnſucht, wuͤnſcht, und es doch muß von ſich
geben.

Denn wenn gleich Elias dort ſaget: HErr, es iſt genug;
So nimm meine Seel von mir! Wird er doch darum mit
nichten

Ausgeſpannet, ſondern muß erſt dasjenige verrichten,
Wozu Goͤttliche Vorſehung ihn auf dieſer Welt beſtimmt.
Oefters ſiehet GOtt was Gutes noch an einem, darum
nimmt

Er ihn von der Erden weg, daß er die betruͤbten Tage
Und das Ungluͤck ſeiner Freunde, Creutz, Betruͤbniß, Noth
und Plage

Nicht in ihnen leiden duͤrffe. Der Gerechten Seelen werden
Oftermahlen von der Erden
Vor dem Ungluͤck weggerafft. Alſo haben wir geſehn,
Wie von allen Ding- und Faͤllen, ſo auf dieſer Welt entſtehn,
Nichts ohn eine weiſe Fuͤhrung und Regirung kann geſchehn;
Wie durch einen Gluͤcks-Fall, nichts, aber durch Noth-
wendigkeit,

Die nicht zu vermeiden iſt, gleichfals nichts geſchehen koͤnne;
Sondern daß des Schoͤpfers Weisheit, Lieb’ und Vollen-
kommenheit

Sich in keinem eintz’gen Dinge von den Creaturen trenne,
Auch
D d 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <pb facs="#f0439" n="423"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">Neu-Jahrs Gedichte.</hi> </fw><lb/>
          <lg n="51">
            <l>Da ge&#x017F;chicht nun ihnen &#x017F;anft, wenn, von aller Noth der<lb/><hi rendition="#et">Erden,</hi></l><lb/>
            <l>Sie, durch einen &#x017F;eel&#x2019;gen Todt, einmahl aufgelo&#x0364;&#x017F;et werden.</l><lb/>
            <l>Sie empfinden ohne dem <hi rendition="#fr">Lu&#x017F;t,</hi> mit Paulo, <hi rendition="#fr">abzu&#x017F;cheiden</hi></l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Und bey Chri&#x017F;to dort zu &#x017F;eyn.</hi> Ja &#x017F;ie mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en oftermahl,</l><lb/>
            <l>Daß &#x017F;ie nicht den Todt verlangen, dennoch fa&#x017F;t die&#x017F;elbe Quaal</l><lb/>
            <l>Jn der Selb&#x017F;t-Verla&#x0364;ugnung leiden,</l><lb/>
            <l>Als ein andrer, der das Leben,</l><lb/>
            <l>Mit &#x017F;o hei&#x017F;&#x017F;er Sehn&#x017F;ucht, wu&#x0364;n&#x017F;cht, und es doch muß von &#x017F;ich<lb/><hi rendition="#et">geben.</hi></l><lb/>
            <l>Denn wenn gleich Elias dort &#x017F;aget: <hi rendition="#fr">HErr, es i&#x017F;t genug;</hi></l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">So nimm meine Seel von mir!</hi> Wird er doch darum mit<lb/><hi rendition="#et">nichten</hi></l><lb/>
            <l>Ausge&#x017F;pannet, &#x017F;ondern muß er&#x017F;t dasjenige verrichten,</l><lb/>
            <l>Wozu Go&#x0364;ttliche Vor&#x017F;ehung ihn auf die&#x017F;er Welt be&#x017F;timmt.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="52">
            <l>Oefters &#x017F;iehet GOtt was Gutes noch an einem, darum<lb/><hi rendition="#et">nimmt</hi></l><lb/>
            <l>Er ihn von der Erden weg, daß er die betru&#x0364;bten Tage</l><lb/>
            <l>Und das Unglu&#x0364;ck &#x017F;einer Freunde, Creutz, Betru&#x0364;bniß, Noth<lb/><hi rendition="#et">und Plage</hi></l><lb/>
            <l>Nicht in ihnen leiden du&#x0364;rffe. Der Gerechten Seelen werden</l><lb/>
            <l>Oftermahlen von der Erden</l><lb/>
            <l>Vor dem Unglu&#x0364;ck weggerafft. Al&#x017F;o haben wir ge&#x017F;ehn,</l><lb/>
            <l>Wie von allen Ding- und Fa&#x0364;llen, &#x017F;o auf die&#x017F;er Welt ent&#x017F;tehn,</l><lb/>
            <l>Nichts ohn eine wei&#x017F;e Fu&#x0364;hrung und Regirung kann ge&#x017F;chehn;</l><lb/>
            <l>Wie durch einen <hi rendition="#fr">Glu&#x0364;cks-Fall,</hi> nichts, aber durch <hi rendition="#fr">Noth-<lb/><hi rendition="#et">wendigkeit,</hi></hi></l><lb/>
            <l><hi rendition="#fr">Die nicht zu vermeiden i&#x017F;t,</hi> gleichfals nichts ge&#x017F;chehen ko&#x0364;nne;</l><lb/>
            <l>Sondern daß des Scho&#x0364;pfers Weisheit, Lieb&#x2019; und Vollen-<lb/><hi rendition="#et">kommenheit</hi></l><lb/>
            <l>Sich in keinem eintz&#x2019;gen Dinge von den Creaturen trenne,</l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">D d 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Auch</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[423/0439] Neu-Jahrs Gedichte. Da geſchicht nun ihnen ſanft, wenn, von aller Noth der Erden, Sie, durch einen ſeel’gen Todt, einmahl aufgeloͤſet werden. Sie empfinden ohne dem Luſt, mit Paulo, abzuſcheiden Und bey Chriſto dort zu ſeyn. Ja ſie muͤſſen oftermahl, Daß ſie nicht den Todt verlangen, dennoch faſt dieſelbe Quaal Jn der Selbſt-Verlaͤugnung leiden, Als ein andrer, der das Leben, Mit ſo heiſſer Sehnſucht, wuͤnſcht, und es doch muß von ſich geben. Denn wenn gleich Elias dort ſaget: HErr, es iſt genug; So nimm meine Seel von mir! Wird er doch darum mit nichten Ausgeſpannet, ſondern muß erſt dasjenige verrichten, Wozu Goͤttliche Vorſehung ihn auf dieſer Welt beſtimmt. Oefters ſiehet GOtt was Gutes noch an einem, darum nimmt Er ihn von der Erden weg, daß er die betruͤbten Tage Und das Ungluͤck ſeiner Freunde, Creutz, Betruͤbniß, Noth und Plage Nicht in ihnen leiden duͤrffe. Der Gerechten Seelen werden Oftermahlen von der Erden Vor dem Ungluͤck weggerafft. Alſo haben wir geſehn, Wie von allen Ding- und Faͤllen, ſo auf dieſer Welt entſtehn, Nichts ohn eine weiſe Fuͤhrung und Regirung kann geſchehn; Wie durch einen Gluͤcks-Fall, nichts, aber durch Noth- wendigkeit, Die nicht zu vermeiden iſt, gleichfals nichts geſchehen koͤnne; Sondern daß des Schoͤpfers Weisheit, Lieb’ und Vollen- kommenheit Sich in keinem eintz’gen Dinge von den Creaturen trenne, Auch D d 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/439
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 423. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/439>, abgerufen am 03.10.2024.