Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.Aurikeln im Herbst. Aurikeln im Herbst. Jndem ich jüngst im Herbst erblickte, Wie, auf das neu, des Gartens-Flur Manch bunt Aurikelchen, als wie im Frühling, schmückte; Ergetzt' ich mich daran. Es ward mein Blick nicht nur, Durch ihre Wiederkunft, gerührt; Die Seele selber ward, für Lust, die sie verspührt, Bewegt, erfüllt und eingenommen. Jch hieß das Blümchen sanft, in meinem Sinn, willkommen! Und fielen, bey der Farben buntem Schein, Mir die Gedancken ein: Es kommt dein wiederhohlter Flor Mir gleichsam vor, Als wenn, vor andern Blumen allen, Ein starcker Trieb in deinen Röhren, Den Schöpfer der Natur zu ehren, Geliebte Blume, müsse wallen. Es scheint ob hört' ich dich, mit bunten Lippen, sagen: "Noch eh die lange Winter-Nacht "Mich zu dem langen Schlaf gebracht, "Will ichs vorher noch einmahl wagen, "Und, GOtt zum Ruhm, noch einmahl Blumen tragen. "Vielleicht geräht mein spätes Blühen mehr, "Als meine Blüth, im Frühling, GOtt zur Ehr! "Vielleicht wirft mancher Mensch auf mich mehr, als vorhin, "So Blick als Sinn! "Vielleicht kan ihn mein frembd-und unverhoftes Blühen, "Zu einiger Betrachtung, ziehen "Und seinen Geist durchs Ungewohnte lencken, "Auf sein- und meinen HErrn zu dencken! Ja
Aurikeln im Herbſt. Aurikeln im Herbſt. Jndem ich juͤngſt im Herbſt erblickte, Wie, auf das neu, des Gartens-Flur Manch bunt Aurikelchen, als wie im Fruͤhling, ſchmuͤckte; Ergetzt’ ich mich daran. Es ward mein Blick nicht nur, Durch ihre Wiederkunft, geruͤhrt; Die Seele ſelber ward, fuͤr Luſt, die ſie verſpuͤhrt, Bewegt, erfuͤllt und eingenommen. Jch hieß das Bluͤmchen ſanft, in meinem Sinn, willkommen! Und fielen, bey der Farben buntem Schein, Mir die Gedancken ein: Es kommt dein wiederhohlter Flor Mir gleichſam vor, Als wenn, vor andern Blumen allen, Ein ſtarcker Trieb in deinen Roͤhren, Den Schoͤpfer der Natur zu ehren, Geliebte Blume, muͤſſe wallen. Es ſcheint ob hoͤrt’ ich dich, mit bunten Lippen, ſagen: „Noch eh die lange Winter-Nacht „Mich zu dem langen Schlaf gebracht, „Will ichs vorher noch einmahl wagen, „Und, GOtt zum Ruhm, noch einmahl Blumen tragen. „Vielleicht geraͤht mein ſpaͤtes Bluͤhen mehr, „Als meine Bluͤth, im Fruͤhling, GOtt zur Ehr! „Vielleicht wirft mancher Menſch auf mich mehr, als vorhin, „So Blick als Sinn! „Vielleicht kan ihn mein frembd-und unverhoftes Bluͤhen, „Zu einiger Betrachtung, ziehen „Und ſeinen Geiſt durchs Ungewohnte lencken, „Auf ſein- und meinen HErrn zu dencken! Ja
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Aurikeln im Herbſt.
Aurikeln im Herbſt.
Jndem ich juͤngſt im Herbſt erblickte,
Wie, auf das neu, des Gartens-Flur
Manch bunt Aurikelchen, als wie im Fruͤhling, ſchmuͤckte;
Ergetzt’ ich mich daran. Es ward mein Blick nicht nur,
Durch ihre Wiederkunft, geruͤhrt;
Die Seele ſelber ward, fuͤr Luſt, die ſie verſpuͤhrt,
Bewegt, erfuͤllt und eingenommen.
Jch hieß das Bluͤmchen ſanft, in meinem Sinn, willkommen!
Und fielen, bey der Farben buntem Schein,
Mir die Gedancken ein:
Es kommt dein wiederhohlter Flor
Mir gleichſam vor,
Als wenn, vor andern Blumen allen,
Ein ſtarcker Trieb in deinen Roͤhren,
Den Schoͤpfer der Natur zu ehren,
Geliebte Blume, muͤſſe wallen.
Es ſcheint ob hoͤrt’ ich dich, mit bunten Lippen, ſagen:
„Noch eh die lange Winter-Nacht
„Mich zu dem langen Schlaf gebracht,
„Will ichs vorher noch einmahl wagen,
„Und, GOtt zum Ruhm, noch einmahl Blumen tragen.
„Vielleicht geraͤht mein ſpaͤtes Bluͤhen mehr,
„Als meine Bluͤth, im Fruͤhling, GOtt zur Ehr!
„Vielleicht wirft mancher Menſch auf mich mehr, als
vorhin,
„So Blick als Sinn!
„Vielleicht kan ihn mein frembd-und unverhoftes Bluͤhen,
„Zu einiger Betrachtung, ziehen
„Und ſeinen Geiſt durchs Ungewohnte lencken,
„Auf ſein- und meinen HErrn zu dencken!
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