Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.(***) Betrachtung wallender Wasser-Wogen. Auf einem sichern Schif, worauf ich mich befinde, Betracht' ich jetzt die, durch die wilden Winde, Starck aufgebrachte Fluth, die sich gewaltig bäumet, Entsetzlich wallet, braus't, und schäumet. Die Wellen drohen sich einander zu verschlingen; Die suchet jene zu bezwingen; Dort sieht man Berge schnell sich neigen, Dort tieffe Thäler plötzlich steigen. Es wüthet, wühlt und wallt die Fluth. So weit wir sehn Sucht alles sich zu sencken, zu erhöhn. Hier siehet man von unten dicke Wellen Sich auf einmahl erheben, bäumen, schwellen. Wenn nun in ihrer Fahrt ein' ander' ihr begegnet, Sieht man sie sich so heftig drengen, Daß sie, beschäumt, als wenn es regnet, Rings um sich grosse Tropfen sprengen. Hier wölben sich die regen Wogen, Formiren umgekehrte Bogen; Dann steigen graue Berg' allmählig in die Höh, Mit weissen Schaum bedeckt, als wie mit Schnee. Oft sincken sie, zerborsten, plötzlich nieder, Oft heben sie sich schnell und steigen plötzlich wieder. Jndem ich meine Blicke nun Auf diesem Platz der Unruh liesse ruhn; Entstunden bey der Wellen Wancken Bey mir die folgenden Gedancken: Wann aus der tieffen Fluth sich eine Well' erhebt, Sich abgesondert, hoch zu steigen, Vor andern schwülstig sich zu zeigen Oft sanft, oft ungestüm bestrebt, Doch
(***) Betrachtung wallender Waſſer-Wogen. Auf einem ſichern Schif, worauf ich mich befinde, Betracht’ ich jetzt die, durch die wilden Winde, Starck aufgebrachte Fluth, die ſich gewaltig baͤumet, Entſetzlich wallet, brauſ’t, und ſchaͤumet. Die Wellen drohen ſich einander zu verſchlingen; Die ſuchet jene zu bezwingen; Dort ſieht man Berge ſchnell ſich neigen, Dort tieffe Thaͤler ploͤtzlich ſteigen. Es wuͤthet, wuͤhlt und wallt die Fluth. So weit wir ſehn Sucht alles ſich zu ſencken, zu erhoͤhn. Hier ſiehet man von unten dicke Wellen Sich auf einmahl erheben, baͤumen, ſchwellen. Wenn nun in ihrer Fahrt ein’ ander’ ihr begegnet, Sieht man ſie ſich ſo heftig drengen, Daß ſie, beſchaͤumt, als wenn es regnet, Rings um ſich groſſe Tropfen ſprengen. Hier woͤlben ſich die regen Wogen, Formiren umgekehrte Bogen; Dann ſteigen graue Berg’ allmaͤhlig in die Hoͤh, Mit weiſſen Schaum bedeckt, als wie mit Schnee. Oft ſincken ſie, zerborſten, ploͤtzlich nieder, Oft heben ſie ſich ſchnell und ſteigen ploͤtzlich wieder. Jndem ich meine Blicke nun Auf dieſem Platz der Unruh lieſſe ruhn; Entſtunden bey der Wellen Wancken Bey mir die folgenden Gedancken: Wann aus der tieffen Fluth ſich eine Well’ erhebt, Sich abgeſondert, hoch zu ſteigen, Vor andern ſchwuͤlſtig ſich zu zeigen Oft ſanft, oft ungeſtuͤm beſtrebt, Doch
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(***)
Betrachtung wallender Waſſer-Wogen.
Auf einem ſichern Schif, worauf ich mich befinde,
Betracht’ ich jetzt die, durch die wilden Winde,
Starck aufgebrachte Fluth, die ſich gewaltig baͤumet,
Entſetzlich wallet, brauſ’t, und ſchaͤumet.
Die Wellen drohen ſich einander zu verſchlingen;
Die ſuchet jene zu bezwingen;
Dort ſieht man Berge ſchnell ſich neigen,
Dort tieffe Thaͤler ploͤtzlich ſteigen.
Es wuͤthet, wuͤhlt und wallt die Fluth. So weit wir ſehn
Sucht alles ſich zu ſencken, zu erhoͤhn.
Hier ſiehet man von unten dicke Wellen
Sich auf einmahl erheben, baͤumen, ſchwellen.
Wenn nun in ihrer Fahrt ein’ ander’ ihr begegnet,
Sieht man ſie ſich ſo heftig drengen,
Daß ſie, beſchaͤumt, als wenn es regnet,
Rings um ſich groſſe Tropfen ſprengen.
Hier woͤlben ſich die regen Wogen,
Formiren umgekehrte Bogen;
Dann ſteigen graue Berg’ allmaͤhlig in die Hoͤh,
Mit weiſſen Schaum bedeckt, als wie mit Schnee.
Oft ſincken ſie, zerborſten, ploͤtzlich nieder,
Oft heben ſie ſich ſchnell und ſteigen ploͤtzlich wieder.
Jndem ich meine Blicke nun
Auf dieſem Platz der Unruh lieſſe ruhn;
Entſtunden bey der Wellen Wancken
Bey mir die folgenden Gedancken:
Wann aus der tieffen Fluth ſich eine Well’ erhebt,
Sich abgeſondert, hoch zu ſteigen,
Vor andern ſchwuͤlſtig ſich zu zeigen
Oft ſanft, oft ungeſtuͤm beſtrebt,
Doch
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