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Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736.

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Saamen-Gehäuse.
Jn verschiednen findet man, nicht ohn inniges Vergnügen,
Da sie recht mit Sammt gefüttert, und aufs weichlichste
behahr't,

Nicht allein das Saamen-Körnchen vor Gefahren wol
verwahrt;

Sondern man sieht ihn darin, recht als wie auf Polstern,
liegen.

Viele, die aus Federgen, einen Schloßwerck gleich, bestehn,
Siehet man, um ihren Saamen allenthalben hinzubringen,
Wunderbarlich, wenn sie reif, plötzlich von einander springen.
Sie sind gleichsam recht bemüht, ihre Kinder selbst zu sä'n,
Wie die Balsamina thut: ja, was mich noch mehr
ergetzet,

Und voll frölicher Verwundrung öfters in Erstaunen setzet
Jst ein Blümchen, welches sich gleichsam selber Flügel schafft,
Um an manchem Ort zu blühen. Wenn die rechte Blume fällt,
Wird uns gleich, aus vielen Blümchen, eine neue, dargestellt.
Jeder Saam-Korn, deren man öfters über hundert findet,
Träget einen zarten Stengel, der sich oberwerts verbreitet,
Und, mit gleich-getheilten Spitzen, sich in netter Ordnung
ründet.

Aus der Menge dieser Blümchen wird ein rundes Gantz
bereitet,

Eine schöne weise Blume zeiget sich, zu unsrer Lust,
Die uns aber, weil wir sie nicht des Ansehns würdig achten,
Und (nur Kinder ausgenommen, die sie dann und wann
betrachten)

Nicht besehen, nicht erwegen; meistentheils nur unbewust,
Ja fast wie verachtet bleibet. Wilst du sie, mein Leser,
kennen

Hör! es ist die gelbe Blume, die wir Butter-Blume nennen,
Die
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Saamen-Gehaͤuſe.
Jn verſchiednen findet man, nicht ohn inniges Vergnuͤgen,
Da ſie recht mit Sammt gefuͤttert, und aufs weichlichſte
behahr’t,

Nicht allein das Saamen-Koͤrnchen vor Gefahren wol
verwahrt;

Sondern man ſieht ihn darin, recht als wie auf Polſtern,
liegen.

Viele, die aus Federgen, einen Schloßwerck gleich, beſtehn,
Siehet man, um ihren Saamen allenthalben hinzubringen,
Wunderbarlich, wenn ſie reif, ploͤtzlich von einander ſpringen.
Sie ſind gleichſam recht bemuͤht, ihre Kinder ſelbſt zu ſaͤ’n,
Wie die Balſamina thut: ja, was mich noch mehr
ergetzet,

Und voll froͤlicher Verwundrung oͤfters in Erſtaunen ſetzet
Jſt ein Bluͤmchen, welches ſich gleichſam ſelber Fluͤgel ſchafft,
Um an manchem Ort zu bluͤhen. Wenn die rechte Blume faͤllt,
Wird uns gleich, aus vielen Bluͤmchen, eine neue, dargeſtellt.
Jeder Saam-Korn, deren man oͤfters uͤber hundert findet,
Traͤget einen zarten Stengel, der ſich oberwerts verbreitet,
Und, mit gleich-getheilten Spitzen, ſich in netter Ordnung
ruͤndet.

Aus der Menge dieſer Bluͤmchen wird ein rundes Gantz
bereitet,

Eine ſchoͤne weiſe Blume zeiget ſich, zu unſrer Luſt,
Die uns aber, weil wir ſie nicht des Anſehns wuͤrdig achten,
Und (nur Kinder ausgenommen, die ſie dann und wann
betrachten)

Nicht beſehen, nicht erwegen; meiſtentheils nur unbewuſt,
Ja faſt wie verachtet bleibet. Wilſt du ſie, mein Leſer,
kennen

Hoͤr! es iſt die gelbe Blume, die wir Butter-Blume nennen,
Die
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[279/0295] Saamen-Gehaͤuſe. Jn verſchiednen findet man, nicht ohn inniges Vergnuͤgen, Da ſie recht mit Sammt gefuͤttert, und aufs weichlichſte behahr’t, Nicht allein das Saamen-Koͤrnchen vor Gefahren wol verwahrt; Sondern man ſieht ihn darin, recht als wie auf Polſtern, liegen. Viele, die aus Federgen, einen Schloßwerck gleich, beſtehn, Siehet man, um ihren Saamen allenthalben hinzubringen, Wunderbarlich, wenn ſie reif, ploͤtzlich von einander ſpringen. Sie ſind gleichſam recht bemuͤht, ihre Kinder ſelbſt zu ſaͤ’n, Wie die Balſamina thut: ja, was mich noch mehr ergetzet, Und voll froͤlicher Verwundrung oͤfters in Erſtaunen ſetzet Jſt ein Bluͤmchen, welches ſich gleichſam ſelber Fluͤgel ſchafft, Um an manchem Ort zu bluͤhen. Wenn die rechte Blume faͤllt, Wird uns gleich, aus vielen Bluͤmchen, eine neue, dargeſtellt. Jeder Saam-Korn, deren man oͤfters uͤber hundert findet, Traͤget einen zarten Stengel, der ſich oberwerts verbreitet, Und, mit gleich-getheilten Spitzen, ſich in netter Ordnung ruͤndet. Aus der Menge dieſer Bluͤmchen wird ein rundes Gantz bereitet, Eine ſchoͤne weiſe Blume zeiget ſich, zu unſrer Luſt, Die uns aber, weil wir ſie nicht des Anſehns wuͤrdig achten, Und (nur Kinder ausgenommen, die ſie dann und wann betrachten) Nicht beſehen, nicht erwegen; meiſtentheils nur unbewuſt, Ja faſt wie verachtet bleibet. Wilſt du ſie, mein Leſer, kennen Hoͤr! es iſt die gelbe Blume, die wir Butter-Blume nennen, Die S 4

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Zitationshilfe: Brockes, Barthold Heinrich: Jrdisches Vergnügen in Gott. Bd. 5. Hamburg, 1736, S. 279. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brockes_vergnuegen05_1736/295>, abgerufen am 19.05.2024.