Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

Bild:
<< vorherige Seite
Zur Flos admirabilis.
Gehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze
Zier und Ehr',

Mit deiner Farben Glantz und Schein!
Jch seh' dich nun und nimmermehr.
Die Stunde, da du must vergehn, bricht bald heran, sie
ist schon nah,

Und eben, da ich mit dir rede, bricht sie herein, sie ist
schon da.

Du wickelst dich in dich zusammen, verschrumpfst, ver-
lierest Farb und Glantz,

Verwelckst, verkömmst, verdirbest gantz,
Und zwar so schleunig und so schnell, daß jedermann,
Die grosse Flüchtigkeit nicht gnug bewundern kann.
Nun scheint zwar deine kurtze Dauer und dein so
plötzliches Vergehen

Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man
es recht erweget,

Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichsam Platz
zu machen pfleget;

So fühlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge-
het, nicht;

Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes
Scheiden

Ersetzen, und, so wie es auch bey uns nicht weniger
geschicht,

Die Stelle wiederum bekleiden;
Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr so kurtze Zeit
bestehet,

Und gleichsam, mit nie stillen Schritten, nur andern aus
dem Wege gehet,
Uns
U 4
Zur Flos admirabilis.
Gehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze
Zier und Ehr’,

Mit deiner Farben Glantz und Schein!
Jch ſeh’ dich nun und nimmermehr.
Die Stunde, da du muſt vergehn, bricht bald heran, ſie
iſt ſchon nah,

Und eben, da ich mit dir rede, bricht ſie herein, ſie iſt
ſchon da.

Du wickelſt dich in dich zuſammen, verſchrumpfſt, ver-
liereſt Farb und Glantz,

Verwelckſt, verkoͤmmſt, verdirbeſt gantz,
Und zwar ſo ſchleunig und ſo ſchnell, daß jedermann,
Die groſſe Fluͤchtigkeit nicht gnug bewundern kann.
Nun ſcheint zwar deine kurtze Dauer und dein ſo
ploͤtzliches Vergehen

Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man
es recht erweget,

Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichſam Platz
zu machen pfleget;

So fuͤhlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge-
het, nicht;

Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes
Scheiden

Erſetzen, und, ſo wie es auch bey uns nicht weniger
geſchicht,

Die Stelle wiederum bekleiden;
Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr ſo kurtze Zeit
beſtehet,

Und gleichſam, mit nie ſtillen Schritten, nur andern aus
dem Wege gehet,
Uns
U 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0327" n="311"/>
        <lg type="poem">
          <head> <hi rendition="#b">Zur</hi> <hi rendition="#aq">Flos admirabilis.</hi> </head><lb/>
          <lg n="10">
            <l><hi rendition="#in">G</hi>ehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze<lb/><hi rendition="#et">Zier und Ehr&#x2019;,</hi></l><lb/>
            <l>Mit deiner Farben Glantz und Schein!</l><lb/>
            <l>Jch &#x017F;eh&#x2019; dich nun und nimmermehr.</l><lb/>
            <l>Die Stunde, da du mu&#x017F;t vergehn, bricht bald heran, &#x017F;ie<lb/><hi rendition="#et">i&#x017F;t &#x017F;chon nah,</hi></l><lb/>
            <l>Und eben, da ich mit dir rede, bricht &#x017F;ie herein, &#x017F;ie i&#x017F;t<lb/><hi rendition="#et">&#x017F;chon da.</hi></l><lb/>
            <l>Du wickel&#x017F;t dich in dich zu&#x017F;ammen, ver&#x017F;chrumpf&#x017F;t, ver-<lb/><hi rendition="#et">liere&#x017F;t Farb und Glantz,</hi></l><lb/>
            <l>Verwelck&#x017F;t, verko&#x0364;mm&#x017F;t, verdirbe&#x017F;t gantz,</l><lb/>
            <l>Und zwar &#x017F;o &#x017F;chleunig und &#x017F;o &#x017F;chnell, daß jedermann,</l><lb/>
            <l>Die gro&#x017F;&#x017F;e Flu&#x0364;chtigkeit nicht gnug bewundern kann.</l>
          </lg><lb/>
          <lg n="11">
            <l>Nun &#x017F;cheint zwar deine kurtze Dauer und dein &#x017F;o<lb/><hi rendition="#et">plo&#x0364;tzliches Vergehen</hi></l><lb/>
            <l>Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man<lb/><hi rendition="#et">es recht erweget,</hi></l><lb/>
            <l>Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleich&#x017F;am Platz<lb/><hi rendition="#et">zu machen pfleget;</hi></l><lb/>
            <l>So fu&#x0364;hlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge-<lb/><hi rendition="#et">het, nicht;</hi></l><lb/>
            <l>Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes<lb/><hi rendition="#et">Scheiden</hi></l><lb/>
            <l>Er&#x017F;etzen, und, &#x017F;o wie es auch bey uns nicht weniger<lb/><hi rendition="#et">ge&#x017F;chicht,</hi></l><lb/>
            <l>Die Stelle wiederum bekleiden;</l><lb/>
            <l>Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr &#x017F;o kurtze Zeit<lb/><hi rendition="#et">be&#x017F;tehet,</hi></l><lb/>
            <l>Und gleich&#x017F;am, mit nie &#x017F;tillen Schritten, nur andern aus<lb/><hi rendition="#et">dem Wege gehet,</hi></l>
          </lg><lb/>
          <fw place="bottom" type="sig">U 4</fw>
          <fw place="bottom" type="catch">Uns</fw><lb/>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[311/0327] Zur Flos admirabilis. Gehab dich wol, geliebte Blume, des Gartens kurtze Zier und Ehr’, Mit deiner Farben Glantz und Schein! Jch ſeh’ dich nun und nimmermehr. Die Stunde, da du muſt vergehn, bricht bald heran, ſie iſt ſchon nah, Und eben, da ich mit dir rede, bricht ſie herein, ſie iſt ſchon da. Du wickelſt dich in dich zuſammen, verſchrumpfſt, ver- liereſt Farb und Glantz, Verwelckſt, verkoͤmmſt, verdirbeſt gantz, Und zwar ſo ſchleunig und ſo ſchnell, daß jedermann, Die groſſe Fluͤchtigkeit nicht gnug bewundern kann. Nun ſcheint zwar deine kurtze Dauer und dein ſo ploͤtzliches Vergehen Bedaurens-mehr als Wunderns-wehrt; allein, wenn man es recht erweget, Daß dein Vergehen andren Blumen nur gleichſam Platz zu machen pfleget; So fuͤhlet und empfindet man nicht nur, daß ihr verge- het, nicht; Weil immer andre wieder da, die euer kaum vermercktes Scheiden Erſetzen, und, ſo wie es auch bey uns nicht weniger geſchicht, Die Stelle wiederum bekleiden; Es zeigt vielmehr, geliebte Blumen, da ihr ſo kurtze Zeit beſtehet, Und gleichſam, mit nie ſtillen Schritten, nur andern aus dem Wege gehet, Uns U 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/327
Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 311. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/327>, abgerufen am 23.11.2024.