Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Croceon auton. Kann das wol möglich seyn! Sprach ich, als jüngst mein Gärtner mir, Jn einer purpur-farbnen Zier, Und einem weissen Silber Schein, Ein Croceon avton mit diesen Worten gab: Man sagt, daß diese Blum, ohn Wasser, sonder Erde, Durch blosse Luft allein genähret werde. Jch setzte sie demnach, um dieses zu probiren, Und von der Wahrheit deß mich selbst zu überführen, Gleich vor mein Fenster hin, und fand es würcklich wahr. Die Blume wächs't und blüht an diesem Ort Ohn Erd' und sonder Naß beständig fort. Mein Leser, sprich mit mir: ist dieß nicht wunderbar? Wir haben erst vor wenig Jahren, Daß Blumen, setzt man sie nur auf ein Glas, Ohn Erde, bloß allein durchs Naß Gedeyen, gantz erstaunt erfahren: Hier stellt der Schöpfer uns ein neues Wunder dar, Und zeigt in dieser Blum uns klar Und überzeuglich an, Zu seinem Lobe, Ruhm und Preise, Und seines grossen Nahmens Ehren, Daß er, auf ungezehlte Weise, Die Creatur erschaffen, nähren, Versorgen und erhalten kann. Ach mögten wir demnach, ohn dich, HErr, zu erhöhen, Dieß seltne Blümchen nimmer sehen. Die
Croceon auton. Kann das wol moͤglich ſeyn! Sprach ich, als juͤngſt mein Gaͤrtner mir, Jn einer purpur-farbnen Zier, Und einem weiſſen Silber Schein, Ein Croceon avton mit dieſen Worten gab: Man ſagt, daß dieſe Blum, ohn Waſſer, ſonder Erde, Durch bloſſe Luft allein genaͤhret werde. Jch ſetzte ſie demnach, um dieſes zu probiren, Und von der Wahrheit deß mich ſelbſt zu uͤberfuͤhren, Gleich vor mein Fenſter hin, und fand es wuͤrcklich wahr. Die Blume waͤchſ’t und bluͤht an dieſem Ort Ohn Erd’ und ſonder Naß beſtaͤndig fort. Mein Leſer, ſprich mit mir: iſt dieß nicht wunderbar? Wir haben erſt vor wenig Jahren, Daß Blumen, ſetzt man ſie nur auf ein Glas, Ohn Erde, bloß allein durchs Naß Gedeyen, gantz erſtaunt erfahren: Hier ſtellt der Schoͤpfer uns ein neues Wunder dar, Und zeigt in dieſer Blum uns klar Und uͤberzeuglich an, Zu ſeinem Lobe, Ruhm und Preiſe, Und ſeines groſſen Nahmens Ehren, Daß er, auf ungezehlte Weiſe, Die Creatur erſchaffen, naͤhren, Verſorgen und erhalten kann. Ach moͤgten wir demnach, ohn dich, HErr, zu erhoͤhen, Dieß ſeltne Bluͤmchen nimmer ſehen. Die
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Croceon auton.
Kann das wol moͤglich ſeyn!
Sprach ich, als juͤngſt mein Gaͤrtner mir,
Jn einer purpur-farbnen Zier,
Und einem weiſſen Silber Schein,
Ein Croceon avton mit dieſen Worten gab:
Man ſagt, daß dieſe Blum, ohn Waſſer, ſonder Erde,
Durch bloſſe Luft allein genaͤhret werde.
Jch ſetzte ſie demnach, um dieſes zu probiren,
Und von der Wahrheit deß mich ſelbſt zu uͤberfuͤhren,
Gleich vor mein Fenſter hin, und fand es wuͤrcklich wahr.
Die Blume waͤchſ’t und bluͤht an dieſem Ort
Ohn Erd’ und ſonder Naß beſtaͤndig fort.
Mein Leſer, ſprich mit mir: iſt dieß nicht wunderbar?
Wir haben erſt vor wenig Jahren,
Daß Blumen, ſetzt man ſie nur auf ein Glas,
Ohn Erde, bloß allein durchs Naß
Gedeyen, gantz erſtaunt erfahren:
Hier ſtellt der Schoͤpfer uns ein neues Wunder dar,
Und zeigt in dieſer Blum uns klar
Und uͤberzeuglich an,
Zu ſeinem Lobe, Ruhm und Preiſe,
Und ſeines groſſen Nahmens Ehren,
Daß er, auf ungezehlte Weiſe,
Die Creatur erſchaffen, naͤhren,
Verſorgen und erhalten kann.
Ach moͤgten wir demnach, ohn dich, HErr, zu erhoͤhen,
Dieß ſeltne Bluͤmchen nimmer ſehen.
Die
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